Kapitel 7

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Die Bäume an den Straßen zischen an einem vorbei, so dass sie zu einem einheitlichen Farbengewirr werden. Ich schaue still auf meine Fingernägel und ignoriere so gut wie es geht, in seine Richtung zu blicken. Er macht mir Angst, gleichzeitig will ich aber auch einfach nichts mit ihm zu tun haben.

"Magst du Macy ?" Seine klare, tiefe Stimme durchbricht die Stille.   
"Ist es offensichtlich, dass ich sie so sehr liebe?" Meine Stimme trieft vor Sarkasmus.
"Schon vor der Sache mit Logan oder erst danach?"
Ich überlege kurz, und Frage mich warum ihm sowas in den Sinn kommt. "Ich kenne sie nicht, kannte sie noch nie, habe mich von ihr ferngehalten und sie sich von mir. Von mögen konnte  man damals nicht sprechen und auch nicht heute." Sage ich bestimmt. Es ist ja die Wahrheit!
"Okay." Sagt er nur und blickt weite konzentriert auf die Straße.
• • •
An unserer Schule ist es egal, wie viel Geld du auf deinem Konto hast, welche schicken Designer Klamotten du trägst oder ob man mit einem coolen Auto zur Schule kommt. Bei uns läuft es anders, sonst würde ich zu den "Coolen" gehören. Hier ist es wichtig, wer deine Freude sind. Von Anfang an. Wer deine Freunde sind bestimmt dein Umfeld, deine Handlungen und dein Image. Wenn man nicht von Anfang an mit den jetzt coolen Kids befreundet ist, ist man keins. So einfach ist das. Daran kann man so schnell nichts dran ändern. Cole hat die Freude, die an meiner Schule als beliebt angesehen werden, jeder möchte in ihre Clique! Dafür sind meine Freunde, echte Freunde. Wahre Freunde. Ich finde es nicht schlimm, dass ich nicht zu den beliebten und coolen gehöre.
Zu Hause angekommen, gehe ich sofort hoch ins zweite Stockwerk und knalle die Tür hinter mir zu. Und dann mache ich etwas, was ich noch nie kurz nach der Schule getan hab, ich mache meine ganzen Hausaufgaben, auch die die nicht für morgen fertig sein müssen. Ich brauche jetzt eine Ablenkung. Nachdem ich fertig bin, schlendere ich die Treppen hinunter in die Küche. Als ich zum Süßigkeitenschrank laufe, kommt mir Rosa dazwischen.
"Na! Du willst jetzt wohl nicht dein Bauch mit Süßkram vollstopfen! Gleich gibt es warmes Dinner. Warte noch fünfzehn Minuten, dann geh ins Esszimmer. " erstaunt ziehe ich meine Augenbrauen in die Höhe, wochentags kocht Rosa eigentlich nicht oft für uns, muss wohl daran liegen, dass wir Gäste haben und meine Eltern einen guten Eindruck machen wollen.
Mit meinem Handy setze ich mich also in unser Esszimmer und warte, bis die anderen erscheinen. Als erstes betritt Cole das Zimmer und setzt sich genau gegenüber mich hin.
"Wie sehen morgen deine Stunden aus? " fragt er und achtet darauf, bloß keinen Augenkontakt mit mir zu haben.
"Hab zur gleichen Stunde Schluss wie heute." Murmele ich und lege mir die Serviette auf den Schoß.
"Dann warte ich auf dich, muss sowieso in die Bibliothek. " verwundert blicke ich auf, Cole geht in die Schulbibliothek?
"Du gehst in die Bibliothek?" Erklingt daher meine verdutzte Stimme.
"Ich gehe, wenn die anderen nicht hinsehen. " er versuchte daraus einen Witz zu machen, doch es gelingt ihm nicht. "Den anderen ist Schule weitgehend egal, oder aber sie denken sie seien so gut, dass sie nicht viel lernen müssen. Aber bei mir reicht das nicht, ich brauch einen guten NC." Erklärt sich Cole und ich werde noch Verwirrter. Das hätte ich echt nicht gedacht. Verwirrt, aber dennoch aus irgendeinen Grund bin ich glücklich als ich nur sage:" danke das du auf mich wartest."
Dann kommen unsere Eltern und Rosa tischt uns einer ihrer leckeren Gerichte auf. Es gibt Putenbrust, grüne Bohnen und Kartoffeln, dazu eine himmlische Soße. Rosa ist eine Göttin!
Voll gefressen, wie ich bin, schwanke ich die Treppen hoch. "Und wie findest du Rosas Essen?" Frage ich Cole interessiert, der neben mir auch mit einem vollem Bauch die Treppe erklimmt. "Sie kocht echt gut. Und das Dessert hat mir noch den Rest gegeben, ich muss jetzt eine Jogginghose anziehen." Er lacht und ich Falle mit ein.
Anstatt in mein Zimmer zu gehen, gehe ich weiter in das Musikzimmer. Ich gehe erst zu den großen Fensterfronten an der gegenüberliegenden Seite und blicke hinunter in unseren wunderschönen Garten, in welchen ich mich früher, als ich noch ein Kind war, wie eine richtige Prinzessin gefühlt habe. Danach streiche ich über den weißen Flügel der Mitten im Raum steht und setze mich auf den Hocker davor. Das weiche Leder, und die weißen und schwarzen Tasten laden einen gerade zu ein zum spielen.
Die Tasten fühlen sich vertraut an wie immer, und ich merke gar nicht wie hypnotisiert ich spiele. Die Noten, die vor mir aufgeklappt liegen, hätten schon nach drei Minuten umgeblättert werden müssen, doch ich spiele das Lied auswendig. Mein Mund halb geöffnet, die Augenlieder hinunter geschlagen, die Hände ständig in Bewegung, mein Rücken aufrecht und gerade. Ich weiß nicht wie lange ich gespielt habe, doch nach einiger Zeit verklingt mein Spiel und lässt nichts zurück als die bleiernde Stille, die nun auf dem Zimmer liegt. Die Magie verfliegt langsam und ich merke wie meine Hände Anfangen zu zittern. Ich sitze immer noch auf dem Weichen Hocker, als zwei Hände meine erfassen.
"Warum zitterst du denn?" Seine Stimme scheint mich durch einen dichten Nebel zu erreichen. "Du hast wirklich schön gespielt." Er lässt meine Hände nicht los, die in seinen warmen aufgehört haben zu zittern. Ich sehe wie er leicht rot wird, ich bin viel zu perplex um die Situation zu verstehen. "Danke." Hauche ich einfach. Dann lässt er mich los, die Wärme ist verschwunden, die Kälte zieht sich an meinen Fingerspitzen hoch, bis mein Ganzer Körper von einer Gänsehaut belegt wird.
"Ich wusste nicht, dass du so gut Klavier spielst." Erst jetzt bemerke ich wahrhaftig, wer neben mir steht.
Cole blickt mich interessiert an, als wäre ich etwas, was er zuvor noch nie gesehen hat. "Was tust du hier?" Frage ich.
"Ich habe das Klavierstück gehört, und wollte sehen, wer es so schön spielt." Das Klingt mir einleuchtend. "Soll ich dir den Garten zeigen?" Ich stehe auf und fasse ihn an die Hand und ziehe ihn mit zur Fensterfront, dort angekommen stelle ich mich aufrecht hin und lasse seine Hand los.
"Den Garten? " fragt er verwirrt.
"Ich will dir auch etwas schönes zeigen. Der Garten ist mein Paradis, und wenn du hier wohnst, ohne seine Geheimnisse zu erfahren, ist das doch dein ganzes Verbleiben hier verschwendet." Sage ich ehrlich.
"Du hast mir doch gerade eben etwas schönes gezeigt." "Ich will deine Sinne überfluten. Erst dein Hörsinn, jetzt dein Sehsinn. Wenn du nicht raus willst, dann zeige ich ihn dir eben bei besserem Wetter."
Wir schweigen eine Weile. Meine Worte scheinen so weit weg, aber ich habe sie nur vor einigen Sekunden ausgesprochen. Ich kratze mir am Kopf, was rede ich hier eigentlich? Und was tun wir hier?
"Wenn das Wetter besser ist. " murmelt Cole und dreht sich um. Dann geht er aus dem Zimmer und lässt mich mit meinen Fragen alleine.
Was tue ich hier überhaupt??!

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