11. Kapitel

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»Was macht ihr hier?«, fragte ich entsetzt. »Wieso seid ihr überhaupt hier?« Dann wurde es mit bewusst. Das, was ich Aedan im Restaurant aus Spaß an den Kopf geworfen hatte stimmte tatsächlich. »Ich wusste es. Ihr seid elende Spanner. Warum hast du es nicht gleich zugegeben, Aedan!? Bestimmt habt ihr vor mich auszurauben. Schämt euch mich einfach so hier zu überfallen, wo mir niemand helfen kann!« Bedrohlich ging ich einige Schritte auf Sophie zu, die ängstlich zurückwich. Aedan stellte sich schützend vor sie.

»Vielleicht solltest du dich erst mal beruhigen.«

»Nein! Ich beruhige mich nicht. Wenn ihr mich in irgendeiner Weise angreift, dann schreie ich so laut, dass niemand es überhören kann.«

»Wir haben nicht vor dich anzugreifen. Im Gegenteil. Wir haben vor dich zu schützen«, sagte Aedan mit einer ruhigen Stimme.

Verwirrt sah ich ihn an, »Schützen? Wovor?« und wurde wieder wütend. »Ich brauche niemanden, der mich beschützt. Dich erst recht nicht. Ich bin eine eigenständige Person.«

Aedan fing an zu kichern. Er versuchte es mit seiner Hand zu verbergen, doch ich bemerkte es trotzdem.

»Was lachst du so blöd?«, fragte ich.

»Meine Güte, Melody. Du bist ja noch schlimmer, als Sophie es vor vielen Jahren war.« Der junge Mann drehte sich wieder zu seiner Freundin und lächelte sie an. »Ich weiß noch genau, dass du damals nicht von deinem Vorhaben abzubringen warst. Du wolltest unbedingt zu...«

»Es interessiert mich nicht, was mit Sophie war«, unterbrach ich Aedan. »Kann mir mal bitte jemand erklären, was hier los ist?«

Sophie trat neben Aedan und ergriff nun das Wort. »Melody. Du solltest jetzt zurück zum Hotel gehen. Die Sonne geht bald unter«

War ich wirklich schon so lange unterwegs gewesen?

»Und in der Dunkelheit kommen die Wölfe raus. Besonders in dichten Wäldern wie diesen«, fuhr Sophie fort.

»Wölfe?«, fragte ich unsicher. »Dass es hier Wölfe geben soll glaube ich genauso wenig wie die Geschichten von den Vampiren.«

Aedan und Sophie wechselten Blicke, die ich nicht interpretieren konnte.

»Aber vielleicht hast du recht, Sophie. Vielleicht sollte ich besser zurück zum Hotel gehen.« Entschlossen wendete ich mich von den beiden ab und wollte loslaufen, doch ich hatte keine Ahnung mehr aus welcher Richtung ich gekommen war. Ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass ich mich verirrt hatte, doch alleine würde ich den Weg zurück bestimmt nicht mehr finden. »Ähm...«, fing ich an und drehte mich wieder zu Aedan und Sophie. »Wisst ihr den Weg zurück?«

Ich erntete schmunzelnde Blicke, mit denen ich irgendwie schon gerechnet hatte. Dann kamen Aedan und Sophie auf mich zu und liefen voraus. Es hätte nur noch gefehlt, dass jeder von ihnen einer meiner Hände genommen hätte. Wir liefen eine Weile schweigend. Ich traute mich nicht irgendetwas zu sagen. Ich fühlte mich schon genug gedemütigt.

»Es war keine gute Idee alleine in den Wald zu gehen«, sagte Aedan.

»Ich war ja nicht die ganze Zeit allein. Zu Beginn hat mich Herr Mayer begleitet«, informierte ich ihn und er sah seine Freundin an, woraufhin Sophie das Wort ergriff.

»Du solltest es aufgeben die Ruine finden zu wollen.«

»Was?«, fragte ich überrascht. »Woher weißt du, dass ich die Ruine ...« Dann fiel es mir wieder ein. Ich hatte ja Aedan von meinem Vorhaben berichtet. »Warum soll ich die Ruine nicht suchen?«

Schon wieder wechselten Aedan und Sophie diese merkwürdigen Blicke, die ich einfach nicht deuten konnte. Sie schienen telepathisch kommunizieren zu können, denn nun sprach Aedan wieder.

»Den Berg, auf dem sie zu finden ist, zu erklimmen ist einfach zu gefährlich. Wir wollen dich nur vor dem größten Fehler deines Lebens bewahren.«

»Ihr klingt wie zwei besorgte Eltern«, sagte ich immer noch skeptisch. »Warum wollt ihr mich beschützen? Was meint ihr damit?«

Aedan schüttelte den Kopf. »Du würdest uns eh nicht glauben und wieder so reagieren wie eben. Belassen wir es einfach dabei, dass es einfach zu gefährlich ist.«

»Gefahr, Gefahr«, ahmte ich Aedan nach. »Ihr redet immer nur von Gefahr. Wie soll ich wissen, dass etwas gefährlich ist, wenn ich nicht weiß, worin die Gefahr besteht?«

»Du musst die Stadt verlassen!« Sophie blieb so plötzlich stehen, dass ich beinahe in sie hineingelaufen wäre. Sie hielt mich an den Schultern fest und übte einen schmerzhaften Druck aus. Wie konnte eine Frau so eine Kraft haben? Schmerzhaft verzog ich mein Gesicht. »Sofort!«, flüsterte mir Sophie mit einem bedrohlichen Unterton zu.

»Wieso?« Ich verstand die Welt nicht mehr. Was war bloß los mit den beiden?

Sophie sah nun verzweifelt zu Aedan, der ebenfalls stehen geblieben war, uns jedoch den Rücken zuwandte. »Wir müssen es ihr erzählen.«

»Was müsst ihr mir erzählen?«, fragte ich verwirrt.

Aedan schüttelte den Kopf. »Ich halte das für keine gute Idee.«

»Wie lange soll sie denn noch in Unwissenheit leben? Wie oft soll sie sich in Gefahr begeben, nur damit wir sie am Ende retten? Sie muss es wissen. Wenn sie es weiß, dann handelt sie vielleicht vorsichtiger.«

»Würdet ihr mir mal bitte erklären, was los ist? Was soll ich wissen?« Meine Stimme rutschte vor Wut in die Höhe und ich fauchte die Worte fast.

Aedan drehte sich um und kam langsam auf mich zu. Ich glaubte in seinem Blick Mitleid erkennen zu können. Seine grünen Augen funkelten und ich wurde wie hypnotisch in ihren Bann gezogen. Die Farbe seiner Augen war viel intensiver, als bei anderen Menschen. Das war mir vorher gar nicht aufgefallen.

»Sie ist noch nicht bereit«, sagte Aedan mit einer bedrohlichen Stimme und ging immer näher auf mich zu. Erst als er dicht vor mir stand, wurde ich aus meinem kurzfristigen Bann gerissen. »Sie würde die Information nicht verkraften.« Die Stimme des jungen Mannes hörte sich nun wieder normal an.

»Wie lange willst du noch warten?«, fragte Sophie und zog Aedan von mir weg. »Und hör auf dich so anzustellen. Du machst ihr Angst.«

»Also«, begann ich, »ich weiß ja nicht, was ihr vorhabt, ob ihr euer Gespräch bis in alle Ewigkeit fortsetzen wollt, aber ich gehe jetzt zurück zum Hotel. Es ist schon spät und den Weg kenne ich ab hier wieder.« Wir befanden uns schon seit einiger Zeit wieder auf dem Feldweg, der zum Wald führte und in der Ferne war die Stadt mit dem Hotel zu sehen. Ich setzte mich in Bewegung.

»Warte!«, rief Aedan und holte mich mit Sophie ein. »Sophie hat vielleicht Recht. Lieber früher als später. Melody. Dein Urgroßvater erzählte die Wahrheit. Vampire gibt es wirklich.«

»Ach, ja?«, ich stieß ein hysterisches Lachen aus. »Und woher wisst ihr das?«

»Wir sind ebenfalls Vampire«, sagte Sophie sanft.

Wenn der Mond erwacht (Tanz der Vampire) IN ÜBERARBEITUNGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt