"Stop looking at me with this eyes like I would disappear."
Mein Leben lang wollte ich sie kennenlernen. Ich meine, klar gab es Phasen, in denen ich sie gehasst habe. Sehr gehasst habe. Aber sie war immerhin meine Mutter. Eigentlich musste ich ihr danken, denn ohne sie wäre ich ja wohl nicht hier. Ich musste ihr danbar sein; ich musste bei ihr sein. Viel zu spät verstand ich erst, dass es meiner biologischen Mutter nie wirklich um mich ging. Aber das sollte noch dauern.
Irgendwann bemerkte ich den Windhauch um meine Beine und erst als ich an mir herunter sah, bemerkte ich, dass ich ja nur Boxershorts trug. Meiner Mutter machte das wenig aus. Sie betrachtete sowieso nur mein Gesicht und sah aus, als würde sie jeden Moment zu weinen anfangen. Ich war froh gewesen, dass sie das nicht tat, denn ich hätte nicht gewusst wie ich reagieren sollte. Es war ja sogar noch komisch von meiner "Mutter" zu sprechen. Außerdem hatte ich jedes Mal das Gefühl, Joy zu verraten. Sie hatte keine Eltern mehr, die sie liebten und da meine Mutter jetzt angerannt kam und mich offentsichtlich zurück wollte, war das bestimmt schwer für Joy. Damals dachte ich nicht mal daran, dass es Joy nicht daraum ging. Ich war so verdammt leichtgläubig. So sehr, dass ich heute manchmal noch schreien könnte.
"Nash, wäre es ok, wenn ich rein komme? Ich habe Zeit, dann können wir in Ruhe reden."
So sehr wünsche ich mir heute, dass ich abgelehnt hätte. Alles wäre anders gekommen und Joy hätte mich nicht verlassen. Meine Mutter hätte eingesehen, dass sie 19 Jahre zu spät kam und ich hätte glücklich weiter leben können. Aber wie gesagt war ich zu dieser Zeit sehr leichtgläubig.
Ich kratzte mich stirnrunzelnd an meinem rasierten Kinn und nickte leicht, woraufhin sie sofort in meine Wohnug stürmte. Dort stand sie dann. Die Frau, die mich auf die Welt gebracht hatte. Die Frau, deren Namen ich immer noch nicht kannte. Die Frau, die mich kaltherzig weggegeben hatte. Und ich Idiot gewährte ihr das Dableiben.
Schnell schloss ich meine Wohnungstür und bedeutete meiner Mutter im Wohnzimmer zu warten und sich zu setzten. Zu Trinken bot ich ihr nichts an und schob es nachher darauf, es vergessen zu haben. Aber in Wahrheit wollte ich sie so schnell es ging wieder außer hause haben. Denn ich war gerade dabei gewesen Joy glücklich zu machen. Wir hatten fast geschafft. Fast hätten wir unsere Hemmungen überwunden, die immer noch bestanden wegen unserer fast geschwisterlichen Verbindung.
In meinem Schlafzimmer angekommen sah ich Joy im Schneidersitz auf meinem Bett sitzen und in einem meiner zehntausen Bücher lesen. Ich glaube es war Stolz und Voruteil von Jane Austen gewesen, bin mir aber heute leider nicht mehr sicher. Ich weiß nur noch, dass sie gelacht hatte und mich fragte,weshalb ich solch ein Buch bei mir hatte, das eher ein Frauenbuch war. Auch ich hatte herzhaft gelacht und geantwortet, dass ich meine ganzen Frauen so ins Bett bekam. In Wahrheit war ich immer noch Jungfrau und das Buch war einmal Pflichtlektüre in meiner ehemaligen Schule gewesen.
Belustigt lies sie sich auf mein Bett zurückfallen und sah mir beim Anziehen zu. Joy lag nur in Unterwäsche auf meinem Bett und lachte. Etwas schöneres gab es für mich nicht. Ich drehte mich um, nachdem ich mich in T-Shirt und Jeans gezwängt hatte und sah ihr tief in die Augen, aber sie kam mir zuvor, als ich etwas sagen wollte.
"Ich weiß, dass es deine Mutter ist. Soll ich gehen?"
Eigentlich wollte ich ja meine Mutter rauschmeißen, aber bevor ich etwas sagn konnte, zog Joy sich schon an. Ich wollte nicht, dass sie ging. Ich wollte nicht, dass meine Mutter blieb. Ich wollte nicht alleine gelassen werden. Aber ich entschloss mich dazu, dieses eine Mal etwas für Joy zu tun. Sie hätte sich ja doch nur unwohl gefühlt, dachte ich damals, weshalb ich ihr sagte, dass ich es gut fände, wenn sie ginge.
Das war ein weiterer Fehler in der endlosen Reihe gewesen.
Ich hielt an der Haustür angekommen Joy diese noch auf, aber sie würdigte mich keines Blickes. Wenn mir heute ein Kumpel erzählt, dass seine Freudin einfach so abdampft sage ich immer nur: "Wenn dir dein Leben lieb ist, lauf hinterher. Vorallem, wenn dir IHR Leben lieb ist." Damals hatte ich noch nicht so weit gedacht und ließ Joy ziehen, nur um mich meiner biologischen Mutter zu widmen.
Diese saß immer noch brav auf meiner Couch in dem Wohnzimmer und betrachtete so viel von meiner Wohnung, wie sie sehen konnte. Ohne Worte ging ich in die Küche um mir und ihr dann doch ein Wasser zu holen. Anstand hatte man mir ja immerhin beigebracht.
Bald saßen wir beide uns gegenüber auf meiner Couch und ich hatte endlich genug Zeit sie intensiver zu mustern. Ihre Gesichtsform war der meinen zwar ähnnlich, aber nicht so ähnlich wie ich am Anfang gedacht hatte. Außerdem hatten ihre Augen auch noch einen schwachen Grauton, was ihre Augen umwerfend schön machte. Ihr Kleidung ließ darauf schließen, dass sie von der Arbeit kam und im Büro beschäftigt war. Der typische Bleistiftrock mit dazu passender Bluse und alles in einem dezenten beige. Sie wusste sich zu kleiden und man sah ebenfalls schon früh, dass meine Mutter Geld haben musste.
Und nicht zu wenig.
Ihr Augen trafen meine und sie seuzte leise, aber hörbar.
"Du bist ein so schöner Mann geworden, Nash. Ich habe dich all die Jahre so sehr vermisst, das musst du wissen bevor wir reden. Du hast mir so sehr gefehlt."
In ihren Augen lag nicht so ein typisches Glitzern, das kam wenn man log, aber glauben konnte und wollte ich ihr das alles auch nicht so recht. Da ich ihren Namen immer noch nicht kannte, schwieg ich weiterhin udn hoffte darauf, dass sie ihn mir noch verraten würde. Nach dem Namen der eigenen Mutter fragen zu müssen wäre schon etwas peinlich gewesen. Zum Glück dachte meine Mutter mit, als sie plötzlich kicherte und ihre kleine Handtasche neben sich abstellte.
"Oh und ich heiße natürlich Laureen. Das hat man dir wahrscheinlich nicht gesagt."
"Nein.Hat man nicht."
Ich erschrack selbst ein wenig, ließ es mir aber nicht anmerken. Selbst ich hatte mich noch nie so kalt erlebt, aber heute war einfach zu viel passiert. Laureen hatte sich den falschen Tag ausgesucht. Peinlich berührt strich meine Mutter sich eine Strähne hinter ihr Ohr und begann ein wenig zu Schmunzeln.
"Deine Stimme gleicht so sehr der deines Vaters. Es ist schon erstaunlich, wie sehr man sieht, dass du unser Kind bist. Und dann bist du zu so einem hübschen Mann heran gewachsen. Ach, das gerade eben war das deine Frau?"
Erschrocken sah ich sie an. Was sollte das denn jetzt? Frau? Ich war erst 19 und nicht 39. Immer noch ein wenig erstaunt schüttelte ich wieder den Kopf und meine Mutter lachte wieder.
Gott, diese Frau lachte so viel. Zu viel.
"Entschuldige. In deinem Alter war dein Vater schon mit mir verheiratet. Und beruflich was machst du da so?"
Heute kann ich von mir behaupten, dass ich es wirklich lange ausgehalten habe. Aber auch ich konnte irgendwann nicht mehr. Ich wollte keinen SmallTalk mit meiner Mutter, aber sie brabbelte immer weiter. Also stand ich irgendwann einfach auf und deutete auf meine Tür.
"Danke, dass du da warst, Laureen. Aber ich möchte jetzt bitte alleine sein."
Sie verstand meinen Wink mit dem Zaunpfahl und stand nickend auf. Ihr Tasche von dem Boden aufhebend sagte sie ihre letzten Worte.
"Es tut mir alles so sehr leid. Ich lasse dir meine Nummer und die deines Vater hier, damit du immer mit uns reden kannst, wenn etwas ist."
Laureen sah mir in die Augen und zum ersten Mal sah ich so etwas wie Ehrlichkeit darin.
"Ich weiß, dass es schwer ist mich zu akzeptieren. Mich und die Vergangenheit. Aber gib deiner Familie eine Chance, Mason."
Während ich noch in meiner Schockstarre stand, weil sie mich beim Zweitnamen genannt hatte, war meine Mutter schon durch die Tür verschwunden. Energielos ließ ich mich auf die Couch fallen und fischte mein IPhone aus meiner Hosentasche. Lustlos tippte ich darauf herum, bis ich auf Whatsapp irgendwann zu dem Chat zwischen Joy und mir kam. Kurzer Hand entschloss ich sie anzurufen udn war so froh, als sie dran ging.
"Was ist, Nash?"
"Ich liebe dich, Joy O'Lane."
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Don't promise - PAUSIERT
Teen FictionNash Conner ist mit Joy O'Lane in einem Heim aufgewachsen unter ärmlichen Verhältnissen. Er gab sich immer viel Mühe einmal erfolgreich im Leben zu stehen und kümmerte sich seit seiner Kindheit um das Mädchen mit den lockigen Haaren und der karamell...