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"When you think the pain never ends, think again. You'll be suprised."

Rise - Katy Perry

Keine Ahnung, wie mein Vater mich gefunden hatte, aber er hat es. Als ich aufwachte lag ich auf der Rückbank eines Autos und mir trällerte eine viel zu gut gelaunte Adele entgegen. Meine Kopfschmerzen wurden davon eher noch schlimmer und ich hatte gar keine Lust zu fragen, wo genau ich war. Ich wollte einfach einschlafen. Leider bemerkte mein Vater, dass ich mich leicht bewegt hatte und begann ein Gespräch mit mir.

Naja, wohl eher eine verbale Trachtprügel.

"Was fällt dir eigentlich ein, Sohn? Weißt du eigentlich, welche Sorgen sich deine arme Mutter die ganze Nacht gemacht hat? Sie ist vor Angst fast gestorben."

Ja, sie. Und du, du kleiner scheinheiliger Hund solltest lieber dein Maul halten, wenn ich es dir nicht stopfen soll.

Dass mein Vater ein hinterhältiges Wesen war, war mir schon immer klar gewesen. Ich konnte Menschen schon immer schnell durchschauen, wenn ich das wollte, und mein Vater war so ein schlechter Lügner.

Bei Joy war das immer anders gewesen. Ich musste Menschen nur ein, zwei Wochen beobachten und wusste schon, wie sie dachten, wie sie handelten, was sie beabsichtigten. Aber Joy war ein Buch mit sieben Siegeln. Ich war nie dahinter gekommen, was sie wirklich wollte. Sie war ein wunderschönes, aber tödliches Rätsel. Ihre Schönheit und der Reiz, an ihre Intentionen zu kommen, hatte mich so beschäftigt, dass ich nicht gesehen hatte, wie sie mich zerstörte. Die mächtigste Waffe einer Frau ist die Liebe. Wenn du sie wirklich liebst, dann bist du hoffnungslos verloren.

Naja, so dachte ich damals. Ich gab wirklich Joy noch all die Schuld für das Geschehene. Dabei war sie alleine, weinte irgendwo wohl gerade und betete zu einer höheren Macht, dass ich kommen würde.

Ihr glaubt mir nicht, wie sehr ich es bereue, nicht zu ihr gegangen zu sein. Hätte ich ihrem unausgesprochenem Schrei nach Hilfe, Liebe und Zuneigung nur Stand gegeben, dann hätte sie mich niemals verlassen.

Richard redete immer noch, aber ich hatte schon wieder abgeschaltet. So langsam wurde ich ihn müde. Er spielte sich wegen seiner verdammten Firma, welche das auch immer war, so dermaßen auf. Das war schon fast so schlimm wie mein Gejammere.

"...dann werde ich auch die aus meinem Haus rausschmeißen. Ich werde nicht zulassen, dass Laureen solche Angst wegen einem ihrer durchgeknallten Söhne noch mal durchstehen muss."

Ich schoss so schnell in die Luft, dass Richard erschrak und das Lenkrad fast herumriss. Bis heute weiß ich nicht, was daran so schrecklich gewesen war. Ich meine, ich trug ja keine Jokermaske, war blutverschmiert und es war auch nicht mitten in der Nacht. Mein Vater war ein solches Weichei. Der schrecklichste Angeber, den ich je kennengelernt hatte.

Wir kamen irgendwann endlich vor dem Haus meiner Eltern an und als wir vor der Haustür standen und darauf warteten, dass uns jemand die Tür öffnete, kam mir Richard gefährlich nahe.

"Du wirst dich außerdem bei deiner Mutter entschuldigen und es versuchen wiedergutzumachen. Mir ist es schnurzegal, wie. Lass dir etwas einfallen."

Die Schritte kamen immer näher und ich atmete erleichtert aus, weil ich keine Lust mehr auf 'Papa-Vernünftig' hatte.

"Ach und sprich sie nicht an. Selbst wenn ich die Flaschen nicht gesehen hätte, würde ich über hundert Kilometer riechen, dass du den billigsten Wodka der Gegend Literweise gesoffen hast."

Damit verschwand er durch die mittlerweile von Emilia geöffnete Tür. Meine kleine Schwester dagegen ließ sich nicht im Geringsten anmerken, dass ich stank und umarmte mich stürmisch, nachdem ich in der Wohnung stand.

Sie hatte ihre schönen, langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst und trug das süßeste Kleid, das ich je bei einem kleinen Mädchen gesehen hatte. Emilia machte mich jedes Mal glücklich. Sie war der Grund, wieso ich damals bei meiner Familie geblieben bin.

Aber die schlimmsten Monster, sind die, von denen man nie erwartet hätte, dass sie Monster sind.

Meine Armbanduhr sagte mir, dass wir halb zwei am zwölften September hatten. Sofort versteinerte sich meine Miene und ich beschloss weiter schlafen zu gehen. bei meiner Mutter wollte ich mich nicht entschuldigen, mit Emilia wollte ich zur Abwechslung nicht spielen und mein Vater konnte sich seine gespielte Freundlichkeit ja sowieso wo anders hinschieben. Irgendwie schaffte ich es mich hoch in mein Zimmer zu schleppen und beschloss, als ich mich auf mein Bett fallen ließ, dass es ab sofort definitiv mein Zimmer war. Aiden hatte hier nichts mehr verloren. Ich hatte meinen Platz in der Familie wieder eingenommen. Meinen rechtmäßigen Platz, wie ich dachte, aber auch dieses Hirngespinnst sollte mir bald ausgetrieben werden.

Als ich so gegen drei Uhr am Wegdämmern war und meinen ekelhaften Mundgeruch schon fast schmecken konnte, beschloss ich eine weitere Sache.

Ich schwor mir die Unabhängigkeit. Ich wollte um jeden Preis leben und zwar so, wie ich das wollte. Keiner sollte sich mir mehr in den Weg stellen. Für alles wollte ich offen sein und alles ausprobieren.

Aber alles hat seinen Preis.


Don't promise  - PAUSIERTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt