Wegen dir

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  ''Wir gehen später ins Atomino, ist das okay?'', Lynn's Haare waren nun trocken und man konnte den Geruch meines Shampoos überall spüren.
''Was ist das? Eine Kneipe?'', sie zog ihre Augenbraue hoch. Ich hatte ganz vergessen, dass sie nicht hier wohnt und nickte als Antwort.
''Sowas ähnliches, mehr wie ein Club. Gehört meinem Vater und meine Schwestern sind höchstwahrscheinlich auch da.'', wir saßen auf meiner Couch. Ihr Kopf lehnte gegen meine Brust und ich spielte wie so oft mit ihren Haaren. Ich weiß ja nicht, ob sie das so geil fand' wie ich, aber ich liebte es durch ihre Haare zu fahren und sie durch meine Finger gleiten zu lassen. Das hört sich ein bisschen an wie die Beschreibung eines Pornos und so ungefähr ist's auch.
''Awww, du hast Geschwister?'', ihre Stimme klang weich und der Gedanke, dass mein kleiner Bruder Till auch auf Lynn steht, bringt mich fast zum Ausrasten.
''Ja, Lotta und Nina, beide jünger als ich, Till kennst du ja schon. Hast du auch noch Geschwister, also außer Henning?'' Henning war der eigentlich einzige Grund warum ich Lynn überhaupt wieder finden konnte. Ich unterhielt mich ein bisschen mit ihm und durch Zufall erfuhr ich, dass Lynn seine Schwester war und sie ihn auf Festivaltour begleiten sollte. Das kam ja dann alles ganz anders. Lynn zuckte auf meine Frage nur mit den Schultern.
''Ich weiß, dass ich einen Halbbruder habe, den ich noch nie gesehen habe. Vielleicht habe ich auch noch mehr Geschwister, die ich gar nicht kenne.'', auf ein mal klang sie ganz traurig und verletzlich. Man konnte ein Zittern in ihrer Stimme erkennen.
''Wie noch nie gesehen?''
''Ist egal.'', sie winkte sofort ab und ich beließ es dabei. Sie würde es mir schon sagen. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und konnte das mit den Haaren spielen nicht unterlassen.
Eigentlich gammelten wir den ganzen Tag nur rum und sahen fern. Dann beschwerten wir uns über die Leute im Fernsehen. Wir waren beide der Meinung, das 'Verdächtsfälle' und 'Berlin Tag & Nacht' abgeschafft werden sollten, weil das was dort passierte einfach viel zu unrealistisch dargestellt wurde.

Um halb 9 fingen wir uns an fertig für's Atomino zu machen. Was heißt fertig, Lynn beklagte sich darüber, dass ihr ganzes Make-up Zeug bei Steffen war.
''Felix, das traue ich nicht mal dir zu, so mit mir raus zugehen. Ohne Make-up sehe ich aus wie eine Leiche, die vorher ein paar mal überfahren wurde.'', sie schaute mich verzweifelt an doch ich musste nur lachen. Sie war vollkommen okay, so wie sie war. Was heißt okay? Selbst ohne Make-up könnte sie Topmodels wie Cara Delevingne um Längen toppen.
''Du siehst gut aus, glaub mir!'' Meine Versuche sie aufzumuntern scheiterten, doch sie gab nach.
Sie steckte ihre Haare hoch und trug noch immer mein Shirt. Sie sah bezaubernd aus und ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden. Am liebsten würde ich sie jetzt hier, genau an der Ampel, die immer noch rot war, ein weiteres mal küssen. Wir sprachen nicht mehr über den Kuss zuvor, wir ignorierten das einfach. Zumindest tat sie es. Ich musste die ganze Zeit daran denken. Man, so sentimental war ich ja noch nie bei 'ner Frau. Aber es war nun mal die Wahrheit. Ich konnte mir selbst nichts vormachen. Die Ampel wurde wieder grün und wir näherten uns dem Club.

Dort angekommen wurde uns ein Pflaster auf die Haut gestempelt. Lynn bemerkte, dass ich dasselbe Motiv tätowiert hatte und freute sich wie ein Kleinkind darüber. Wir entdeckten Till und Steffen in den tanzenden Menschenmengen.
''Felix, Lynn ich hab Bier für euch!'', als hätte Steffen nur auf uns gewartet, drückte er uns ein Bier in die Hand. Wir beide bedankten uns. Wir tanzten, quatschten und feierten bis in den Morgen. Auf ein mal war Lynn weg und Till konnte ich auch nicht mehr sehen. Ein Blick zur Bar verriet mir, wie Till seinen Arm fest um Lynn schlang. Meine große Liebe. Verdammt. Aber wenn sollte das schon kümmern? Was die können, kann ich auch. Nur besser.

Lynn's Sicht.
''Danke für das Bier, Tilli, ich geh mal zurück zu Felix.'' Ich wollte mich gerade auf den Weg zu ihm machen, doch der steckte seine Zunge gerade in den Hals eines anderes Mädchens. Was sollte das denn jetzt? Heute Morgen küsste er mich noch und machte mir Hoffnungen auf mehr und dann das. Dieses Arschloch. Aber war ja klar, warum sollte er schon etwas wie jemanden wie mir haben wollen?
''Ist wohl gerade ziemlich beschäftigt.'', auch Till musste es bemerkt haben. Da ist man 2 Minuten weg um sich ein neues Bier zu holen und dann kommt sowas. Ich nickte nur und merkte wie sich Tränen in meinem Auge ansammelten. Zum Glück war es hier dunkel und man konnte das nicht sehen.
''Kommst du mit, eine Rauchen?'', ich zögerte kurz. Ich hatte vorgestern erst erfahren, dass ich Krebs hatte. Rauchen wäre eigentlich dumm. Aber was soll's.
''Gerne.'' So gingen wir raus und Till gab mir eine Zigarette. Ein frischer Sommerwind ließ meine Haare völlig verunstalten. Ich gab auf und öffnete meine Frisur, so dass mir meine Haare ins Gesicht fielen. Behutsam klemmte ich sie hinter mein Ohr und zog genüsslich an meiner Zigarette. Aber es schmeckte nicht gut, ganz und gar nicht. Okay, niemand raucht weil er den Geschmack von Zigaretten angenehm findet, oder? Ich kannte niemanden. Doch die Tatsache, dass ich vielleicht auch Lungenkrebs gehabt haben könnte, machte es einfach tausendmal schlimmer. Nach nur zwei Zügen schmiss ich sie auf den Boden.

''Hey, du hast nur ein mal gezogen!'', Till sah mich empört an.
''Zwei mal.''
Meine Laune war im Keller. Ich hoffte nur, dass Felix die alte nicht mit nach Hause abschleppen wollte. Wo sollte ich denn dann hin? Tja, falsch gedacht. Gerade in diesem Moment kam er raus, mit seiner neuen Flamme. In der Hand hielt er einen Becher mit Alkohol. Wir starrten uns an. Doch es war etwas anderes in Felix Augen, sowas hatte ich noch nie gesehen. War es Hass? Oder war er einfach nur geil auf die Olle?
''Wir gehen nach Hause, also zu mir. Kannst ja bei Till pennen, jetzt wo ihr euch so gut versteht.'', Till und ich standen nur verdutzt daneben. Mein Herz raste vor Wut und ich traute kaum es auszusprechen.
''Sag mal willst du mich verarschen? Ich bin nur deinetwegen hier!'', noch immer starrten wir uns in die Augen.
''Das dachte ich auch, Lynn. Das dachte ich wirklich.''
''Was soll das denn jetzt heißen? Ich habe der Ollen neben dir ja nicht meine Zunge in den Hals gesteckt. Komm mal klar. Das ist die Realität, ich bin nicht einer deiner scheiß Marionetten die du benutzen kannst wann du sie gerade brauchst. Fick dich Felix.'', es reichte mir endgültig. Noch nie fühlte ich mich so schlecht. Das Mädchen neben Felix riss ihre Augen weit auf und Till zog peinlich berührt an seiner Kippe. War mir sowas von egal was ihr alle von mir hielten. Ich hatte genug.
Langsam quetschte ich mich an Felix und seiner Freundin vorbei und irrte durch die Straßen von Chemnitz. Es wurde immer dunkler, der Wind immer kälter und ich fing an zu frieren. Wo sollte ich jetzt hin? Meine Sachen hatte immer noch Steffen, alles was ich hatte war ein Handy. Doch ich schaltete es aus um Akku zu sparen. Eine Träne kullerte mir herunter, wie konnte mir sowas nur passieren? Nicht nur der Vorfall von heute, einfach alles.

''Lynn, jetzt warte doch mal!'' Ich hörte eine stimme keuchen. Doch es war nicht derjenige, auf den ich gehofft hatte.  

The only exception // Felix Brummer (Kraftklub)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt