Kapitel 30

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Getuschte Wimpern, Schwarzer Eyeliner und mein Lieblingslippenstift in mattbraun. Eine schwarze Leggins, ein geblümtes Top (Gänseblümchen natürlich) und schwarz weiße Nikes. Ich bin zufrieden mit meinem Aussehen. Dann schnappe ich mir meinen grauen Beutel, weil ich bis jetzt noch keine coole Partyhandtasche gefunden habe, und schmeiße alles rein was ich brauche. Dann gehe ich die Treppe hinunter und frage meine Eltern, ob ich eine Flasche aus ihrem Alkoholvorrat aussuchen darf. Nach einen langen Vortrag über den richtigen Umgang mit Alkohol lassen sie mich eine Flasche 43 Likör mitnehmen. Ich stibitze noch eine Packung Milch und stelle das ganze in mein Zimmer. Noch fünf Minuten und dann kommen meine Freundinnen.
Mir geht es gut, und das kann ich so einfach von mir behaupten, weil ich gerade mit meinen Freundinnen in meinem Zimmer sitze, trinke und mich mit ihnen amüsiere. Ich habe an ihnen meinen Frust über Cole ausgelassen und Mays Antwort war darauf steht's: "Noch ein Glas?"

Wir kommen bei der Party von Laurel an und wir schmeißen unsere Jacken auf den Jackenberg.

Ich tanze gerade auf der frei gemachten Fläche im Wohnzimmer, als ich bemerke wie Logan, Macy, Jack und Andrew durch die Tür in den Raum treten. Cole kann ich nirgendwo entdecken. Ich werde von ihrem Anblick so abgelenkt, dass Alex gegen mich stolpert, weil ich einfach stehen geblieben bin. Verwirrt blickt er zu mir runter, ich lächle entschuldigend. Dann winke ich meinen Freundinnen zu und verlasse die Tanzfläche.
Warum tanzt du nicht einfach weiter und vergisst Cole?
Aber andererseits bin ich auch neugierig und möchte wissen wo er ist.
Logan und Macy gehen auf die "Tanzfläche" und ich verliere sie aus meinem Blickwinkel. Jack und Andrew bleiben in der Nähe der Tür stehen. Andrew schaut angestrengt auf die sich bewegenden Menschen. Ich glaube, er sucht May. Ich gehe auf die beiden zu und sage: "May ist da irgendwo drinnen. Ich denke aber, sie würde sich nicht beschweren, wenn du ihr Gesellschaft leisten würdest." Er schaut mich dankbar an und lächelt, dann verabschiedet er sich von Jack und geht auf die Gruppe zu. Mitten drinnen hüpft May herum, ich erkenne sie an ihrem silbernen Pailettentop. Einen Augenblick später hat Andrew sie auch gefunden und nimmt sie in den Arm.
Sie sehen ekelhaft süß aus. So richtig süß. Ich freue mich für May.
"Wie geht's?" fragt Jack mich und nippt an seinem Bier.
"Ganz okay." sage ich und streiche mir die Haare aus meinem Gesicht.
"Cole will zwar nichts sagen, aber ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Egal was für'ne Scheiße er gebaut hat, es tut ihm leid."
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und schaue ihn prüfend an. Weiß er wovon es sich handelt? Oder sagt er das einfach nur so, weil er ein guter Freund ist? Und weil er merkt, dass etwas nicht stimmt?
"Okay." sage ich gedehnt. "Wenn du meinst." Daraufhin verschwinde ich aus dem Wohnzimmer und schiebe mich durch den Flur in die Küche. Ich nehme mir einen Becher, der noch nicht benutzt worden ist und fülle ihn mit Leitungswasser. Mir steht gerade nicht der Sinn nach Alkohol. Überhaupt nicht.
Und dann sehe ich ihn. Er geht an der Küchentür vorbei und ich erhasche schnell einen Blick auf ihn. Er ist in Begleitung mit Lola und die beiden kommen anscheinend gerade aus dem anderen Zimmer im Erdgeschoss und steuern jetzt die Treppe nach oben an. Wo gehen die beiden hin? Ich stelle meinen Becher ab und folge ihnen. Ich versuche nicht aufzufallen und stelle mich zu einer Gruppe von Mädchen, die allesamt über Make-up reden. Cole und Lola verschwinden die Treppe hoch und ich nehme die Treppe in Angriff. Schnell flitze ich hoch und sehe noch wie Cole und Lola in dem Badezimmer verschwinden. Cole schließt die Tür hinter ihnen.
Cole und Lola?
Nein. Das kann nicht sein, die sind doch schon seit Ewigkeiten befreundet. Und Lola ist nicht sein Typ. Oder? Was weiß ich schon?
Ich bleibe unschlüssig vor der Badezimmertür stehen, bis jemand an mir vorbeirauscht. Es ist Macy. Macy reißt nun die Badezimmertür auf und ich sehe Cole sitzend auf der Badewanne und Lola vor dem Spiegel, die ihr Make-up auffrischt und sich neuen Lippenstift drauflegt.
"Ein Not-Fall." Die Betonung von Macys Wörtern klingt eher lächerlich als dringlich. "Darf ich kurz?" Daraufhin kramt sie in dem kleinen Beutel von Lola herum und holt Concealer heraus. Hinter ihr fällt die Tür ins Schloss. Die ganze Zeit stand ich unschlüssig im Flur davor herum. Und niemand hat mich bemerkt. Weil mich nie jemand bemerkt.
Ich bin unsichtbar. So wie letztens im Zug, als ich nicht kontrolliert wurde, weil die Schaffnerin mich übersehen hatte.
Ich atme auf. Cole und Lola machen doch nicht rum. Sie haben nur geredet. Wäre aber auch eine zu aberwitzige Kombination gewesen!
Ich gehe den Gang entlang und betrachte die Bilder an der Wand. Bis sich dann Arme um meine Taille schlingen und ich erschreckt aufkreische und mich panisch umdrehe. Beth lacht mir ins Gesicht.
"Erschreck dich doch nicht so. Wer würde dich denn sonst so rannehmen?" Sie lacht und kann erstmal nicht damit aufhören, dann sagt sie, mit Tränen in den Augen: "'Tschuldigung, war vielleicht nicht ganz passend. Aber egal, was machst du hier alleine?"
"Ich weiß es selber nicht." murmele ich und betrachte den dunklen Flur. Ich muss armselig aussehen. Hier ganz alleine.
"Komm wieder mit runter. Es ist gerade sooo witzig!" Beth hat eindeutig einen mehr im Tee als ich. Ich lächle und schiebe sie ein wenig von mir weg. Dann nicke ich und folge ihr. Gerade als wir die Treppe hinuntergehen, öffnet sich die Tür des Badezimmers und Cole, gefolgt von Lola und Macy, kommt heraus. Ich blicke ihn mit offenem Mund an und er starrt mich ebenfalls an. Doch dann wird unser Augenkontakt unterbrochen. Beth schiebt mich ungeduldig weiter nach vorne und ich muss meinem Blick nach vorne richten, um nicht die Treppe hinunter zu fallen.
"Immer schön nach Vorne gucken." sagt sie und ich muss schlucken.
Wir passieren die Tür zum Wohnzimmer und ich sehe sofort Andrew und May auf einem Sofa. Sie sitzen nebeneinander und kuscheln während sie über irgendwas reden. Igitt. So süß.
Manchmal kann ich Paare nicht ausstehen, gerade nicht, wenn es bei mir nicht  gut läuft. Aber trotzdem versuche ich eine gute Freundin zu sein und mich für May zu freuen. Sie hat es verdient und die beiden sind echt niedlich zusammen. Und vielleicht sind sie auch bald ein richtiges Pärchen.
"Kommst du mit tanzen?" fragt mich Beth und schiebt mich gleichzeitig auf die "Tanzfläche". Jen wartet schon auf uns und dann versuche ich all meine Sorgen zu vergessen und den Abend zu genießen. Für eine knappe halbe Stunde gelingt mir das auch. Und ich tanze fröhlich und gut gelaunt zusammen mit Beth und Jen. Doch irgendwann verirrt sich mein Blick viel zu häufig auf das Sofa, wo Jack, Cole und Lola draufsitzen. Jen seilt sich von uns ab und geht auf die Gruppe zu. Sie quetscht sich zwischen Jack und Cole. Sowas kann Jen gut, mit anderen ins Gespräch kommen. Aber Jack ist ja auch ihr langjähriger Bester Freund. Vielleicht, wenn ich Cole so gut kennen würde, hätten wir ein besseres Verhältnis zueinander und wir könnten schneller eine Lösung finden. Oder wären gar nicht in einem solchen Schlamassel gekommen. Aber mit jedem Schritt den ich tue, bemerke ich wie weit wir wirklich voneinander entfernt sind.
Ich sage Beth, dass ich keine Lust mehr auf tanzen habe. Also wenden wir uns von der tanzenden Meute ab und gehen in die Küche. Ich hole mir ein Bier und sie mischt sich irgendwas zusammen. Beth geht zurück ins Wohnzimmer und setzt sich mit zu der Gruppe. Doch weil auch Logan und Macy ihnen nun Gesellschaft leisten, habe ich überhaupt keine Lust auf die. Ich bleibe kurz im Türrahmen stehen und trinke einen Schluck aus meiner Flasche.
"Ist alles okay bei dir?" fragt mich plötzlich jemand neben mir. Es ist Alex und ich schaue ihn dankbar an. Er ist echt nett.
"Ja alles gut, danke. Wie findest du die Party?"
"Ist gut. Läuft. Ich wollte gerade mir was zu trinken holen. Willst du auch was?"
"Nein danke." sage ich während ich mein Bier leere. "Ich brauche nichts mehr, ich gehe jetzt sowieso nach Hause."
"Jetzt schon?" fragt er verdutzt.
"Ja, ich hab nicht mehr so richtig Lust auf die Party."
"Das ist schade, soll ich dich nach Hause bringen?" fragt er mich und wir lächeln uns gegenseitig an. Er ist so lieb! Aber nur weil ich gerade etwas deprimiert bin, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn ausnutzen darf.
"Ich schaff das schon alleine, danke Alex." Dann verabschieden wir uns voneinander und ich gehe auf die Gruppe zu, um mich zu verabschieden. Ich sage zu meinen Freundinnen, Andrew und May haben sie ebenfalls zu den anderen gesetzt, dass ich nun gehen werde. Jen, Beth und May stehen auf und umarmen mich und sagen, dass es doch Schade sei und ich doch noch bleiben soll und sowas. Die anderen sagen minder traurig, minder halbherzig Tschüss, außer Cole, der mich ignoriert.
Ich stapfe zu dem Jackenberg und fische die meine heraus. Dann öffne ich die Tür und ein Schwall kalter Luft bringt mich hinaus in die Nacht.

"Hey Abby!" Ich gehe gerade an einer Gruppe rauchender Mitschüler von mir vorbei, als mir gerade jemand hinterherruft. Ich drehe mich um und schaue wer nach mir gerufen hat. Es ist Matt, der nun seine Zigarette in der einen Hand, mit der anderen mich zu ihnen winkt. Als ich keine Anstalten mache zu ihm und seinen Kumpels, oder wer auch immer das für Leute sind, die ich nur flüchtig aus der Schule kenne, zu gehen, kommt er auf mich zu.
"Willst du schon gehen? Ohne eine Show da drinnen aufzuführen?" fragt er und leckt sich über die Lippen.
"Nach Provokation steht mir gerade nicht der Sinn." erwidere ich.
"Ach komm schon, das war doch lustig." Er bewegt sich auf mich zu und ich rieche den ekligen Qualm ein. Dann umfasst seine linke Hand meine Hüfte und er zieht mich an sich. Ich versuche mich zu wehren und strample mich heraus.
"Matt!" rufe ich aus. "Ich habe gerade überhaupt keine Lust."
"Es muss ja nicht nur Provokation sein, sondern auch Spaß." flüstert er. Ich habe mich zwar erfolgreich aus seinem Griff befreit, aber er ist mir trotzdem noch gefährlich nah. Ich höre seine Kumpels entfernt lachen. Ekelhaft. Einfach nur widerlich.
"Nein, Matt." sage ich fest und möchte gehen. Doch er hält mich auf. Er schmeißt seine Zigarette auf den Boden und umfasst mich nun mit beiden Händen. Jetzt ist es schon schwieriger zu entkommen.
"Sie sagte Nein, Matt!" faucht jemand hinter uns, den ich ihm Dunkeln nicht erkennen kann. Dann wird Matt von mir gerissen und eine Faust knallt in sein Gesicht. Matt taumelt zurück. Und ich stehe schockiert, mit weit aufgerissenen Augen da.
Und bin gleichzeitig dankbar.

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