504,1 km

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Der letzte morgen. Um 13 Uhr würde ich den Zug nehmen und zurück fahren. Ich holte Brötchen während Felix den Tisch deckte. Chemnitz war eigentlich eine schöne Stadt, warum regte sich Felix nur immer darüber auf? Wahrscheinlich ist das so ein Instinkt, wenn man irgendwo aufgewachsen ist, dass man es dort nicht so mag. Trotzdem weigerte er sich umzuziehen. Dazu mochte er Chemnitz dann doch zu sehr. Ich schloss die Tür leise auf und bemerkte wie er gerade telefonierte. Er bemerkte nicht, dass ich hereingekommen war und ich wollte ihn erschrecken. Ganz leise stand ich hinter ihm und hörte ihm zu, nur um ihn dann erschrecken zu können.
''Ich hab sie gefickt, also Lynn... Doch! Wette gewonnen würde ich mal sagen...du darfst jetzt mein Sklave sein...''
Als ich diese Worte hörte, musste ich schlucken. Ein riesen Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich war geschockt und verletzt zu gleich.
''Das war alles nur eine Wette für dich?'', erst jetzt bemerkte er, dass ich die ganze Zeit hinter im stand und drehte sich um, immer noch mit dem Handy am Ohr.
''Lynn, seit wann.. nein, also...'', da konnte er sich selbst nicht mehr rausreden. Wie dumm konnte ich nur sein?
Ich ließ die Brötchentüte fallen und schnappte meine Tasche, ich wollte weg. Wie konnte das alles nur eine Lüge sein? Dieses ganze Gelaber von wegen ich liebe dich. Nichts da.
''Ich verstehe, schönes Leben noch, Felix.'' Ich stürmte das Treppenhaus hinunter. Keine Sekunde mehr wollte ich bei jemandem sein, der mich so angelogen hatte. Ich fühlte mich gedemütigt und zerbrochen. Er nahm mein blutendes Herz und warf es auf den glasigen Boden. Egal, wie lange ich ihn kannte, verdammte scheiße. Ich war verliebt in ihn und vor 5 Minuten dachte ich, er auch in mich. Tränen rollten mir die Wange runter und ich ließ es einfach zu. Ich fühlte mich wie ein offenes Haus, in das er einfach eintrat. Zum ersten Mal in meinem Leben ließ ich zu, dass jemand in dieses Haus konnte. Er tapezierte die Wände in meinem Haus nur um die Tapeten kurz danach wieder abreißen zu könnnen. Er stahl Dinge, die brauchte um zu atmen, mich nicht so leer in meinem Haus zu fühlen. Und dann brannte er es nieder, in wenigen Sekunden war es weg. Doch ich hatte immer noch diesen Tapetenfetzten und die schöne Erinnerung an mein tolles Haus. Aber es war nichts mehr, dass mich ganz fühlen könnte. Ich hörte Felix Schritte hinter mir.

''Warte, bitte!'', er packte meinen Arm und brachte mich zum Stoppen. Unsere Blicke trafen sich, doch er wich aus und starrte auf den Boden. Ich spürte, dass er sich schämte. Verdammte scheiße ja, das sollte er auch.

''Lynn.. ich... Ich geb's zu, ich hatte eine Wette mit Maxim, ja. Aber diese Wette war nicht der Grund warum ich mit dir geschlafen habe oder dir meine Gefühle gestanden habe..'', Tränen flossen immer noch über mein Gesicht. Er schnappte kurz nach Luft. ''Ich bin darauf eingegangen weil ich ihm beweisen wollte, dass ich auch so jemand schönen und tollen wie dich haben kann.. das war dumm von mir und es tut mir leid.. Ich hätte nicht so damit angeben und prahlen sollen und.. ach, das ist alles dumm. Ich bin dumm. Es tut mir leid...''
Ich sagte nichts, mit roten Augen starrte ich ihn an. Nun blickte er auch zu mir, versteckte seine Scham nicht mehr. ''Bitte sag doch was..''
Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht was ich sagen oder denken sollte. Geschweige denn, was ich fühlen sollte. Es war wie, als müsste in meinem Gehirn alles neu angeordnet werden. (Sowie in der einen Spongebob Folge, in der Spongebob einen totalen Blackout hatte.) Deshalb umarmte ich ihn einfach. Und ich bereute es nicht. Ich denke, dass gehört dazu, wenn man Menschen mag. Dieses blinde Vertrauen und das nicht böse aufeinander sein. Ich konnte gar nicht böse sein, ich war nur traurig, sehr traurig. Ich ließ starke Seufzer aus und so standen wir vor Felix's Haus. Weinend in seinen Armen. Und ich weinte ja nicht mal, nur wegen der Sache vorhin. Der ganze Ballast, den ich in den letzten Wochen in mich reinschwieg, wurde ausgelassen. Mir fiel es schwer mich zu beruhigen doch meine starken Schluchzer ließen nach, als ich mich auf's Atmen konzentrierte.
''Verzeihst du mir?'', er umarmte mich und gab mir halt.
''Ja'', ich weiß nicht mal ob er mich verstanden hatte, mitten in diesem Geheule aber er platzierte einen Kuss auf meinem Kopf und störte sich nicht daran, noch eine Weile hier mit mir stehen zu bleiben. Ich beruhigte mich und löste mich aus der Umarmung. Danach schenkte ich ihm ein Lächeln.
''Danke Felix''
''Für was?'', er nahm meine Hände.
''Dafür, dass ich mich ausheulen konnte.''
''Hey, dafür musst du dich nicht bedanken. Komm, wir gehen hoch.'', er führte mich die Treppen hoch und trug wie ein echter Gentleman meine Tasche.

Wir aßen unser Frühstück und redeten so, als wäre das von vorhin nicht passiert.

''Ich mach mir Sorgen um dich'', das kam nun aber wirklich aus heiterem Himmel. Felix sah mich besorgt an und ich stopfte den letzten Bissen von meinem Marmeladenbrötchen in mein Mund. Sanft legte ich eine Hand auf deine Wange und drückte einen Kuss auf seine Wange.
''Das ist lieb, aber das musst du gar nicht'', vielleicht musste er's doch. Aber nur ein bisschen.
''Wir haben uns noch nicht richtig über den blauen Fleck unterhalten..''
''Das müssen wir auch nicht.''
''Lynn, so wie du gerade eben geweint hast, müssten wir das vielleicht doch.'', ich wollte nicht mit ihm streiten und sagte gar nichts. ''Ich kann dich doch nicht einfach irgendwo hinfahren lassen, so ganz allein, mit der Angst, dass dir vielleicht irgendwas wie das passiert. Vielleicht ja noch schlimmer!'', seine Tonlage wurde immer hektischer.
''Bitte vertrau mir doch, es geht mir gut!'', ich wollte ihn Küssen doch er winkte ab.
''Das kann ich nicht! Hast du dich gerade eben nicht selbst mitbekommen?'', er sagte es so, als hätte ich gerade erfahren dass meine Mutter gestorben ist oder das ich Krebs bekommen habe. Oh warte, hatte ich ja. Ich wollte ihn nicht anlügen aber die Wahrheit wollte ich ihm auch nicht erzählen. Irgendwie hatte ich Angst um Daniel. Felix würde ihn dann beim nächsten Besuch sehen und völlig fertig machen.
''Es war ein Freund von Henning und er war betrunken. Nichts Schlimmes, wirklich!'', das war zwar nicht die ganze Wahrheit, aber gelogen war es trotzdem nicht. Er nickte nur und hatte diese typischen Sorgenfältchen auf seiner Stirn.

Die Uhr zeigte 12.30 Uhr, wir müssten nun los gehen um den Zug rechtzeitig zu erwischen. Wir gingen Händchen haltend zum Bahnhof und ich grinste wie ein Honigkuchenpferd (sagt man das so?). Ich setzte mich seitlich auf Felix Schoß, meine Arme umschlossen seinen Nacken. Wir küssten uns mehrere Male zärtlich und ich wollte nicht gehen.

''Ich werde dich vermissen'', zwischen unseren Küssen brachte er diese Worte hervor.
''Wehe du kommst mich nicht besuchen!'', ich bot Felix schon vorher an, mich jetzt einfach zu begleiten aber er konnte nicht, da er seine Radioshow zwei Tage später aufnehmen würde. Ich war irgendwie erleichtert, ich musste meine Probleme aus dem Weg schaffen.
Wir sahen meinen Zug anrollen und ich küsste ihn ein letztes mal mit geschlossenen Augen. Seine Lippen waren sanft und er umarmte meine Taille. Tausend Schmetterlinge flogen in meinem Bauch und ich hatte Gänsehaut. So gut fühlte es sich an.

''Bis bald.''

''Bis bald.'', es fühlte sich komisch an jetzt schon 'Ich liebe dich' oder sowas zu sagen. Klar, taten wir das, aber es war einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt.

Ich stieg in den Zug ein und nahm meine Kopfhörer, gestern hatte ich mir bereits das Sidoalbum, bei dem Felix wie ein echter Profi mitrappte, runtergeladen und musste bei den Worten lächeln. Ich konnte einfach nicht aufhören an ihn zu denken. Die Angst blieb, was die Zukunft bringt, aber ich liebe. Und ich werde geliebt. Das ist das schönste Gefühl auf Erden. Liebe.

The only exception // Felix Brummer (Kraftklub)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt