Es hatte die ganze Nacht durchgeregnet. Die Straßen wurden scheinbar weggespült von den Wassermassen, die die Stadt hinab flossen. Es musste bereits dämmern, aber die schwarzen Wolken, die den ganzen Himmel bedeckten, verdeckten jedes Licht, das die Sonne hätte geben können. Auf den Gassen war niemand und es war still. Fast. In der Dunkelheit zeichnete sich die Silhouette einer Gestalt ab, kaum erkennbar in der schwärze, die der Regen gebracht hatte. Wie Pech hingen die Wolken über der Stadt. Tief und Schwarz. Und Pech war es auch, was die Bewohner dieser Stadt, besonders des Elbenviertels hatten. Pech regierte diese Tage, und von pechschwarzer Dunkelheit war auch die Gestalt in der Gasse, die sich gegen den Regen an, die Straßen der Menschenstadt hinaufkämpfte.
Der Wind peitschte ihm den Regen entgegen und Lui hatte Mühe voran zu kommen. Er hielt mit einer Hand seine Kapuze fest und schirmte seine Augen ab mit der anderen hielt er das Gleichgewicht. Er fing an zu bereuen, dass er nicht einen der soliden Elbenmäntel gewählt hatte, doch sehen, würde ihn in diesen Stunden so oder so niemand, und er hatte eine Verabredung die es einzuhalten galt. Mit seinem ganzen Gewicht lehnte er sich gegen den Wind und kämpfte sich weiter die Straße hinauf, obwohl er nicht sicher war, ob er eine Wand sehen würde, bevor er davor lief. Er versuchte sich zu beeilen, aber Wind- und Wassermassen machten es ihm nicht leicht. Viel Zeit hatte er nicht, bald würde er zurück sein müssen, aber für einen Rückweg musste er sein Ziel erreichen und es vor allem wieder lebendig verlassen…
Ria erwachte, nicht wie üblich durch das Licht der Sonne, durch das seltsame Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Mi schlief noch neben ihr, und die Dunkelheit war erdrückend. Sie stand auf, unruhig, weil ihr Gefühl sie so selten belog. Obwohl sie immer noch sehr wackelig auf den Beinen war, fiel es ihr bereits viel leichter durch die Stube zu gehen. Sie tappte, leicht unsicher, auf den Kamin zu, und trat in etwas Nasses. Nach einem kurzen, erschrockenen Moment, erkannte sie eine Pfütze. Über Nacht war offenbar so viel Wasser durch den Schornstein gedrückt, dass es bereits unten aus der Asche gelaufen war. Sie mochte sich die Ausmaße des Im-Haus-Sees gar nicht vorstellen, aber viel schwieriger fand sie die Frage, wie sie mit nassem Holz und Asche ein Feuer zustande bringen sollte, zumal weiterhin Wasser hineinfiel. Weiterhin im Dunkeln tappend- im wahrsten Sinne- suchte Ria, tastend, nach einer Kerze, die noch nicht komplett runtergebrannt war, um wenigstens ein wenig Licht zu haben. Sie fluchte, als sie dabei in ein Messer fasste, dass auf der hölzernen Theke lag. Zum Glück fühlte sich der Schnitt nicht allzu tief an, was sie allerding gerne überprüft hätte, wozu sie allerdings nicht vorhandenes Licht gebraucht hätte. Das brachte sie ein weiteres Mal zum Fluchen. Sie fummelte weiter etwas hilflos in der Dunkelheit herum und fand alles Mögliche, allerdings nichts was sie gesucht hätte. Schließlich bekam sie aber doch eine Kerze zu fassen, (die genaugenommen genau da war wo sie auch hingehörte), und daneben direkt, ordentlich, die Zunderbüchse, die alles enthielt was man sich zum Feuermachen so vorstellen konnte. Die kleine Metallkiste, die inzwischen so verbeult war, dass sich mehr Rundungen als Ecken hatte, war auch in der Dunkelheit nicht schwer zu öffnen. Es dauerte also nichtmehr allzu lange, bis Rias Kerze brannte. Sie hätte sie am Liebsten wieder ausgepustet. Das Wasser war nicht nur durch den Schornstein gekommen. Auch vor der Tür und unter den winzigen Fenstern standen große Pfützen, und es regnete immer noch weiter. Ria sah sich gezwungen jetzt Mi zu wecken und wankte zu ihr hinüber. „Mi, wach mal auf. Hier steht überall Wasser, und es ist Morgen“. Der letzte Teil des Satzes war irgendwie unpassend gewesen, aber das war ihn nun auch egal. Mi schlug die Augen auf und brauchte einen Moment um zu realisieren, was Ria gesagt hatte. Dann wandelte sich ihre Verschlafenheit in Aufmerksamkeit und sie war hellwach. Gemeinsam aßen sie hastig ein wenig Brot um keine Zusammenbrüche zu riskieren, und fingen an, dass wasser aufzuwischen. Sie lagen auf den Knien und wischten mit den Resten alter Hemden das Wasser auf und wrangen die durchnässten Fetzten über Eimern aus. Im Licht der einzelnen Kerze, schimmerte das viele Wasser gespenstig. Es sah aus wie eine große Pfütze aus pechschwarzen Schatten, die sich zuckend vor dem Licht der Kerze verbargen. Die ersten Eimer waren viel zu schnell voll. Sie schütteten den Inhalt durch das Fenster auf die Straße, um nicht durch die Tür gehen zu müssen. Schon nach den paar Sekunden, des Eimer Ausleerens waren ihre Ärmel so durchnässt, als hätten sie sie direkt ins Wasser getaucht. Dann kämpften sie weiter gegen die Wassermassen die hineindrückten und die Stube schneller fluteten als sie wischen konnte. Die Straße war unterdessen fast kniehoch mit Wasser bedeckt, da die Fugen zwischen den Pflastersteinen nicht ausreichten, damit das Wasser versickern konnte, zumal der Boden bereits völlig aufgeweicht war, und kein Wasser mehr aufnahm. Una und ihre Familie schliefen noch, während die Mädchen versuchten den Wassermassen Herr zu werden, die sich über den Boden ausbreiteten. Als Mi eine Pause vom Knien brauchte, leerte sie den Kamin und legte den Inhalt zum trocken werden auf den Tisch, dann stellte sie einen Eimer unter den Ausgang des Schornsteins, um das Wasser wenigstens in Teilen aufzufagen.
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Halbblut
FantasíaDie junge Halbelbe Ria, findet sich in ihrer kleinen Welt gut zurecht, bis der Junge Callum auftaucht und ihr Leben einige unangenehme Wendungen nimmt. Außerdem wirft auch ihr Stammbaum Rätsel auf und plötzlich steht die ganze Welt vollkommen Kopf...