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PoV Rabiya

"Wir sehen uns das genauer an.", meint Meister Sasori.
Aufmerksam wandert mein Blick durch die dunkle Halle, in der sich die Schatten ausgebreitet haben. Auch dieses Lichtding meines Meisters kann die Finsternis nicht verdrängen. Zu lange liegt sie schon über diesem Ort.
Welche Gefahren werden hier auf meinen Meister warten?
Ich weiß es nicht...
Ich denke nicht, dass Tiere hier unten überleben können. Ohne Nahrung und ohne Sauerstoff. Die Luft ist staubig und trocken und ich merke bereits den Sand in meinen Gelenken.
Gut, dass der Mantel ein bisschen schützt, sonst könnte ich mich jetzt schon kaum noch bewegen.
Und doch muss ich mich bewegen können. Um meinen Meister beschützen zu können.
Still folge ich ihm auf seinem Weg durch die Halle. Während er sich umsieht liegt mein Blick nun hauptsächlich auf ihm. Nur ab und an lasse ich meinen Blick über die Dunkelheit gleiten bevor ich zu ihm zurück sehe.
Sasori vom roten Sand...
In seinen Augen liegt keine Angst. Anders, als viele meiner Meister vor ihm, fürchtet er sich nicht. Anstelle der mir bekannten Furcht liegt etwas anderes in seinem Blick.
Etwas, das ich nicht deuten kann.
Ein Funkeln, ein seltsamer Glanz...
Was ist das?
"Sieh dir das an, meine Schöne. Das ist eine alte Werkstatt."
Ich folge Sasori's Blick und betrachte einen Moment die beinahe komplett zerfallene Werkbank.

"Ich werde es allen zeigen. Nie wieder werden sie über mich lachen. Töte sie! Sie alle!"

Die laute Männerstimme in meinem Kopf klingt fordernd.
Er war mein Meister...
Vor einer längst vergangenen Zeit...
Und natürlich habe ich seinen Befehl befolgt.
Ich erinnere mich an die schreienden Menschen...
An die Angst in ihren Gesichtern und das Blut, das in den ausgedörrten Wüstenboden gesickert ist...

"Was hast du getan!? Verdammt du dämliche Puppe!"

Mein Meister klang zornig, als er sah, dass ich wirklich niemanden am Leben lies.
Ich frage mich noch immer warum...
War es doch sein Befehl, den ich befolgt habe.

"Chiyo! Ebizou! Lauft!"

Das Mädchen und der kleine Junge...
Ich glaube sie waren seine Kinder oder die seiner Schwester. Verwandschaftsgrade interessierten mich noch nie.
Sie sind mir tatsächlich entkommen. Mein Meister hat sich mir in den Weg gestellt.
Er hat mich angegriffen, wollte mich nicht mehr bei sich haben...
Er hat geschrien und getobt...
Er hat geflucht und mich weg geschickt...

"Rabiya?"
"Ja, Meister?"
"Woran denkst du?"
Der Blick der braunen Augen meines Meisters liegt abwartend auf mir.
"An einen nicht vollständig ausgeführten Befehl eines ehemaligen Meisters."

PoV Sasori

Nicht vollständig ausgeführt?
Was soll das heißen?
"Sieh dort drüben nach, ob du irgendetwas von Bedeutung findest.", weise ich die Marionette an und mit einem kurzen Nicken tut sie wie ich ihr gesagt habe.
Während Rabiya ein paar Schritte von mir entfernt die Überreste eines Schrankes oder so etwas in der Art durchsucht widme ich mich der Werkbank.
Doch ich befürchte, dass dieser Aufwand mir nichts bringen wird. Das Holz ist morsch und fast vergammelt. Es ist eingebrochen und alles, was mir einen Hinweis auf seinen Besitzer hätte geben können, ist schon lange verloren.
Ich schätze 60 oder 65 Jahre sind eine zu lange Zeitspanne...
Es wird auch keine Aufzeichnungen mehr in Suna-Gakure über diesen Angriff geben, wenn es sie überhaupt gegeben hat. Niemand wird sich an dieses kleine Dorf erinnern.
Es gibt keine Überlebenden.
Ich durchsuche das, was von der Werkbank noch übrig ist in der Hoffnung, doch noch etwas zu finden. Ein Tagebuch, ein Bauplan, Notizen oder irgendetwas in der Art.
Etwas, das mich davon überzeugen kann, ob Rabiya hier geschaffen wurde. Oder ob sie zumindest hier war.
Wenn auch nur für eine kurze Zeit.
"Meister. Ich habe etwas gefunden."
Ich wende mich der Marionette zu, die mit einem Stück Papier in der Hand auf mich zu geht.
Ich nehme es entgegen und drehe es im Schein meiner Lichtröhre hin und her.
Es ist ein Foto...
Alt und verblichen, vom Sand zerkratzt und an den Ecken ausgefranst. Kaum zu erkennen sind ein Mann, eine Frau und zwei Kinder.
Eine Familie...
"Wer ist das?", murmel ich leise und eher zu mir selbst, während ich versuche die Gesichter besser zu erkennen.
"Der Mann ist ein ehemaliger Meister von mir."
Ein... Meister?
Dann war Rabiya tatsächlich hier. Ist sie also wirklich für den Vorfall verantwortlich, der vor langer Zeit hier geschehen ist?
Kalt und starr liegt Rabiya's Blick auf mir. Ihre Gesichtszüge fest und unbewegt.
Schön und doch so hart wie Stein. Ohne auch nur die kleinste Emotion.

PoV Chiyo

Die Flamme der kleinen Kerze knistert leise und frisst langsam aber sicher das Wachs um den Docht.
"Heute jährt es sich. Nicht war Schwester?"
Die Stimme meines Bruders hinter mir klingt rauh und ein wenig zitternd. Könnte am hohen Alter liegen oder daran, dass ihm bei der Erinnerung an diesen Tag ebenfalls das Blut in den Adern zu gefrieren scheint.
"65 Jahre, Bruder...", murmel ich leise.
Eine beinahe lächerlich lange Zeit und doch kann ich mich daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Vielleicht ist das so, wenn man alt ist...
Ich höre das Weinen und Klagen der anderen Kinder.
Ich sehe das Blut und den Tod an jeder Ecke des kleinen Dorfes.
Ich vernehme die Stimme meines Vaters...unseren Vaters... und spüre Ebizou's Hand, wie er die meine nimmt und mich hinter sich her zieht.
Noch einmal drehe ich mich um und dort steht sie...
Im Schatten der Häuser, getränkt im Blut meiner Nachbarn, meiner Freunde, meiner Familie...
Die leuchtenden bernsteinfarbenen Augen kalt und leer, die Bewegungen steif und abgehakt.

Ja...
65 Jahre und ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen.
Wie die Marionette, die mein Vater gefunden hat, in kürzester Zeit alles vernichtet hat, was mir jemals lieb und teuer war.
Ohne von einem Puppenspieler geführt zu werden hat dieses Monster meinem Bruder und mir die Heimat genommen....
Seufzend stehe ich auf und mein Blick wandert wie von selbst zu dem Foto auf der Kommode.
Das Foto meines Sohnes mit seiner Frau und meinem Enkel.
Wieso musste ich auch euch verlieren?
Euch alle?
Sasori...
Wo bist du nur?

Püppchen, Püppchen (Sasori FF) || #OlympiaAward 2017 [Wird überarbeitet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt