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Lügner.
Mein Arzt kann mich nur anlügen. Und ich bilde mir meine Tränen ein, Steven der seinen Arm um mich legt und Mum, die sanft meine Wange streichelt.
Wenn eine Person nicht stirbt, dann ist es Patricia.
"Es tut mir so leid, Mäuschen.", heuchelt meine Mutter mir vor.
Es ist ihr scheiß egal und das weiß ich. Seit wann kümmert sie sowas denn?
Ich atme tief durch und wische mir die Tränen weg. Dann renne ich los zu ihrem Zimmer. Dort ist nichts, es ist leer. Keine Anzeichen, nichtmal ihr Duft liegt in der Luft.
"Wen verarscht ihr hier eigentlich? Wo ist sie wirklich?"
Ich bin stinkwütend. Erst Sugar, dann James und jetzt auch noch Patricia. Um ehrlich zu sein trifft mich Sugars Tod nicht so sehr, aber dafür Patricias umso mehr. Sie war meine beste Freundin in der Klinik gewesen.
Ich schreie herum, werde schief angeguckt, aber das ist mir egal.
"Sie wollte es so, Ava. Sie hat sich umgebracht."
Meine Schuld, alles meine Schuld.
"Sie ist an Rotwein gekommen, wir wissen immer noch nicht wie. Die Spritze muss sie einer Pflegerin geklaut haben. Sie hat es sich direkt ins Blut gespritzt. Ava, sie wusste, was sie da tut."
Halt die Klappe du Möchtegernarzt.
"Was ist denn das für eine beschissene Klinik, wenn eine alkoholabhängige Patientin bei euch an Alkohol kommt. Merkt ihr eigentlich noch irgendwas?"
Ich bin kurz davor ihn zu schlagen, aber weiß, dass sie mich dann hier behalten werden. Oder es geht gleich ab in die Geschlossene.
"Gib nicht uns die Schuld für ihre Entscheidung."
Und da ist es passiert. Meine Faust landet in seinem leider steinharten Gesicht. Warum tut denn das so weh?
Zwei Pfleger sind schnell bei mir und drücken mich zu Boden. Ich wehre mich nicht, beleidige sie nur.
"Lasst sie los.", fordert meine Mutter, aber sie ignorieren sie.
Einen der beiden hab ich schon gebissen und angespuckt, natürlich nutzt der die Situation jetzt um mir eins reinzuwürgen.
"Lasst los.", herrscht nun auch mein Arzt sie an und sie lassen los.
Wütend stehe ich vom Boden auf und starre die beiden grimmig an. Der eine sieht ziemlich happy aus.
"Pisser.", maule ich ihn an und sehe dabei zu, wie seine Emotionen sich verändern. Nun ist auch er ziemlich wütend.
"Pass bloß auf oder du landest gleich wieder hier. Dann kannst du im Zimmer deiner toten Freundin schlafen."
Nun schlägt eine zweite Faust zu. Es ist nicht meine, es ist Stevens. Sie landet im Gesicht des Pflegers, welcher nach hinten stolpert und dann zu Boden fällt.
Der andere Pfleger stürmt sofort zu Steven und wirft sich auf ihn, als wäre er ein Schwerverbrecher.
"Schluss jetzt!", ruft mein Arzt wütend und die Pfleger hauen kurz darauf trotzig ab.
Ich habe einen richtigen Hass auf alle hier. Dieser Kommentar des Pflegers bringt mich immer noch zum Kochen.
"Du solltest gehen, Ava. Aber zuvor gebe ich dir noch Patricias persönliche Sachen. Da sie keine Familie mehr hatte, wollte sie sie dir überlassen. Hat sie alles in den Abschiedsbrief geschrieben."
Abschiedsbrief? Verdammt, nun kann ich wirklich nichts mehr leugnen. Und mir ist klar, dass es alles meine Schuld ist. Wäre ich bei ihr geblieben, würde sie jetzt neben mir sitzen und einen Schokoriegel essen. Jetzt ist sie tot und ich bin so gekränkt, dass ich sie nicht einmal mehr kleine Fette nennen kann.
Ich nicke nur, da ich zu nichts anderem mehr fähig bin. Wir sehen meinem Arzt dabei zu, wie er wegläuft, um die Sachen zu holen. Wo sie wohl gerade ist? Wo bringt man Leichen wie sie hin? Sonst entscheidet das die Familie, also ob sie verbrannt oder beerdigt wird. Aber sie hatte nur mich und ich bin gegangen.
"Hör auf zu weinen, Ava.", fordert mich meine Mutter auf.
Ich habe nicht einmal bemerkt, dass ich noch weine. Aber nett von ihr, dass sie mich so lieb darum bittet.
Mein Arzt kommt mit einem kleinen Päckchen wieder, ist ja fast wie Weihnachten.
"Tut mir wirklich leid, Ava. Sie war ein guter Mensch."
Ich bin zu müde, um einen dummen Kommentar abzulassen, weshalb ich einfach nicke und dann geh.
"Ich komme sofort nach!", ruft meine Mutter, aber das ist mir egal. Ich werde jetzt nicht nachhause gehen.
Steven läuft mittlerweile neben mir. Wenn das keine dicke Freundschaft wird. So viel wie wir in den paar Tagen schon zusammen durch gemacht haben.
Wir sitzen im Auto und er holt die Kippenschachtel raus. Ohne ein Wort zu sagen, legt er mir eine auf den Schoß und zündet sich eine andere an. Ich hebe meine an meinen Mund und lasse sie mir ebenfalls von Steven anzünden.
Dann rauchen wir schweigend zusammen.
Das Päcken steht bei meinen Füßen, ich habe Angst es zu öffnen. Es ist das selbe wie mit meinem Handy, zu viele Erinnerungen.
"Du weißt, dass ich für dich da bin, ja?"
Ja. Ich weiß es und dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Ich nicke und ziehe an der Zigarette. Meine Brust brennt. Es fühlt sich an, als würde sie in Flammen stehen.
Ich habe eine Panikattacke. Verdammte Scheiße. Die Luft wird knapper, ich habe unsagbare Angst. Mein Kopf zerspringt jeden Moment, ich schreie um den Druck loszuwerden, aber mache es nur schlimmer.
"Ava!", ruft Steven, aber ich beachte ihn nicht.
Mein Blickfeld verschwimmt, mir wird schwindlig. Schlafen, ich will einfach nur noch schlafen.
"Ava, bleib bei mir, okay?"
Er rüttelt an mir, brüllt mir ins Gesicht. Ich will ihm antworten, aber kriege meinen Mund nicht auf. Er ist mittlerweile zu, klebt, als wäre Sekundenkleber darauf. Mein Hals schnürt sich zu, es wird dunkler und unter Stevens andauernden Rufen schlafe ich langsam doch ein.

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Clean
Teen Fiction"Du bist clean, Ava." "Ich hab' schon bessere Witze gehört." Diese Geschichte widme ich meinem Lieblingsbuch meiner Lieblingsautorin: Schnauze Alien.