Die Stadt erwachte in Schweigen gehüllt. Menschen waren auf den Straßen und gingen ihren Geschäften nach, als wäre nie etwas geschehen. Die Soldaten wirkten Entspannt, auch wenn etwa viermal so viele Patrouillen unterwegs waren wie sonst. Die Menschen fühlten sich sicher. Beschützt durch die Vorsicht und Kühnheit ihrer Herren. Wie naiv sie waren. Lui fiel nicht auf. Die Selbstverständlichkeit mit der er durch die Straßen strich ließ niemanden Verdacht schöpfen. Wie jeder andere junge Mann sah er aus mit seinen dunklen Haaren und den leicht abgetragenen Klamotten. Der Sohn eines einfachen Mannes wahrscheinlich, eines Töpfers vielleicht, oder eines Schusters. Niemand erwartete einen Elben seines Alters auf den Straßen. Sie saßen alle verkrochen in ihrem Viertel oder tief im Bauch der Burg. Er dachte an seinen törichten Bruder, während die Häuser um ihn herum immer prunkvoller wurden. Fabio hatte es sich nicht nehmen lassen mit ihnen zu gehen, egal wie sehr er, Lui, versucht hatte es ihm auszureden. Er meinte, er würde siegreich wiederkehren und sich revanchieren für die Tage in dem muffigen Kerker. Nun war er weder siegreich, noch zurückgekehrt. Im Gegenteil. Er saß erneut in einem Kerker, auch wenn er dieses Mal zahlreiche Gesellschaft hatte, standen seine Chancen nicht besser als zuvor. Lui seufzte. Er sorgte sich um seine Familie. Alle waren sie gegangen. Niemand war wiedergekehrt. Innerlich wies er sich zur Rechenschaft. Er würde an niemanden je wieder sein Herz hängen. Hatte er sich das nicht geschworen? Aber was wenn er sein Herz schon lange vor diesem Beschluss an jemanden gehängt hatte? Dann würde er es gefälligst zurück nehmen. Er ballte die Hand in der Tasche zur Faust. Das vertraute Steinchen stach ihm fast schmerzhaft in die Finger. Er hatte es nicht über sich gebracht es fortzuwerfen. Hatte sich gesagt, dass es nur ein Stein war und dass es seinem Panzer nicht schaden würde. Dennoch. Es wog schwer. Etwas, dass beinahe ein schlechtes Gewissen hätte sein können schlug jedes Mal zu, wenn er es berühre. Doch dieses schlechte Gewissen hatte er verbannt. Es gab keinen Grund sich zu schämen. Wieso dacht er überhaupt darüber nach? Er fluchte innerlich und zwang sich zur Disziplin. Überhaupt hatte er unterdessen dass Schwarze Tor des Schlosses erreicht. Wenn diese Schwachköpfe ihm jetzt bloß keinen Ärger machten. Er kannte die Männer nicht, dennoch. Er hatte eine Verabredung einzuhalten.
Der Wachposten, links vom Tor, starrte den jungen Kerl überrascht an. Der hatte ein Selbstverständnis in seiner Haltung, das den Mann irritierte. Er sah den Jungen an und versuchte möglichst herrisch zu klingen. „Was willst du?“, es gelang besser als erwartet, er fand sich wirklich autoritär, doch der junge Kerl schien gelassen zu bleiben.
„Rein“, seine Stimme klang entspannt, wenn auch ein wenig provokant. Der Wachposten sah seinen Nachbarn unsicher an, der fing an zu lachen.
„Na Bürschchen, hier kommt man aber nicht so einfach rein“, er betonte das ‚rein‘ deutlich mit Spott. Doch der Junge blieb weiterhin entspannt.
„Is auch nich einfach so… ich habe eine Verabredung.“
Die Soldaten wechselten einen Blick. „Mit wem denn bitte? Ist deine Schwester eins der Dienstmädchen, oder was?“ Sein Kollege lachte, und der Wachposten war wirklich froh, dass er nicht das Wort führen musste.
Der Junge, der bei genauerer Betrachtung wohl ehr ein junger Mann war, schien die Geduld zu verlieren. „Mit eurem Herrn ihr Spatzenhirne und wenn ihr mich hier noch länger rumstehen lasst, werde ich gezwungen sein seiner Hoheit zu sagen, weshalb ich zu spät bin.“ Die beiden Wachposten lächelten nervös. Sie glaubten dem Kerl nicht so richtig, doch es bestand immerhin die Möglichkeit, dass er wenigstens in Teilen Recht hatte. Genau in diesem Moment öffnete jemand die Tür in dem großen Tor. Ein direkter Diener des Herren, wie er aussah und einen strengen Blick aufgesetzt. Der Wachposten und sein Nebenmann hatten kaum Zeit auf den Mann aus ihrem Rücken zu reagieren, da hatte dieser den jungen Mann schon zu sich gewunken und war mit ihm in den Schlosshof verschwunden. Die Beiden tauschten noch einen Blick und entspannten sich wieder. Ab jetzt war es nicht mehr ihr Problem war mit dem Kerl war. Der Wachposten lehnte sich unauffällig an die Mauer hinter sich und kehrte in seine Gedanken zurück.
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Halbblut
FantasyDie junge Halbelbe Ria, findet sich in ihrer kleinen Welt gut zurecht, bis der Junge Callum auftaucht und ihr Leben einige unangenehme Wendungen nimmt. Außerdem wirft auch ihr Stammbaum Rätsel auf und plötzlich steht die ganze Welt vollkommen Kopf...