Reise

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Es rumpelte und es stank, im inneren der Kutsche. Es war fürchterlich. Sie mussten nun schon seit Tagen in diesem Karren sitzen, denn obwohl sie bereits mehrfach einige Stunden geschlafen hatten, saßen Mi und Ria auch eine lange Zeit wach nebeneinander. Genau konnten sie aber spätestens nach dem ersten Mal schlaf nicht mehr sagen wie spät es war. Einmal hatte die Kutsche angehalten, aber etwas zu essen, oder auch nur etwas Wasser hatte es nicht gegeben. Das wiederrum hatte immerhin den Vorteil, dass das Bedürfnis einer Notdurft  bei den Meisten erträglich war. Dennoch war es im beengten innern des Karrens schwer auszuhalten. Es roch, wie es in einem Abgeschlossenen Raum voller Menschen die dicht an dicht saßen- und das seit Stunden- eben roch. Zumal sie einige Alte und kleine Kinder unter sich hatten, die Austdünstungen absonderten, deren Herkunft Ria lieber nicht bestimmte. Hinzu kam das ewige unregelmäßige rumpeln, welches ein zur Ruhe kommen erschwerte bis ausschloss. In der stickigen Trockenheit im innern der kutsche, hatte sie eine sehr trockene Kehle bekommen und wünschte sich einen schluck Wasser, denn auch der schale Geschmack im Mund wurde durch den Gestank schwer erträglich. Es herrschte eisiges schweigen. Nichtmal ein Kind jammerte nur vereinzelt weinte ab und an eins, aber auch das leise. Sie fühlten sich ausnahmslos elendig wie sie da zusammengepfercht wie die Hühner in der Dunkelheit hockten, und darauf warteten dass die Fahrt ein Ende nahm.

Tatsächlich lagen sie Falsch, mit ihrem Zeitgefühl. Es war gerade ein Tag vergangen und die Fahrt würde noch mindens zwei weitere in Anspruch nehmen, denn der große Wagen kam nicht gut voran in dem holprigen Gelände.

Es dauerte eind Weile, bis die Elben begriffen, dass man sie nicht so schnell aus dem Karren lassen würde. Sie waren gezwungen auszuharren. Einige der Alten sahen nach einer Weile keine andere Möglichkeit, als sich an Ort und Stelle zu erleichtern, wodurch sich der Gestank noch weiter verschlimmerte. Mi litt nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit, unter Übelkeit und einer gewissen Platzangst. Sie wollte nur raus, aus dem Karren und stand nah am Rand der Verzweiflung. Niemand sprach mit ihnen und wenn man hinausrief, wie ein Mann es versuchte, erhielt man keien Antwort. So blieb Ria nichts anderes übrig als ihre Freundin in den Arm zu nehmen und zu schweigen. Das Warten wurde zur echten Tortur. Je mehr Zeit verging desto mehr dachte Ria sie würde es nichtmehr aushalten- und wurde eines besseren belehrt. Ein weiteres Mal stellte sie fest, dass ein Mensch sehr viel mehr ertragen konnte als er von sich selbst dachte, wenn er nur keine andere Wahl hatte. Was sollte sie auch tun. Es gab kein entrinnen aus dem verriegelten Karren und an die Wände zu hämmern war Verschwendung von Kraft die sie, wie sie befürchtete, noch bitter benötigen würde, ganz davon abgesehen, dass es ignoriert würde. So verging Stunde um Stunde in denen sich jeder soweit er konnte in den hintersten Winkel seines selbst zurück zu ziehen schien. Außer Ria. Ria träumte. Mit offenen Augen. Von einer Zukunft die es nicht geben würde. Sie dachte an Callum unf wie sehr sie ihn jetzt schon vermisste. In ihrer Vorstellung waren die zusammen... und glücklich. Mit niemandem der sie trennte und an einem Ort wo sie sich nicht verstecken mussten. Sie stellte sich den Tag vor, an dem er sie, nachdem er  seinen Vater abgelöst hatte, von der Insel zu sich zurück holen ließ. Es half ihr die Zustände zu ertragen. Zwar drängten sich Zweifel auf, aber die ließ sie gar nicht erst zu. Sie würde ihn Wiedersehen, dessen war sie sich sicher, oder sie redete eich ein dass sie es war. Er würde sich nicht vergessen, und er würde sie nicht ersetzen, das hoffte sie zumindest. Auch das es noch Jahre dauern konnte bis dahin, und dass sie die Zeit bis dahin auf dieser Insel erstmal überleben musste war ihr in den Sinn gekommen und gekonnt ignoriert worden. Sie würde sich daran festhalten, und sich nicht davon abbringen lassen, bis es soweit war. Denn so schrecklich die letzten Wochen auch gewesen waren, seit ihr Leben aus dem Ruder gelaufen war, eins hatte sie gelernt: Hoffnung gab es immer!

Nach drei Tagen erreichte der Karren sein Ziel: Port Fidelo

Eine bunte Hafenstadt direkt am Meer, die weithin bekannt für den besten Markt des Reiches und über dessen Grenzen hinaus war. Das Treiben auf den Straßen war ausgelassen, und fröhlich. Auch schien die Stadt vielerorts sehr viel gepflegter als Andora selbst. Die Häuser waren bunt und die Wascheleinen spannten sich von Haus zu Haus, und zeigten bunte Stoffe. Jede Art von Menschen flanierten über die in helles Sonnenlicht gefluteten Straßen, die anders als in der Hauptstadt nicht nur in kaltem grauen stein gepflastert waren, sondern einen hellen braunton hatten und mit steinen gepflastert waren, die keiner der Männer zu Pferd zu bennen wusste. Es roch in jeder Gasse anders, nach Parfüm oder fremdartigen Gewürzen. Nach dem feinen duft von Blumen oder frischem Gebäck und manchmal auch nach Tiermist. Musik erklang aus verschiedensten Richtungen und das Treiben war so dicht, dass der Karren ewig brauchte um sich durch die vollen Straßen zu schieben. In diesem Treiben fanden sich Schwarze, Weiße, Arme, Reiche, bunt gekleidet oder schlicht, Frauen mit riesigen Körben voller fremder Leckerreien, geschäftige Männer oder auch Bettler. Die Elben im inneren dieses wagens bekamen nur eine kleine briese dieser fremdartigen Stadt mit. Der unangenehme Geruch im inneren überdeckte all die Gerüche und nur gedämpft drangen die Klänge der Stadt hinein. Trotzdem bemerkten sie, dass sie wieder über gepflasterte Straßen fuhren und dass draußen Betrieb war. Die Reiter draußen aber, sogen den Duft der Fremde ein und kotten sich nicht sattsehen an der Fülle von Leben in dieser Stadt. Die Gepanzerten, mit dem Königlichen Wappen auf der Brust weiteten die Augen wie kleine Kinder und versuchten möglichst viel zu entdecken, sei es die Dirne am Straßenrand oder den Schmied in seiner Werkstatt, fer bei offener Tür arbeitete. War diese Stadt doch nur ein paar Tage von der ihren entfernt, lagen doch Welten zwischen Port Fidelo und Andora.

Es dauerte mehrere Stunden bis sie mit dem sperrigen Karren, den eigentlichen Hafen erreichten. Viele Schiffe lagen in der Hafenbucht. Nicht weit von hier, zu ihrer Rechten, verdeckt von den Felsen die die Bucht einkesselten, und an deren Hängen weitere bunte Häuser klebten, musste die Insel Kantia, das Ziel ihrer Reise liegen!

Endlich öffnete sich die Klappe an der Rückseite drs Karrens. Frische, salzige Meerluft strömte hinein und ließ sie alle aufatmen. Ria war erleichtert und ihr Herz wurde etwas weniger schwer, als das verheißngsvolle Licht, das von Luft und Weite versprach in den dunklen Karren fiel. Die Elben drängten hinaus, auch wenn einigen die Beine nachgaben nach drei Tagen des sitzens, war es herrlich sich wieder aufrecht hinstellen zu können und die unglaublich befreiend frische Luft zu atmen. Das Wasser des meeres glitzerte wundervoll im Licht der Sonne und hinter der Bucht erstreckte sich die blaue Weite schier endlos. Ria hatte nie einen so weiten Blick gehabt und sie fühlte sich auf eine Art frei. Dann wandte sie den Blick der bunten stadt zu, die Farbenfroh hinter ihnen lag. Die fremdartigen Gerüche drangen noch leicht zu ihr durch und sie wurde schrecklich neugierig auf diese freundliche Stadt. Obwohl ihr der Gestank des Karrens noch in der Nase hing, war diese Andersartigkeit so berrauschend, dass es ihr den Schwermut für diesen Moment vertrieb und damit war sie nicht alleine. Sie achtete kaum darauf wie sich die Soldaten um sie stellten um sie alle auf eins der Schiffe zu treiben, wie Vieh. Viel zu sehr, zog die Schönheit dieses Ortes sie in seinen Bann. Oben an der Ostseite der Bucht, stand ein kleines Schlösschen, dass wie an den Felsen geklebt schien. Ria sah die Masten der Schiffe, die sich stolz erhoben und wünschte sich ein Teil des fröhlichen Treibens dieser Stadt zu werden. Doch dann mussten sie das Deck verlassen, denn sie wurden in den Schiffsbauch in einige Käfige gesperrt. Ria war noch so begeistert von der Stadt, dass es sie gar nicht störte. Mi neben ihr schien nicht weniger verzückt. Sie lächelte und von ihrer Verzweiflung war nur noch ein Schatten zu erkennen. Das Schiff legte ab, und Ria begann Hoffnung zu schöpfen, das Ziel ihrer Reise- eine Insel im weiten meer- könnte vielleicht doch gar nicht so schrecklich sein. Wie wunderbar es doch wäre, wenn sich nun endlich etwas zum Guten wendete und sie nur dieses eine mal Glück hätten.

HalbblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt