1. Kapitel

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»Expedition Transsylvanien. Auf den Spuren meines Ururgroßvaters«, sprach ich mit geheimnisvoller Stimme in das Aufnahmegerät meines Handys. »In nicht allzu langer Zeit muss das Dorf in Sicht kommen, in dem ich in einer gemütlichen Herberge unterkommen werde.«

Die gemütliche Herberge war in Wahrheit ein vier Sterne Hotel mit einem wundervollen Ausblick auf die naheliegende Bergkette. Plötzlich piepte mein Handy und die Aufnahme, die ich machte, wurde unterbrochen.

»So ein Mist«, fluchte ich und blieb stehen. Es hätte mir klar sein müssen, dass ich im letzten Winkel der Erde keinen Empfang haben würde. Mein Navigationsgerät auf meinem Handy konnte mir also nicht mehr weiterhelfen. Nun musste ich mich wohl oder übel mit der Karte der Gegend zurechtfinden. Ich seufzte und stellte meinen großen Rucksack ab, den ich bisher auf den Schultern getragen hatte. Ich öffnete ihn, kramte nach der Karte und nahm sie heraus. Als ich sie öffnete, musste ich mich zunächst orientieren. Es dauerte eine Weile, bis ich bemerkte, dass ich die Karte falschherum hielt. Sie zeigte nur die kleine Stadt, in der sich mein Hotel befand und eine große Straße, die vom Bahnhof dorthin führte. Den Bahnhof hatte ich schon hinter mir gelassen. Vor etwa einer halben Stunde war ich hier angekommen. Das hieß ich musste nur der Straße folgen. Sie würde mich direkt in die Stadt führen. Das war ja ganz leicht. Ich faltete die Karte zusammen, steckte sie wieder weg und schulterte erneut meinen Rucksack. Wer sagte, dass die jungen Leute heutzutage nicht mehr ohne Medien auskamen? Dann setzte ich mich wieder in Bewegung. Wenn ich im Hotel angekommen war und mich ein wenig ausgeruht hatte, dann würde ich die Ortschaft erkunden und vielleicht ein paar Bekanntschaften schließen. Morgen würde ich mich auf den Weg machen, den auch mein Ururgroßvater eingeschlagen hatte. In seinem Tagebuch, das sich sicher in meinem Rucksack befand, berichtete er von einem steinernen Schloss hoch oben auf der Spitze eines Berges. Am Ende seiner Mission war das Schloss angeblich zu Trümmern zerfallen, da mein Ururgroßvater und sein Assistent die Vampire, die sich im Schloss verschanzt hatten, im letzten Moment aufhalten hatten können. Durch ein Kreuz aus Silber, das alles zerstörte, was in den Weg kam. Ziemlich tödlich für Vampire. Wenn man meinem irren Ururgroßvater Glauben schenken konnte, dann würde sich an der Stelle, an der vor vielen Jahren das Schloss stand, nur noch eine Ruine befinden. Ich grübelte noch eine Weile über die Aufzeichnungen und bemerkte, dass ich mittlerweile in der Stadt angekommen war. Sie sah ganz niedlich aus. Bunte Häuser reihten sich aneinander, einige Bauernhäuser befanden sich ebenfalls darunter. Jetzt musste ich nur noch mein Hotel finden, das leider nicht auf meiner Karte verzeichnet war. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mich durchzufragen. Nur ein paar Menschen befanden sich auf der gepflasterten Straße. Immerhin konnte ich vielleicht jemanden von ihnen fragen. Ich ging auf eine ältere Dame zu, die ganz sympathisch aussah.

»Entschuldigen Sie?«, fragte ich. Die Dame drehte sich langsam zu mir und sah mich mit einem merkwürdigen Blick an, so als wäre ich ein völlig fremder Mensch. Okay, das stimmte ja auch irgendwie. »Ähm ... Wissen Sie zufälligerweise, wo das erste Hotel am Platz ist?«

»Das erste Hotel am Platz?«, fragte sie nachdenklich, dann wurde sie hektisch. »Gehen Sie da nicht hin! Es ist verflucht!«, hauchte die ältere Dame, drehte sich um und lief wackelig davon.

»Ich wollte doch nur wissen, wo ich es finden kann ...«, rief ich ihr noch hinterher.

»Haben Sie gerade nach dem ersten Hotel am Platz gefragt?«, ertönte hinter mir eine Stimme.

Ich drehte mich um und stand vor einer wunderschönen Frau. Sie hatte langes, braunes Haar, das ihr in Locken über die Schultern fiel und ihre dunkelbraunen Augen strahlten eine Gutmütigkeit aus, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ihr freundliches Lächeln warf mich um. Wenn man mich schon schön nannte, wie wurde sie dann von anderen Menschen genannt.

»Ja«, antwortete ich auf ihre Frage. »Können Sie mir vielleicht sagen, wo ich es finde?«

»Natürlich. Sie gehen einfach die Straße weiter runter und am Brunnen biegen Sie nach rechts ab. Dann können Sie es gar nicht übersehen.«

»Vielen Dank«, sagte ich. »Stimmt es denn, dass es verflucht ist?«, fragte ich noch, bevor ich ging.

Die Frau lachte erneut ihr umwerfendes Lachen. »Das sind nur alte Geschichten, die man sich hier in der Gegend erzählt. Kein Grund sich Sorgen zu machen.«

Erleichtert lächelte ich ebenfalls, obwohl ich die Worte der älteren Dame nicht wirklich ernst genommen hatte. Ich bedankte mich noch einmal und machte mich dann auf den Weg zum Hotel.

Ich ging die Straße weiter, wie mir gesagt wurde. Jedoch hatte ich das Gefühl verfolgt zu werden. Doch immer, wenn ich mich umdrehte, sah ich nur die wenigen Passanten auf der Straße, die sich normal verhielten. Aber irgendetwas bewegte sich im Schatten und folgte mir. Das spürte ich.

Der Brunnen tauchte neben mir auf und ich bog nach rechts. Vor Staunen blieb mir der Mund offen stehen. Vor mir erhob sich das prachtvolle Hotel, in dem ich für zwei Wochen unterkommen würde. Hatte im Internet nicht gestanden, dass das Hotel vier Sterne besaß? Für mich sah es so aus, als würde es mindestens fünf Sterne, wenn nicht sogar mehr, besitzen. Es sah aus wie ein einfaches Herrenhaus, ja, aber die zahlreichen Verzierungen, die prunkvollen Balkone, die Statuen am Eingang und vor allem die Größe ließen das Hotel noch prachtvoller erscheinen, als es eh schon war. Staunend stellte ich meinen Rucksack ab und bemerkte, dass sein Gewicht auf meinen Rücken geschlagen hatte. Ich spürte ein leichtes Ziehen, aber das würde wieder weggehen. Spätestens wenn ich in meinem gemütlichen Bett in diesem wundervollen Hotel lag. Ich sah mich um. Hier ließ es sich für zwei Wochen bestimmt schön leben.

Wenn der Mond erwacht (Tanz der Vampire) IN ÜBERARBEITUNGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt