Sein Herz raste, Adrenalin pulsierte von seinem Magen durch seinen Körper, während er ihren Blick traf. Er hielt die Luft an. Die Dunkelheit war gewichen, es schien ihm fast als wäre es heller geworden auf dem Platz zwischen den Häusern. Er hatte sich gefürchtet vor ihrem Blick und vor ihrer Reaktion- er fürchtete sich immer noch.
Doch sie sah was sie gehofft hatte zu sehen. Wahrheit. In seinen Augen, in seinem Gesicht und sie lächelte und musste noch mehr lächeln als sie sah, wie erleichtert er war. Er streckte ihr ein zweites Mal die Hand hin und sah sie flehend an. Ihr Herz hüpfte wie ein junger Vogel und sie nahm seine Hand. Einen Moment lang lächelte er sie nur an. Dann zog er sie zu sich. Er küsste sie. Vorsichtig, zärtlich. Und sie erwiderte seinen Kuss. Sie wusste dass sie ihn liebte, mehr als alles andere und sie war dankbar, dass der vergangene Tag doch noch zu einem guten Ende gekommen war. Jeder Zweifel war verschwunden und sie schwor sich, ihm nicht mehr zu misstrauen.
Die Zeit flog an ihnen vorbei. Sie standen da, und lebten den Moment. Es war so still um sie herum und sie fühlten sich so sicher, zwischen den steinernen Rücken der Häuser, die sie schützend umschlossen. Ria wünschte, sie könnten öfter so zusammen sein. Wie gerne hätte sie den Rest ihres Lebens an ihn gelehnt dagestanden, sein Herz schlagen hören und seinem Atem gelauscht. Aber die Zeit blieb nicht stehen. Sie schoss vorbei und bevor auch nur einer von ihnen diesen Moment so wirklich zu fassen bekam, mussten sie fort. Zurück in ihr eigenes Leben, bevor jemand ihre Abwesenheit bemerkte.
„Wann sehen wir uns wieder?“, murmelte er in ihr Haar.
„Bald“, Sie lächelte, aber sie konnte nicht verbergen, dass sie sich sorgen machte. „Ich weiß nicht… Tagsüber kann ich nicht weg. Und es ist praktisch Zufall wann ich nachts raus kann…“, sie senke niedergeschlagen den Kopf „Ich kann nicht sagen wie lange das dauert.“
Er hob sacht ihr Kinn. „Pass auf. Wir kommen jede Nacht, wenn wir können um Mitternacht hier her“. Er lächelte und gab ihr einen sachten Kuss. „Wir schaffen das schon.“
Sie nickte und flüsterte „Gut“, dann küsste sie ihn ein letztes Mal bevor sie zurück trat. Zwei Schritte, und sie war gezwungen seine Hand loszulassen. Sie schenkte ihm ein letztes Lächeln, bevor sie in der Dunkelheit verschwand.
Der Morgen dämmerte. Ria erwachte und wünschte sich weiterschlafen zu dürfen. Sie war müde, nicht nur von ihrem nächtlichen Ausflug. Außerdem war ihr Hunger nichtmehr zu leugnen. Wenn sie so darüber nachdachte, hatte sie noch länger nichts gegessen, als die anderen. Sie dachte an die versteckten Vorräte und entschied, dass sie heute Abend gehen würde um ein wenig zu holen. Sie stemmte sich hoch und wankte zum Wasserfass. Sie drehte an dem winzigen Hahn und fluchte, als nichts als ein paar Tropfen heraus kamen. Mit einem Seufzen steckte sie die Haare hoch und nahm die Wassereimer, bevor sie sich zum Brunnen begab. Sie musste sich ernstlich zusammenreißen um nicht zu wanken wie ein Betrunkener. Sie war nicht die erste auf dem Platz. Wie üblich nutzen die Frauen die Wartezeit um sich auszutauschen, allerdings war die Stimmung an diesem Morgen noch bedrückter als die Tage zuvor. Darüber hinaus erfuhr Ria innerhalb der nächsten Minuten dass zu den inzwischen viele nicht mehr die Kraft hatten aufzustehen und es am Morgen tatsächlich bereits den ersten Verhungerten gegeben hatte.
Während Ria auf dem Platz stand ging die Sonne auf und tauchte den ganzen Platz in ein sanftes Licht, dass einen trügerischen Frieden mit sich zu bringen schien. Sie fühlte sich unwohl, ihre Knie waren weich und sie hatte einige Probleme die vollen Eimer zu tragen. Normalerweise tat sie sich nicht so schwer damit, aber an diesem Morgen musste sie die Eimer alle paar Schritte abstellen. Als sie die Gasse der Schuster und Sattelmacher halb geschafft hatte, sank sie zwischen den beiden Eimern auf die Knie. Ihre Hände zitterten und die Straße verschwamm vor ihren Augen. Fast 10 Minuten saß sie da, bis sie es schaffte sich zusammenzureißen und sich aufzurappeln und die Eimer wieder hoch zu heben. Sie wirkten viel schwerer als sonst und zogen sie nach unten. Ria taumelte ein paar Schritte nach vorne, stolperte und musste die Eimer ein weiteres Mal abstellen. Die Welt um sie herum schien sich zu drehen und sie fiel zurück auf die Knie. Es war absolut aussichtslos. Für einen Moment blieb sie sitzen dann kühlte sie ihre heißen Schläfen mit dem Wasser und nahm vorsichtig einen Schluck aus der hohlen Hand. Das Wasser brachte den sich drehenden Boden wieder zum Stillstand, aber ihre Kraft hielt sich weiterhin in Grenzen. Sie erhob sich auf die wackeligen Beine und trug beide Eimer einzeln in das Haus. Sie verschüttete ein wenig Wasser auf den Stufen, aber als die Eimer endlich im Haus waren, war das egal. Ria sank auf die Bank vor dem Esstisch und fragte sich wie sie den Tag überstehen sollte, während sie ihr Gesicht in den Händen vergrub. Sie versuchte ihre Aufgaben zu erledigen, aber sie musste sich immer wieder hinsetzen. Schließlich entschied sie sich ihre mickrige Kraft zu sparen und blieb sitzen.
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Halbblut
FantasyDie junge Halbelbe Ria, findet sich in ihrer kleinen Welt gut zurecht, bis der Junge Callum auftaucht und ihr Leben einige unangenehme Wendungen nimmt. Außerdem wirft auch ihr Stammbaum Rätsel auf und plötzlich steht die ganze Welt vollkommen Kopf...