»Jetzt bin ich wohl der einzige Mensch hier«, versuchte Herr Mayer die Situation aufzulockern.
Aedans Gesichtsausdruck nach zu urteilen war sein Versuch gründlich schiefgelaufen. Der einzige der mitspielte, war der Graf.
»Das können wir hier und jetzt ändern«, sagte er, machte aber keine Anstalten sich zu bewegen.
»Nein, nein«, winkte der Hotelbesitzer schnell ab. »Das ist schon gut so.«
»Gut, denn ich kann keinen einzigen Tropfen Blut mehr sehen. Ich bin endlich einmal satt.«
»Warum dann unbedingt noch Melody?«, fragte Aedan aufgebracht.
»Sie war sozusagen das Dessert. Das passt doch immer noch irgendwo rein. Wer kennt das nicht.« Der Graf drehte sich zu mir und nahm meine Hand. »Mir war trotzdem nicht bewusst, dass du es bist, dass kann ich euch versichern.«
»Ach, halt doch den Mund«, zischte Aedan. »Du hast es doch von Anfang an so gewollt.«
»Aber nur, weil das Blut von Jugendlichen Menschen besonders gut schmeckt und in den Katakomben haben wir nichts. Ich bin hier nicht der Böse. Das war ich nie, Aedan. Sieh es ein.«
»Das kannst du vergessen.« Aedans Augen waren zu zwei Schlitzen zusammengezogen. »Vampire sind abscheuliche Kreaturen.«
»Warum wolltest du dann nicht das Heilmittel nehmen? Dann hättest du sterben können«, mischte ich mich nun auch ein.
Der Graf schlug einen beschwichtigenden Tonfall ein. »Hör zu. Können wir uns nicht darauf einigen, dass Menschen und Vampire friedlich nebeneinander leben?«
»Darum geht es doch gar nicht.« Aedan verschränkte trotzig die Arme.
»Worum geht es dann?«, wollte der Graf wissen.
»Es geht mir darum, dass Sophie dich nach all der Zeit noch immer liebt. Ich scheine damals nur der Trostpreis gewesen zu sein. Und das bin ich bis heute.«
In diesem Moment rannte Sophie uns entgegen. »Melody, geht es dir gut?«
Ich lächelte ihr zu. »Ja, besser kann es mir gar nicht gehen. Warum habt ihr mir nicht gesagt, dass es toll ist ein Vampir zu sein?«
»Warte nur, bis deine ganze Familie tot ist«, brummte Aedan.
Sophie sah ihn ermahnend an. »Ein Vampir zu sein hat seine Vorteile und Nachteile, genauso ist es auch bei den Menschen, bei den Tieren und auch bei den Pflanzen. Wir können deine Verwandlung nicht mehr rückgängig machen und wer weiß, vielleicht ist es auch so bestimmt, dass du mit mir und Aedan weiterziehst. Du willst doch jetzt bestimmt erstmal nach Hause, oder?«
»Ja, schon sehr gerne.« Ich erinnerte mich an mein gemütliches Zuhause, wo meine Mutter bestimmt schon sehnsüchtig erwartete. Obwohl sie erst in einer Woche mit mir rechnete. Mein Besuch im Örtchen Bran war kürzer ausgefallen, als geplant. Dafür hatte ich die Wahrheit über Urgroßvaters Tagebuch herausgefunden, ich hatte großartige Menschen und Vampire kennengelernt und ich hatte ein Stück der Geschichte wieder lebendig werden lassen. Ich konnte schon stolz auf mich sein. Dass ich ein Vampir war, musste ich ja niemandem verraten.
»Dann brauchen wir vor Tagesanbruch ein Immunitätsmittel für dich«, erinnerte Sophie.
Stimmt. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. »Aber Vicky ist weg.«
Der Graf wandte sich mir zu. »Ich habe noch ein Reservemittel übrig.« Der Graf griff in seine Hosentasche, zog ein Fläschchen mit dem Mittel heraus und übergab es mir. Es war an einer Kette festgebunden, damit man es sich direkt um den Hals binden konnte und so vor den schädlichen Sonnenstrahlen geschützt war.
»Das brauchst du wirklich nicht für mich tun.«
»Doch, ich bin es dir schuldig, Melody.« Der mächtige Vampir lächelte leicht. Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben als Vampir.
Ich nahm das Fläschchen dankend an und zog die Kette über meinen Kopf. Sobald das Fläschchen meine Haut berührte, prickelte es an dieser Stelle angenehm.
»Ich sollte jetzt gehen«, sagte der Graf, löste seine Augen von mir und drehte sich um.
Ich ging ihm nach. »Willst du nicht mit uns mitkommen?«
Hinter mir hörte ich Aedan scharf einatmen.
»Nein«, war die Antwort. »Ich kann meine Familie nicht im Stich lassen.«
Das verstand ich nur zu gut. Also nickte ich und ließ den Grafen ziehen. Er schnipste mit dem Finger und sofort folgten ihm seine Anhänger. Zu schnell verschwanden sie im Nebel und in der Dunkelheit. Traurig, aber irgendwie auch froh drehte ich mich wieder zu Aedan, Sophie und dem Hotelbesitzer.
»Ich glaube die Feier ist vorbei«, sagte Herr Mayer. »Ich werden mich morgen darum kümmern, dass alles erklärt wird und die Stände aufgeräumt werden. Jetzt möchte ich erstmal ins Bett. Da Melody schon ausgecheckt hat, schenke ich euch dreien für die Nacht ein Hotelzimmer.«
Ich war noch gar nicht müder. Eher das Gegenteil.
»Danke, wir brauchen zwar keinen Schlaf, aber wir nehmen das Angebot gerne an«, sagte Sophie, als ob sie meine Gedanken gelesen hätte.
»Dann sehen wir uns morgen früh. Vielleicht zum Frühstück.« Mit diesen Worten verabschiedete sich Herr Mayer und ging zurück zum Hotel.
Ich blieb schweigend neben Aedan und Sophie stehen. Ich war nun tatsächlich eine von ihnen. Die Annahme, dass ich bei meiner Ankunft gedacht habe Vampire wären totaler Blödsinne, hatte sich ins Gegenteil verkehrt.
»Jetzt ist der Graf weg«, sagte Sophie leise. »Verzeihst du mir?«
»Ich weiß es noch nicht«, sagte Aedan.
»Verstehst du mich denn wenigstens?«
Der Vampir zuckte mit den Schultern. »Das wird sich mit der Zeit zeigen.« Nach einer kurzen Pause redete er weiter. »Warum läuft es immer wieder darauf hinaus, dass wir in der Ewigkeit gefangen bleiben?«
»Es ist nun mal so«, erklärte Sophie uns setzte sich in Bewegung. Wir folgten ihr zum Eingang des Hotels. »Wir sind Vampire und die laden immer wieder zum Tanz.«
17. Januar 1854:
Ich vermute mal, dass es der nächste Tag ist. Es wird langsam wieder hell am Horizont. Also, ich fasse zusammen.
„Wir sind entkommen, mein Verstand hat triumphiert und die Menschheit vorm Verderben bewahrt. Die Königsberger werden gelb sein vor Neid, wenn man mir nun den Nobelpreis verleiht. Durch meine Forschung hab' ich den Beweis erbracht: Es gibt Lebendtote. Hier jedenfalls. Sie verlassen die Särge bei Nacht und saugen Lebenden das Blut aus dem Hals. Zum Glück kann uns're Vernunft sie überwinden! Wir sind sicher dank Geist und Wissenschaft! Unsere Ziele sind klar, uns're Methoden bewährt. Wir sind praktisch und aufgeklärt. Der Fortschritt ist unaufhaltsam! Die Welt ist nicht mehr was sie war!1"
Triumph! Jetzt werde ich mit Aedan und Sophie nach Königsberg zurückkehren und von meinem Erfolg berichten. Es fängt wieder an zu schneien. Ich sehe kaum noch was. Aedan und Sophie sind nicht mehr da! Ich kann sie nicht mehr sehen! Was mach ich jetzt nur? Ich muss sie finden, ich muss zurückkehren, nach Hause!
1 Zitat von Professor Abronsius, Tanz der Vampire (Finale 2. Akt), geschrieben von Michael Kunze, komponiert von Jim Steinmann, basierend auf dem Film Tanz der Vampire von Roman Polanzki.
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Wenn der Mond erwacht (Tanz der Vampire) IN ÜBERARBEITUNG
Fanfiction"Vampire?", fragte Melody. "Das ich nicht lache. Die sind doch bloß eine Erfindung meines Ururgroßvaters in seinen Geschichten. Er war Wissenschaftler. Von seiner letzten Mission kam er völlig verstört zurück und verbrachte den Rest seines Lebens in...