Kapitel 31

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Meinen Beutel fesst an mich gepresst, sehe ich wie Matt zu Boden geht. Cole steht über ihm und seine zusammengepresste Faust zittert. 
"Lass sie verdammt nochmal in Ruhe, du Penner." mault er ihn an und dann nimmt er meine Hand und zieht mich hinter ihm her. Er ist wütend, sehr wütend. Und ich weiß nicht, ob ich nicht genauso viel Angst vor ihm haben soll, wie ich es vor Matt gerade eben hatte.
"Das ist allein deine Schuld. Wieso bist du auch nur so dämlich?" Jetzt fährt er mich an. Er hat meine Hand losgelassen und wir sind einige Schritte von dem Haus von Laurel entfernt. Er baut sich vor mir auf und schaut wütend auf mich herab. Ich fühle mich gerade sehr klein.
"Ich- Ich konnte doch nichts dafür..." stammele ich.
"Klar hast du Mitschuld! Du hast doch damit angefangen." Er fährt sich mit der Hand über das Gesicht und durch die Haare. Er seufzt laut auf. Dann geht er weiter. Ich versuche hinterher zu kommen, aber er ist zu schnell für mich. Ich muss fast rennen, um ihn einzuholen.
"Es tut mir leid." sage ich kleinlaut. Zu mehr bin ich gerade nicht fähig. Ich kann mich sogar nicht mit ihm streiten, weil der Schock immer noch da ist.

Was hätte Matt mit mir gemacht, wenn Cole nicht aufgetaucht wäre?
"Du solltest mir danken dafür, dass ich dir nachgegangen bin." er schnaubt erneut und erst dann wird mir richtig bewusst, dass er nicht zufällig auch draußen war. Sondern das er zu mir wollte! Wollte er reden? Wieder sich entschuldigen?
"Warum bist du mir nachgegangen?" frage ich deshalb.
"Ich hab mir Sorgen gemacht. Du sahst nicht gut aus." Wir gehen weiter nebeneinander her und schweigen. Es ist irgendwie bedrückend.
"Mir geht es auch nicht gut." sage ich dann. "Willst du wissen wieso?"
"Ja!" er dreht sich zu mir um und bleibt abrupt stehen, ich renne fast in ihn hinein. "Das ist es doch was ich will. Das du mir sagst, was du denkst, damit ich weiß, wie ich das ganze hier retten kann."
Retten. Er will unsere Beziehung retten?
Oh, wie nett. Wie süß. Oh.
Ich habe echt keine Ahnung über Cole Evans. Ich kenne ihn wirklich überhaupt nicht.
"Ich weiß, es ist dumm, aber ich habe mich in diesen Tagen in dich verliebt. Es ist auch eher eine Art des Verknalltseins gewesen, aber seit letztem Wochenende wurde es bei mir irgendwie ernster. Und dann hast du mich so hintergangen und ich habe mich so benutzt, ausgenutzt und hintergangen gefühlt. Und es fühlt sich immer noch so schrecklich an. Ich weiß echt nicht ob ich dir vertrauen kann oder nicht." Wir stehen uns gegenüber und schauen uns in die Augen. Ich weiß, dass ich verzweifelt wirke. Aber das ist mir gerade egal. Ich möchte die Wahrheit wissen.
Denn ich bin mir nicht zu hundert Prozent sicher, ob Cole sie mir schon verraten hat oder nicht.
"Wie schon gesagt," setzt er an und ich unterbreche ihn schnell. "Was du mir schon gesagt hast, weiß ich. Aber ich will die ganze Geschichte hören."
"Das habe ich doch schon." er seufzt.
"Abby, was ich getan habe, kann man nicht entschuldigen. Ich habe mich auch währenddessen und jetzt immer noch sehr schlecht gefühlt und nun stehe ich hier, vor dir, mit nichts als noch einer Entschuldigung und ich finde das ist zu wenig. Aber ich weiß auch nicht, was ich sonst machen soll. Die ganze Sache mit den Drogen und Joe ist einfach scheiße gelaufen. Aber ich konnte somit meine Freunde beschützen und ich würde es wieder tun, wenn ich keine andere Wahl hätte. Ungern, aber ich würde es wieder tun." Noch bevor er weiter reden kann, habe ich schon meine Arme um ihn geschlungen und ziehe mich an ihm hoch.
Und dann küsse ich ihn.
Und er küsst mich.
Und die Welt scheint zu explodieren.
Es ist als gehören wir zusammen. So ein Gefühl, so ein unbeschreibbares Gefühl, hatte ich noch nie. Als würde alles stimmen.
Ich will ihn nie wieder loslassen.
Es ist wie in einem perfekten Traum, wo man durch Zufall endlich mal den glücklichen Traum erwischt hat und nicht den Albtraum, wie sonst.
Es ist pures Glück.
Er umfässt auch mich und schlingt seine Arme um mich und wir schmelzen zusammen. Als wären wir nicht zwei Personen, sondern eine.
Ich will ihn nie wieder loslassen, aber irgendwann lösen wir uns doch voneinander und atmen schnell ein und aus. Ich lächle zu ihm hoch, als wäre er die ganze Welt.
Und irgendwie ist er das für mich auch. Mein ganzes Glück.

Ich stolpere einige Schritte zurück. Stopp, Stopp, Stooooopp. Reiß dich zusammen Abby! Was denkst du da? So darf sich das nicht entwickeln. Mach dein Leben, dein Glück nicht abhänig von einer Person. Nie wieder. Das hast du dir doch geschworen. Nach der Sache mit Logan.
"Was ist los?" fragt Cole atemlos.
"Nichts." lüge ich und nehme seine Hand in meine. "Lass uns nach Hause gehen."

Er bringt mich hinauf in mein Zimmer. "Soll ich gehen?" fragt er mich dann und bleibt unschlüssig in der Tür stehen.
"Nein, du kannst ruhig bleiben. Wenn du willst." Ich verschwinde schnell im Bad und ziehe meinen Schlafanzug an. Als ich wieder in mein Zimmer trete, sehe ich, dass Cole schon umgezogen in meinem Bett liegt und mir die Bettdecke aufhält. Ich schlüpfe hinunter und er kuschelt sich an mich.
So bleiben wir eine Weile liegen und ich versuche die Situation zu verarbeiten.
Hasse ich ihn noch? Oder bin ich hoffnungslos in ihn verknallt?
Kann ich ihm vergeben? Oder habe ich das nicht schon längst?
Ich drehe mich zu ihm um und wir küssen uns.
Ich schlafe in seinen Armen ein. 

Ich höre irgendwo Vögel zwitschern und öffne langsam meine Augen. Eigentlich will ich noch nicht aufwachen, aber ich verspüre das Bedürfnis schnell auf die Toilette zu huschen. Cole liegt immer noch in meinem Bett. Während wir geschlafen haben, haben wir uns voneinander entfernt und er liegt nun am anderen Ende.
Und was ist wenn ich mich hoffnungslos verlieben kann, weil er sich auch verliebt hat?
Wozu sollte er das denn immer noch spielen?
Außer natürlich, um die Schulden nicht zu bezahlen, oder dass ich es nicht seinen Eltern erzähle, oder der Polizei. Ich könnte damit sein Leben zerstören.
Ich will mir so früh am Morgen darüber nicht den Kopf zerschlagen und stehe lieber auf und gehe ins Bad.

"Guten Morgen, Sonnenschein." Cole lächelt mich an. Ich sitze auf dem Bett und er liegt noch. Ich streiche ihm durch die weichen Haare, die nichtmehr von irgendwelchem Gel oder Spray fixiert sind. Ich beuge mich zu ihm hinunter und gebe ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. Wir grinsen uns an.
"Wollen wir frühstücken gehen?"
Unten angekommen, sehen wir Rosa in der Küche stehen, während sie gerade wohlduftendes Rührei zubereitet und French Toast.
"Eure Eltern sind auf dem Tennisplatz." informiert sie uns. "Und ihr setzt euch und genießt euer Frühstück." ordnet sie dann an.
Ich versuche zu protestieren, dass das ja nicht nötig gewesen wäre, aber insgeheim denke ich mir nur: Rosa ist eine Göttin! Und die beste Frühstückköchin der Welt!
Nachdem sie uns auf die Stühle verdonnert hat und sie uns das Essen auftischt, rauscht sie aus dem Raum und murmelt irgendwas unverständliches. Ich gluckse, sie ist doch zu bezaubernd.
"Sehr nett von ihr." murmelt Cole, dann seufzt er als er den ersten Bissen genommen hat.
"Lecker, nicht?" sage ich und er nickt heftig mit dem Kopf.
Es ist so harmonisch und schön mit ihm zusammen zu frühstücken und es fühlt sich an wie das Normalste der Welt.
"Ist alles wieder okay zwischen uns?" fragt Cole zaghaft, während ich mir ziemlich ungalant ein Stück Toast in den Mund schiebe. Ich verschlucke mich natürlich prompt und fange an zu husten. Ich taste nach meinem Wasserglas und trinke erstmal einen kräftigen Schluck.
"Ich denke schon ja." sage ich dann, immer noch mit einer leicht abgehackten Stimme und ich huste erneut. Cole lacht mich nur aus, aber er sieht trotzdem zum anbeißen aus. Wieso kann ich ihm nicht widerstehen?

Gegen zwölf bekommen wir beide einen Anruf. Cole von Andrew und ich von May. Sie bitten uns sofort in den Park, den in der Nähe meines Zuhauses, zu kommen und dass es furchtbar wichtig sei.
Ich bekomme eine Gänsehaut.
Was haben May und Andrew vor?



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