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"Like a butterfly"

Irgendwann begann ich mich auch endlich mal zu fragen, wieso alle möglichen Leute auf der Party anwesend waren, nur Joy nicht. Klar, dachte ich noch viel über sie nach, auch wenn ich das immer abstritt.

Um halb eins viel mir ein, dass ich mich bei meinen Eltern melden musste und schrieb meiner Mutter eine kleine SMS in der stand, wo ich war, wie es mir ging und dass ich so gegen drei zu Hause sein würde. Wenigstens einmal wollte ich es ihnen beweisen, denn dann hätte ich ihren Segen um alles andere zu tun. Meine Eltern waren so berechenbare Menschen, das war schon fast gruselig.

Gerade als ich mein Handy wieder in meine Hosentasche schob, kam Em mit einem roten Becher auf mich zu. Ihr Lächeln sah etwas verräterisch aus und sie ging ziemlich aufrecht, was entweder hieß, dass sie etwas angestellt hatte, oder von mir etwas wollte.

"Was hast du in mein Getränk gemacht?"

Jetzt lachte sie herzlich und ihre kurze hinterhältige Aura verschwand gänzlich.

"Gar nichts. Ich habe dir einfach nur Alkohol gebracht, mein Gott."

Grinsend sah ich sie an, bevor ich den ersten Schluck nahm.

"Mason reicht, aber danke."

:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:-:

Es war circa halb drei, als ich mich von Em verabschiedete und Emma suchte. Keine Ahnung, wieso, aber ich wollte mit ihr sprechen. Natürlich fand ich sie nicht, was ich mir auch schon fast hatte denken können, also ging ich nach draußen. Meine müden Beine trugen mich bis zu dem viel zu teuren Auto meines Vaters, an das ich mich anlehnte und laut lachte.

Wieso hatte er die ganze Zeit so viel Geld gehabt und Joy und mich im Heim halb sterben lasse? Wieso war er nicht gekommen und hatte uns zu sich genommen? Oder wenigstens mich?! Meine Eltern hätten mich doch auch viel früher wieder adoptieren können, Aiden hätte gar nicht sein müssen. In diesem Moment erschien mir mein gesamtes Leben total unrealistisch und falsch. Wieso hatte ich so lange in Ungewissheit leben müssen, wenn es doch so einfach gewesen wäre? Ich verstand meine Eltern einfach nicht und war dazu angetrunken, was alles natürlich nur noch schlimmer machte.

Plötzlich hatte ich das tiefe Verlangen Joy anzurufen, weshalb ich mich in Vaters Auto setzte und das auch tat. Es klingelte nur zweimal, bis Joy ranging.

"Hallo?"

Ihre Stimme machte mich glücklich. Ich hätte in diesem Moment sterben können und es wäre ok gewesen. Ihre Stimme beruhigte mich auf eine Art und Weise, die keiner vermochte bei mir zu bewirken. Sie hüllte mich in eine Seidendecke ein und wärmte mich so wohlig. Durch meinen Körper floss ein wohliger Schauer und ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Natürlich war ich angetrunken, aber in diesem Moment zählte nur Joys Stimme, die für immer erklingen sollte. Ich wollte mein Mädchen neben mir haben und sie in meinen Armen halten. Auf einmal war aller Hass auf sie verschwunden. Meine Lippen wollten sich schon gar nicht mehr von der Position des Lächelns loslösen.

"Nash? Bist du das?"

Jetzt durchfuhr mich ein schmerzender Stich.

Nash.

So hatte mich schon lange keiner mehr genannt. Joy machte sich hörbare Sorgen, aber irgendwie war ich nicht in der Lage auch nur ein einziges Wort zu sagen. Dabei musste ich ihr so vieles sagen, erklären und beichten. Ich wollte mich für alles entschuldigen und sie wieder zu mir beten. Ihre weiche Haut gehörte doch nur mir. Nur ich durfte mich in ihren wunderschönen Augen verlieren. Alleine mir war es gestattet sie so zu betrachten, wie es ein Liebhaber tat. Wieso war mein Mädchen so dickköpfig und kam nicht von alleine zu mir zurück? Mir ging so viel durch den Kopf, dass ich wirklich vergaß, dass ich ihr antworten musste.

"Nash, ich habe keine Zeit für so etwas. Geh schlafen, es ist mitten in der Nacht. Ruf mich später wieder an."

Das war das letzte Mal, dass ich Joys Stimme gehört hatte. Das war das letzte Mal, dass ich in ihrer Stimme Sorge vernommen hatte. Das war das letzte Mal, dass ich sie atmen hörte.

Ich hatte es einfach total verbockt und schließlich legte Joy auch auf.

BamBam, wieso lässt du mich alleine? Ich muss dir doch so viel erzählen.

Ich erinnerte mich an unsere Kindheit, unser Jugendlichen Alter, unsere viel zu kurze gemeinsame Zeit als Paar. Alles erschien mir auf einmal so verdammt unnütz, wenn Joy nicht bei mir war.

Es war viertel nach drei, als ich es endlich schaffte das immer noch tutende Handy von meinem Ohr zu nehmen. Tränen flossen mir über die Wange, als hätte ich schon geahnt, was bald passieren sollte. Ich wollte sie wirklich nicht verlieren. Aber ich hatte alles nur erdenkliche getan, damit genau das Gegenteil geschah.

Traurig, aber wieder gefasst, schaltete ich den Motor des Autos an und fuhr so langsam es ging nach Hause. Um ehrlich zu sein, wäre ich in dieser Nacht sogar lieber bei Lillian gewesen, als bei meinen Eltern. Sie verstanden mich einfach nicht. Sie kannten mich einfach nicht. Sie hatten einfach keine Ahnung was ich brauchte. Alles was mich dort hielt, war ihr Geld, das Ansehen und das Dach über dem Kopf.

Die Fahrt betrug genau 24 Minuten und trotzdem kam es mir eher wie Stunden vor. Mir ging so viel durch den Kopf, dass ich heute immer noch dankbar bin, dass ich keine Unfall gebaut habe. Ich dachte wirklich über alles mögliche nach, außer über den Verkehr vor mir.

Als ich das Auto endlich auf dem Bürgersteig vor dem Haus meiner Eltern parkte, war es schon fast vier Uhr morgens. Irgendwie schaffte mein Körper es mich in mein Bett zu schleifen und mir vorher noch alles bis auf die Boxer auszuziehen.

Mein Kopf brummte und schon jetzt merkte ich den Kater, der in den Startlöchern stand, wenn ich aufwachte. Ein letztes Mal blickte ich auf mein Handy.

03:52 Uhr. Vierzehnter September. Ein Mittwoch.

Dann legte ich mich in mein Bett und fing an zu beten, dass ich endlich aufhören könne, über alles nachdenken zu müssen. Aber da ich Atheist war und das Universum mich hasste half das natürlich nichts.

Bald hatte ich es geschafft mich müde zu denken und war wirklich kurz davor einzuschlafen. Das letzte was ich hörte, bevor ich in meine Traumwelt abtauchte, war Joys Stimme, die mir etwas sehr bekanntes sagte.

"So will ich sterben, Nash. An deiner Seite unter den Sternen. Denn vielleicht werden wir dann zu Sternen.

Dann wären wir frei.

Dann wären wir wie die Sterne."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 22, 2016 ⏰

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Don't promise  - PAUSIERTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt