Ria war verzweifelt. Mi gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Egal wie sehr Ria auch nach einem Herzschlagen, oder einem Atemzug suchte, fand sie nichts, was in irgendeiner Weise auf leben hingewiesen hätte. Tränen verschleierten ihr den Blick und ihre Panik wuchs. Sie schüttelte Mi. Vergeblich. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und das kalte Wasser, dass bei nahe lüstern an ihren Beinen und ihrer Hüfte leckte, spürte sie gar nicht mehr. „Verdammt wach auf!“, schrie sie. „HILFE“ Verzweiflung. Mi rührte sich immer noch nicht. Rias Tränen fielen auf Mis Gesicht. „HILFE“, schrie sie immer wieder, bis ihre Stimme erstarb und es gespenstig still um sie herum wurde. Die Gewissheit, dass sie ihre Freundin hatte ertrinken lassen, pochte in ihrem Kopf. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was man für gewöhnlich mit Leuten machte, wenn man sie retten wollte. Unbeholfen drückte sie auf Mis Brustkorb. Erst Zögernd, dann fester. All ihre Verzweiflung entlud sich. Plötzlich wurde ein würgendes Geräusch hörbar und aus Mis Mund kam ein Schwall Wasser. Ria drückte nochmal auf ihren Brustkorb, und ein weiterer Schwall folgte. Nochmal, und nochmal und nochmal. Dann kam nichts mehr. Aber Mi regte sich immer noch nicht. Sie musste atmen und zwar sofort. Aber wie sollte Ria es schaffen Mi zum Atmen zu bewegen. In diesem Moment hörte sie Stimmen vor der Ruine. „HILFE“, rief sie wieder. Mis Vater und Rias Onkel, völlig durchnässt und dreckig, stürzten zwischen den Mauerresten hervor. Als er seine Tochter sah, erstarrte Mis Vater. „Sie atmet nichtmehr“, sagte Ria verzweifelt. „ich hab sie dazu gebracht, dass Wasser auszuspucken, aber sie atmet einfach nicht“ Er reagierte nicht sondern hielt seiner Tochter die Nase zu und presste seinen Mund auf ihren. Mis Brustkorb hob sich. Nochmal. Nochmal. Ihr Vater drückte wieder auf ihre Burst. Nichts. Sie atmete nicht, sie atmete einfach nichtmehr. Er hob sie hoch und ging mit ihr nach draußen und wartete durch das Wasser hinüber in das Haus von Rias Onkel, der die beiden Bündel schulterte und ihm dann folgte. Ria stand Regungslos im Wasser. Am liebsten hätte sie sich hineingelegt, und wäre ebenso untergegangen wie ihre Freundin nur Minuten zuvor. Es konnte nicht sein, dass sie tot war, es konnte einfach nicht sein. Immer noch konnte sie sich nicht bewegen. Es ging einfach nicht. Sie stand einfach da und betrachtete die Trümmer.
Mina stürzte zu ihrer Tochter. „Mi, qet-hína,“ (sinngemäß: Kind, sag doch was) , aber Mi regte sich nicht. Ihr Vater legte sie auf Rias Bett und Ria setzte sich neben Mina auf den Boden an Mis Seite. Mina flüsterte und summte einige Worte auf Quenya, der alten Form des Elbischen. Ria verstand nicht alles, aber der Sinn der Worte klang zu ihr durch. Sie wusste nicht viel von diesen Gesängen, nur das sie aus den längst vergangen Jahrhunderten stammten und zu einer Kunst gehörten, die sich ihr noch nicht erschlossen hatte. Die Worte webten einen Immer fortwährenden Teppich aus klängen.
„Telin le thaed
Lasto beth nin,
Tolo dan na
Ngalad.“
Ria schauderte. Sie wusste nicht wieso, aber die Worte schienen eine unglaubliche Tiefe und Macht zu haben. Zum ersten Mal, wurde ihr etwas deutliche, was für ein prachtvolles Volk die Elben einst gewesen sein mussten. Sie wusste, dass sie diese Kunst erlernen wollte. Sie wollte, dass die Worte ebenso selbstverständlich aus ihrem Mund flossen wie aus Minas und sie wollte nie wieder so hilflos sein, wie in der Ruine von Mis Haus. Mi. Sie regte sich. Ihre Augenlieder zuckten. Dann holte sie mit einem mal schnappend Luft und hustete einen weiteren Schwall Wasser auf den Boden.
Die Erleichterung in Rias Herz, war unbeschreiblich. Sie umarmte ihre Freundin, und brach in Tränen aus. „Mi! So ein Glück. Ich dachte schon ich hätte dich verloren!“ Mi war immernoch sehr blass, aber sie lächelte leicht. „Was ist passiert, ich erinnere mich nur noch, dass ich fest saß…“ Ria nickte. „Ich hab zu lange gebraucht um dich zu befreien, als ich die aus dem Wasser gezogen hab…“, Ria schluckte. „Da hast du schon nichtmehr geatmet“ Sie umarmte Mi noch einmal. „ich hatte so Panik“ Auch Mina nahm ihre Tochter in den Arm und dann auch ihr Vater. Jetzt erst bemerkte Ria Una, die still am Küchentisch hockte und sie beobachtete. Ihr Mann hatte sich zu ihr gesetzt und sie schwiegen. Sie sahen besorgt aus. Als Ria Jèndrôs Blick so sah, erinnerte sie sich an den geplanten Angriff auf das Lebensmitteldepot am kommenden Tag, und an Callum, der in wenigen Stunden auf dem Platz zwischen den Häusern warten würde- gesetzt natürlich dem Fall, dass er bei diesen Wassermengen überhaupt bis dorthin kommen würde.
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Halbblut
FantasyDie junge Halbelbe Ria, findet sich in ihrer kleinen Welt gut zurecht, bis der Junge Callum auftaucht und ihr Leben einige unangenehme Wendungen nimmt. Außerdem wirft auch ihr Stammbaum Rätsel auf und plötzlich steht die ganze Welt vollkommen Kopf...