Gebranntmarkt

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Der Morgen war aufgezogen. Ria erwachte mit dem unguten Gefühl verschlafen zu haben. Ihr Kopf war völlig leer, als hätte jemand sämtliche Gedanken einfach hinausgesaugt. Sie war extrem Müde, trotzdem tat sie, was sie jeden morgen tat, ohne zu denken, ohne wie sonst leise vor sich hin zu singen und ohne sie zu beeilen um dem ganzen möglichst schnell zu entfliehen. Nur langsam kamen ihre Erinnerungen zurück, als wären sie angekettet und müssten. ich erst befreien. Angekettet! Mit einem Schlag sauste der vorherige Tag an ihrem inneren Aug vorbei. Ihr wurde schwindelig und sie musste sich mit der hand auf dem Tisch abstützen um nicht zusammenzusacken. Es dauerte einen Moment bis sie sich gefangen hatte. Wie hatte sich ihr Kopf nur so eigenständig machen können? Wie hatte sie den vergangenen Tag vergessen können? Dieser Tag war ihr fern- es kam ihr vor wie eich böser Traum, der ebenso irrsinnig wie schrecklich war und das sie nun festellen würde das alles wie immer war. Gleichzeitig wusste sie was sie erlebt hatte. Sie hatte all das erlebt und ertragen und die Bilder hatten sich unwiderruflich in ihre Seele gebrannt, als wären sie ihr eingestochen worden. Sie ließ sich mit einem leisen stöhnen auf einen der Stühle sinken stützte die Ellenbogen auf ihre Knie und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie fühlte sich noch elendiger als zuvor. Was sollte jetzt aus ihr werden- aus ihr und allen anderen: ihre Tante, ihr Onkel, deren Kinder, Mi, Lui alle im Viertel- und Fabio. Fabio war immer noch gefangen, seine Hinrichtung würde bald stattfinden, Ria wurde schlecht bei dem Gedanken. Sie hätte gerne geweint, aber die Tränen kamen nicht, als wollte ihr Körper ihr zeigen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war zu heulen. Wann denn, wenn nicht jetzt? Konnte die Situation noch schlimmer werden? Sicher nicht… Sie konnte- und zwar viel- doch zu ihrem eigenen Glück ahnte Ria dies nicht.

Ria sammelte sich und erhob sich langsam. Sie schleppte sich aus der Haustür, um Wasser zu holen. Die Straßen waren wie ausgestorben. Niemand unterhielt sich, niemand ließ seine Kinder draußen spielen, niemand ging seiner Arbeit nach, es war totenstill nur eine einzige kreidebleiche Frau kam ihr entgegen und ging ohne ein Wort oder einen Gruß an ihr vorbei. Ria konnte es ihr nicht verdenken. Auf dem Hauptplatz standen einige Elben. Sie unterhielten sich aufgeregt und schienen verzweifelt. In diesem Moment fiel Ria die anstehende Arbeit an der Stadtmauer ein. Sie würde sich mit dem Wasser holen beeilen und dann die Familie wecken, damit es nicht noch mehr ärger gab. Während sie hastig den Eimer in den Brunnen hinab ließ, drangen ein paar Gesprächsfetzen zu ihr durch. Offenbar würden sich eine Hand voll Hoch-schwangerer Frauen und ein paar alte um die kleineren Kinder kümmern, und die Schmiede- denen man das anfertigen von Waffen befohlen hatte und die deshalb nicht an der Arbeit an der Mauer teilnahmen, war angesichts der Kräftigen Männer nicht unbedingt vorteilhaft war- würden ab und an nach ihnen schauen. Ria zog den Eimer aus dem Brunnen und begann ihn den Weg nach Hause zu tragen. Sie kam nicht weit, da stand plötzlich Mi hinter ihr und hielt sie fest. Sie war kreidebleich.

„Ria! Lui ist weg!“

„WAS???“, Ria war entsezt. „Warum? Wohin?“

„Ich habe keine Ahnung er ist gestern Abend verschwunden uns seitdem nicht mehr aufgetaucht, niemand hat ihn gesehen außer zwei Frauen, die nur wissen das er das Viertel verlassen hat. Er ist nirgends. Ich hab überall gesucht- wenn er nicht in 10 Minuten hier ist bekommen wir ein ernstes Problem, weil er mit auf der Liste steht aber nicht zur Arbeit erscheint!“

„und was jetzt? Hast du schon im versteck gesucht“

„Überall- er ist weg- verschwunden- vom Erdboden verschluckt- NICHT DA!“

Sie tauschten einen panischen Blick.

„Wir können nur warten bis er kommt“, sagte Mi.

Ria nickte. „Ich bring das Wasser heim und wecke die anderen, sonst kommen die auch noch zu spät.“

HalbblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt