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Die Wirkung hält sehr lange. Ich weiß nicht genau wie lange, aber es wurde auf jeden Fall hell. Jess ist außerdem auch wieder gekommen. Sie liegt gerade auf der Matratze und ist total drauf.
Mir ist kalt, ich bin müde und schlapp. Kurzer Hand werfe ich eine Pille ein und mache mich auf den Weg nachhause. Oder zur Schule. Zuhause ist Mum, also sollte ich wahrscheinlich eher zur Schule. Da blickt das doch sowieso keiner.
Ich sehe auf einer Uhr, dass vor fünf Minuten der Unterricht begonnen hat. Jess wohnt fast direkt daneben, weshalb ich insgesamt nur 10 Minuten zu spät komme. Ich hab mich allen ernstes in der Schule verlaufen. Vorsichtig klopfe ich und trete ein.
Die Blicke aller liegen auf mir, auch der meines Lehrers.
"Tut mir leid, ich habe verschlafen.", lüge ich und versuche möglichst schuldbewusst auszusehen.
Er guckt besorgt zu mir.
"Sie sehen nicht sehr gut aus. Möchten Sie nicht doch zuhause bleiben?", fragt er nett.
"Nein, danke.", antworte ich, woraufhin er nickt und mit dem Unterricht fortfährt. Mürrisch setze ich mich zu Steven, welcher starr geradeaus blickt. Der soll mich bloß nicht nerven.
Egal wie sehr ich mich konzentriere, ich habe keine Ahnung was mein Lehrer erzählt. Aber das interessiert mich sowieso nicht. Warum sollte es? Das einzige, was mich interessiert ist, wann die Schule endlich vorbei ist.
"Ava.", meint Steven und ich gucke neben mich. Er steht und guckt mich verwirrt an.
Was'n mit dem los?
"Was?", gebe ich genervt von mir.
"Es hat vor ein paar Minuten geklingelt, warum sitzt du immer noch hier? Wir haben jetzt Sport."
Hä? Ich hab das gar nicht mitbekommen. Ich stehe auf und bemerke, dass keiner außer uns mehr im Zimmer ist. Wann sind die denn gegangen?
Bei meinem ersten Schritt fall ich erstmal auf die Fresse. Na super. Mürrisch liege ich auf dem Boden, da ich weder Lust noch Kraft zum Aufstehen habe. Steven zieht mich schnell wieder auf die Beine, wodurch mir schwindlig wird.
"Ich brauch deine Hilfe nicht.", motz ich und laufe an ihm vorbei.
Er holt mich schnell auf und läuft neben mir. Nach einiger Zeit sind wir bei den Umkleiden, sie sind leer. Jeder ist bereits im Unterricht. Wie viel wir wohl zu spät sind.
Da ich kein Sportzeug dabei habe, werfe ich meine Tasche einfach in die Ecke und ziehe meine Schuhe aus. Ich will eine weitere Pille nehmen, aber kann das jetzt nicht vor Steven. Dann weiß es sofort Matty und dann bin ich wieder in der Klinik. Nee, danke.
Ich will runterlaufen, aber Steven hält mich fest.
"Was ist mit dir los?", fragt er.
Was juckt ihn das? Der will doch sowieso nur ficken und nichts weiter.
"Nerv mich nicht, man.", gebe ich genervt von mir und zerre an meinem Arm, damit er mich loslässt. Er macht mich so unglaublich wütend und aggressiv. Vorallem kann ich nur wegen ihm keine weitere Pille nehmen.
Er hindert mich! Er ist schuld! Elender Mistkerl, ihm zeig ich es.
Kurzer Hand schlage ich ihm ins Gesicht. Da ich völlig entkräftet bin, tut es ihm kaum weh. Er ist lediglich schockiert.
"Was zur Hölle? Ava, was ist los?"
Bastard. Stirb doch. Ich brauche dich nicht. Du hast mein Leben zerstört, wegen dir bin ich alleine.
"Du hast alles kaputt gemacht! Meine Beziehung, mein Leben. Warum verpisst du dich nicht einfach?", rufe ich.
Es ist mir egal, ob uns jemand hört. Sollen ruhig alle wissen wie behindert er eigentlich ist.
Er verzieht sein Gesicht.
"Ist das dein Ernst? Du willst Conor doch gar nicht."
Pff, kennt er mich besser als ich mich selbst oder was.
"Halt dein dreckiges Maul. Du weißt gar nichts. Wer bist du um so etwas sagen zu können?"
Er hat nicht damit gerechnet, dass ich ihn beleidige. Er sieht sogar verletzt aus. Seine Schuld. Sein Pech. Es interessiert mich nicht.
"Dein bester Freund.", gibt er nüchtern von sich und fährt sich durch die Haare. Diese Haare...
"Nicht mehr.", meine ich, aber leider weniger stark und kraftvoll als gerade eben.
Ich werde weich, aber ich weiß nicht wieso. Klar bin ich wütend, aber warum eigentlich? Das ist so sinnlos, es gibt wichtigeres.
"Gut. Dann bin ich eben dein Freund, wenn dir das lieber ist."
Er kommt auf mich zu und ich gehe langsam weg. Was wird das? Er soll mich in Ruhe lassen.
"Nein, lass das. Ich will dich nicht.", murre ich. Meine Stimme bricht, ich breche.
Verdammt, ich brauch meine Pillen, damit ich wieder klar im Kopf werde.
"Du liebst mich. Gib es doch endlich zu."
Pff, was denkt er denn von mir? Dass ich von einem Freund zum Anderen gehe? Dass ich eine Schlampe bin?
"Und wenn?"
Das bringt ihn zum Grinsen.
"Also ist es so?"
Verdammt, jetzt hab ich mich verraten. Nein warte, ich liebe ihn nicht. Ich liebe doch Conor, oder? Ach fuck, warum bin ich so kompliziert.
Na gut, vielleicht bin ich in Steven verliebt. Vielleicht hab ich mich auch nur in Conor verguckt, denn ansonsten würde die Trennung deutlich mehr schmerzen.
"Nö. Wir müssen jetzt in den Unterricht. Du solltest dich vielleicht auch mal umziehen.", sage ich und laufe zu meiner Tasche. Ich will die Pillen holen, während Steven sich umzieht, was aber nicht klappt. Er kommt auf mich zu und zieht sich sein Tshirt über den Kopf.
Arsch. So ein Arsch.
Ich gucke ihn nicht an, ich betrachte die wunderschöne, dreckige Wand, an der ein großer gelber Kaugummi klebt. Igitt.
Er hebt mein Kinn an und zwingt mich somit ihn anzugucken.
"Ich liebe dich, Ava.", flüstert er und beugt sich zu mir.
Oh mein Gott. Das war doch gerade ein Liebesgeständnis oder? Er liebt mich? Also so wirklich wahrhaftig?
Ich kann nichts erwidern und nicht reagieren, denn er legt seine Lippen auf meine. Dieser Kuss ist nicht wie der im Club, auch nicht wie der auf dem Friedhof. Er ist so leidenschaftlich und so zärtlich, dass ich einfach nicht anders kann und mitmachen muss.
Ich habe ganz vergessen, wie gut er eigentlich küssen kann. Kurz löst er sich von mir und blickt mir tief in die Augen.
"Du liebst mich.", schmunzelt er.
"Ich weiß."
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Clean
Teen Fiction"Du bist clean, Ava." "Ich hab' schon bessere Witze gehört." Diese Geschichte widme ich meinem Lieblingsbuch meiner Lieblingsautorin: Schnauze Alien.