Ich war nicht lange bewusstlos, denn als ich wieder zu mir kam, lag ich noch immer in Aedans Armen, der mich aufgefangen hatte. Mit einem Schlag wurde mir wieder klar, was soeben geschehen war. Ängstlich wich ich zurück und schob Aedan gleichzeitig von mir. Ich sprintete zu meinem Bett, so als könnte es mich vor den beiden Kreaturen der Nacht beschützen, und streckte meine Arme zur Abwehr nach vorne aus. Doch als ich mir Aedan und Sophie genauer ansah, bemerkte ich, dass beide wieder ganz normal aussahen. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen.
»Es ist also alles wahr?«, fragte ich seufzend.
»Ich befürchte schon«, sagte Aedan. »Uns gefällt das auch manchmal nicht so gut, aber wir mussten uns mit der Tatsache abfinden.«
»Ich nehme an ihr steht nicht so aufs Aufschlitzen und Aussaugen, sonst wär ich schon längst zerstückelt«, vermutete ich.
Aedan und Sophie nickten schüchtern. Aus irgendeinem Grund taten mir die beiden leid. Sie waren verdammt dazu ihr Leben bis in alle Ewigkeit fortzusetzten. Während Verwandte, Freunde und Familie alterten, blieben sie jung und mussten mit jeglicher Art von Verlust umgehen.
»Und wie ernährt ihr euch dann? Ihr braucht doch ... Blut, oder?« Die ganze Situation kam mir immer noch irreal vor und das Wort auszusprechen verbesserte sie nicht.
»Ja das mit dem Blut ist so eine Sache«, murmelte Sophie. »Da heutzutage wirklich niemand mehr an Vampire glaubt, müssen wir uns verstecken beziehungsweise tarnen. Wir können in der Öffentlichkeit nicht einfach fremde Menschen aussaugen. Über Jahre hinweg hat sich bei uns eine Art Resistenz gegen Hunger entwickelt. Wir können einen längeren Zeitraum ohne Blut auskommen. Wenn wir welches brauchen, greifen wir auf Blutspenden zurück oder uns selbst. Ganz selten auch auf Tier Blut.«
»Moment, Moment«, unterbrach ich Sophie. Aus Instinkt heraus klopfte ich auf mein Bett und bedeutete den beiden sich neben mich zu setzen. »Ihr greift auf euch selbst zurück?«, fragte ich die beiden, als sie sich auf mein Bett setzten. »Geht das?«
»Natürlich geht das«, sagte Aedan und schmunzelte über mein kindisches Unwissen. »Wir haben schließlich Blut in uns, nur irgendwann sind wir blutleer und benötigen wieder etwas von externen Quellen.«
Ich nickte. Tatsächlich verstand ich, was mir gerade erklärt wurde, aber ich hatte noch so viele andere Fragen, die ich sorgfältig sortieren musste, da sie sonst alle auf einmal aus mir heraussprudeln würden. »Und wie könnt ihr bei Tag draußen sein? Oder ist das bloß ein Mythos mit dem "zu-Staub-werden"? Ich meine mich erinnern zu können, dass mein Urgroßvater davon geschrieben hat.« Ich dachte über die geschriebenen Worte meines Urgroßvaters nach. »"Ich bin ein Nachtvogel. Bei Tag nicht zu gebrauchen", hat der Obervampir gesagt.« Einen Moment lang hielt ich inne. »Gibt es ihn also auch? Wolltet ihr mich vor ihm beschützen? Ich dachte mein Urgroßvater und sein Assistent konnten ihn aufhalten. Und...«
»Erstmal halblang«, unterbrach mich Aedan. »Ja, den Grafen gibt es wirklich und er ist gefährlich. Er schreckt vor nichts zurück. Er bekommt immer genau das, was er will.«
»Die uralte Legende, dass wir zu Staub zerfallen, wenn wir mit Tageslicht in Berührung kommen stimmt tatsächlich. Aber wir haben zum Glück diese hier.« Sophie zeigte auf ihr Amulett, das nicht mehr auf meinem Schreibtisch lag, sondern wieder um ihren Hals hing. »Aedan hat eine kleine Anstecknadel. Beide Gegenstände sind gefüllt mit einer Substanz, die uns immun gegen die Sonne macht. Ziemlich praktisch.«
Ich nickte überfordert. Nun sah ich das Tagebuch meines Urgroßvaters mit einem ganz anderen Blick. Es lag noch immer offen auf meiner Couch. Das Bild meines Urgroßvaters war zu Boden gesegelt. Dann kam mir ein weiterer Gedanke in den Kopf. Ein ziemlich schockierender sogar. »Woher kennt ihr eigentlich meinen Großvater?«
»Wir waren in der Stadt, als dein Großvater hier ankam«, erklärte mir Aedan.
Ich sah beide mit großen Augen an. »Wenn ihr damals da gewesen seid, dann ist es ja gut möglich, dass«, ich sah zu Sophie, »du tatsächlich die Tochter des Wirtes Charles bist.«
Sophie nickte schüchtern. »Das stimmt tatsächlich.«
»Ich wusste, dass ich mir das alles nicht eingebildet habe. Und warum seid ihr noch hier? Ihr könnt mir nicht erzählen, dass ihr nur hier seid, um auf mich aufzupassen.«
»Einerseits ist da der Graf, ja, aber andererseits ist da noch eine Sache, die wir nur hier bekommen«, sagte Sophie.
»Und das wäre?«, fragte ich.
»Wir sind auf der Suche nach einem Heilmittel«, fuhr Aedan fort, »und den Kontakt zu der Möglichkeit findet man angeblich nur hier.«
»Sophie«, begann ich, »ich weiß, wie du zum Vampir geworden bist, wenn mein Urgroßvater die Wahrheit geschrieben hat.«
Sophie nickte.
»Aber wie bist du zum Vampir geworden?«, fragte ich Aedan.
»Ich war von Anfang an ein Anhänger des Clans. Der Graf verwandelte mich früh.«
Für einen kurzen Augenblick sah Sophie verwirrt aus. Jedoch war dieser Augenblick so kurz, dass ich ihn mir auch eingebildet haben konnte.
Jedenfalls sprach Aedan weiter. »Bis Sophie austauchte sah ich keinen Sinn in meinem Leben als Vampir.«
»Also ist der Graf nicht vernichtet worden?«, fragte ich. »Schätzchen«, sagte Sophie lächelnd. »Das ist der Vorteil von Vampiren. Sie sind unsterblich.«
Ich nickte verständnisvoll, fuhr jedoch mit meinen Fragen fort. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass der neue Tag kurz bevor stand. »Ihr habt gesagt, dass der Graf das bekommt, was er will. Was will er denn?«
»So wie es aussieht will er dich. Du bist jung und voller frischem Blut«, sagte Aedan. »Wir lassen nicht zu, dass du denselben Fehler begehst und dich verführen lässt, wie Sophie. Als wir bemerkten, dass Kahil in der Stadt ist wurden wir aufmerksam.«
»Und ihr seid sicher, dass der Graf hier ist?«
Aedan und Sophie nickten.
»Da wo Kahil ist, ist auch immer der Graf. Scheinbar hat er seinen Diener ebenfalls in einen Vampir verwandelt«, sagte Aedan feindlich.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte ich.
»Du kannst dich jetzt erst mal ein bisschen ausruhen und schlafen«, antwortete Aedan.
»Wir passen auf, dass dir nichts passiert. Und am besten ist es, wenn du so schnell wie möglich aus der Stadt verschwindest. Ich weiß, wovon ich spreche«, sagte Sophie.
Ich nickte. »Vielleicht ist das die beste Idee.«
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Wenn der Mond erwacht (Tanz der Vampire) IN ÜBERARBEITUNG
Fanfiction"Vampire?", fragte Melody. "Das ich nicht lache. Die sind doch bloß eine Erfindung meines Ururgroßvaters in seinen Geschichten. Er war Wissenschaftler. Von seiner letzten Mission kam er völlig verstört zurück und verbrachte den Rest seines Lebens in...