»Oh Mylord, er ist so niedlich. Bitte erlaubt doch, dass wir ein bisschen mit ihm spielen, ja?«
Zwei Vampirinnen hockten vor Garrett und grinsten, konnten kaum die Finger bei sich behalten, weil sie sein Haar oder sein Gesicht berühren wollten.
»Ihr sollt sein verdammtes Bein versorgen und sonst gar nichts... vorerst!« Allister hatte ungestüm gepoltert, aber dann milde gelächelt, weil die zwei Frauen zurückgezuckt waren. Offenbar war er seinen weiblichen Anhängern gegenüber milder gestimmt.
Garrett wollte gar nicht wissen, warum das so war und wie sie sich dieses Privileg verdienten.
Allisters Gorilla hatte ihn wie einen Sack Mehl über der Schulter getragen und als sie endlich angekommen waren, hatte der Junge nach Luft gerungen, was die Vampire nur hatte lachen lassen.
Sein wundes Bein war ein glatter Durchschuss, eine saubere Fleischwunde. Was sie jedoch nicht weniger fürchterlich schmerzen ließ. Garrett blutete und hatte Schweiß auf der Stirn, doch er würde sich eher die Zunge abbeißen als sich nun, in der Gewalt Allisters, die Blöße zu geben und zu weinen. Allister hielt ihn für ein naives Kind, da musste er sich nicht auch noch wie eins benehmen.
Im Dämmerlicht des neuen Morgens hatte der Junge sich umgesehen und die alte, stillgelegte Holzfabrik erkannt. Sie waren weiter gegangen, als Garrett vermutet hatte, denn das Sägewerk lag etwas außerhalb am Stadtrand. Er war schon lange außer Betrieb und viele der Fensterscheiben waren dem Vandalismus der gelangweilten Jugend zum Opfer gefallen.
Die Vampire hatten Garrett eine schmale Stiege hochgeschafft, in einen Raum, der spärlich erleuchtet war. Der alte Generator gab offenbar nicht mehr her.
Es war kalt, weil auch hier einige Scheiben kaputt waren, und es war ziemlich dreckig. Überall lag Unrat herum, alte Pappe, unnütz gewordenes Papier, zerbrochene Möbel.
Es musste eines der Büros gewesen sein, denn der Gorilla, der Garrett trug, ließ ihn unsanft auf ein staubiges, rotes Samtsofa fallen, das seine besten Tage vermutlich vor 20 Jahren gehabt hatte.
Durch den Aufprall fuhr ein Schmerz durch Garretts wundes Bein. Er wollte einen entsprechenden Laut von sich gegen, doch der aufgewirbelte Staub ließ ihn stattdessen einige Male heftig niesen.
Abermals lachten die Vampire, bis Allister sie unwirsch fortschickte.
»Wo sind denn eure Manieren? Holt ihm ein paar Decken, Wasser und Verbandszeug«, Allister blickte Garrett an wie eine Katze eine Schale mit Milch, »wir wollen ja, dass er sich wohlfühlt, richtig?«
Garrett bekam eine unangenehme Gänsehaut bei diesen Worten und fühlte sich elender als jemals zuvor. Er behielt den Mann im Auge, der am Fenster stehend nach draußen in den Sonnenaufgang blickte. Beiläufig dachte Garrett, dass Allisters Wimpern ziemlich lang waren.
»Warum meine Mum?«, presste der Junge heraus und Allister wandte sich gerade zu ihm um, als die gerufenen Vampirinnen mit den Verbandssachen und Decken kamen und begannen, ihn zu herzen wie einen Welpen.
Nach der Rüge ihres Herrn kümmerten sie sich mit kühlen Fingern um die Verletzung, wuschen unter Allisters strengen Blicken das Blut ab, anstatt es einfach abzulecken, und legten einen sterilen Wundverband an. Der Junge wagte in dieser Zeit kaum, sich zu rühren. Diese Frauen waren ihm mit all ihrem übertriebenen Makeup und den offenherzigen Klamotten viel unheimlicher als Allister oder einer seiner Männer.
»So süß. Augen wie ein Mädchen«, säuselte die eine anschließend und fuhr ihm mit ihren rotlackierten Krallennägeln über die Wange.
»Und diese feinen, weichen Lippen erst. Köstlich.« Die zweite setzte sich neben Garrett auf das alte Sofa, lehnte sich gegen ihn und roch an seinen Haaren.
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DIONYSOS I. Zuflucht
VampirosDer Vampir Dionysos will nur seine Ruhe haben und in Frieden leben. Die Menschen und die Welt kümmern ihn nicht. Doch eine alte, fast vergessene Abmachung reißt ihn ebenso aus seiner Einöde wie der 18-jährige Garrett, der wie der Vampir im Wald nach...