17. Kapitel

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»So eine Scheiße«, rief Sophie und schüttelte Aedan, der immer noch ohnmächtig auf dem Boden vor dem Hotel lag. »Sie ist weg, Aedan. Sie ist weg! Er hat sie mitgenommen.« Sophie richtete sich auf und lief panisch hin und her. »Das darf nicht wahr sein. Das Schicksal wiederholt sich.«

»Wie war ihm das bloß möglich? Wie konnte er uns so manipulieren, dass wir ohnmächtig werden?«, fragte Aedan stöhnend, der langsam wieder zu sich kam und sich vom Boden aufrappelte.

»Ich habe keine Ahnung«, sagte Sophie. »Tatsache ist, dass Melody jetzt weg ist und wenn sie in die Händen des Grafens gelangt ist, dann ist sie für immer verloren.« Erschöpft setzte sie sich auf die Bank am Brunnen.

Aedan schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Sie ist nicht verloren. Wir werden verhindern, dass der Graf auch noch sie verwandelt.«

»Und wie?«, fragte Sophie.

Aedan setzte sich zu seiner Freundin auf die Bank und schmunzelte. »Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, in dem wir nicht mehr verleugnen können, dass wir möglicherweise ein wenig Hilfe brauchen.«

»Und an welche Hilfe dachtest du?«, wollte Sophie wissen.

»Wie wäre es denn mit mir? Ich würde mich freiwillig dazu bereitstellen euch zu helfen.«

Sophie drehte sich erschrocken um. Auf dem Platz vor dem Hotel war eine Frau erschienen. Sie trug ein langes, über den Boden schleifendes Kleid, über das mehrere orientalische Tücher gebunden worden waren. Außerdem trug sie ein rotes Tuch um ihre Haare gebunden.

»Wer ist das?«, flüsterte Sophie und sah Aedan fragend an.

»Darf ich vorstellen«, sagte Aedan ein wenig irritiert. »Das ist Vicky. Kannst du dich etwa nicht mehr an sie erinnern, Sophie?«

»Sollte ich?«

»Sie war es, die die Substanz für dein Amulett und meine Anstecknadel hergestellt hat und uns somit zur Immunität gegen Sonne verholfen hat. Ich habe dir doch von ihr erzählt.«

»Wirklich?«, fragte Sophie überrascht und stand auf. »Das ist ja schon Ewigkeiten her. Aber Aedan hat Recht. Er hat mir von dir erzählt.« Sophie ging zu der Frau namens Vicky und schüttelte begeistert ihre Hand. »Was führt dich hierher?«

»Oh, ich lebe schon seit einiger Zeit hier in der Gegend.«

»Wie schön.« Sophie konnte nicht sagen wieso, aber sie fand Vicky auf Anhieb sympatisch. »Aedan? Hast du Vicky kontaktiert, oder warum ist sie hier?«

Vicky schüttelte den Kopf und antwortete für Sophies Freund. »Nein. Aedan hat mich nicht kontaktiert. Er ist selbst ganz überrascht, habe ich Recht?«

Der Vampir nickte verwirrt.

»Ja, ja. Das habe ich mir schon gedacht«, fuhr Vicky fort. »Ich bin alleine hierhingekommen. Ich habe Schwingungen in der Luft gespürt. Negative Schwingungen. Etwas ist passiert, richtig? Das kann ich an euren Auren sehen. Sie leuchten gefährlich rot. Das signalisiert Gefahr.«

Instinktiv griff sich Sophie an ihren Hals. Sie wollte ihr Amulett zur Hand nehmen. Das war eine Angewohnheit von ihr. Wann immer sie sich bedroht fühlte, gab ihr das wundervolle Schmuckstück ein wenig Sicherheit. Doch als sie diesmal danach greifen wollte, spürte sie nichts, als ihre kalte Haut. Das Amulett war nicht mehr da.

»Aedan.« Die Vampirin schnappte panisch nach Luft. »Mein Amulett ist weg.«

Aedan griff automatisch in seine Hosentasche. Auch seine Anstecknadel befand sich nicht mehr an der üblichen Stelle. Sie war ihm ebenfalls entwendet worden. Geschockt sah er seine Freundin an.

»Dieser Dreckskerl«, schimpfte Sophie. »Wenn ich den in die Finger bekomme.«

»Das ist bestimmt auch Teil seines Plans«, sagte Aedan wütend. »Was hat er bloß vor?«

Sophie wandte sich zu ihrem Freund. »So wie wir ihn kennen, strebt er bestimmt etwas Großes an.«

»Er sprach von der Auserwählten. Was bedeutet das?«

»Ich weiß es nicht«, seufzte Sophie. »Aber wir haben momentan schlimmere Probleme, findest du nicht auch? Wie sollen wir ohne das Mittel, das uns zur Immunität verhilft, klarkommen beziehungsweise überleben?«

»Und hier komme ich ins Spiel. Ich habe die Substanz immer vorrätig. Für den Fall, dass nochmal jemand meine Hilfe benötigt. Ich erinnere mich noch ganz genau an die damalige Situation. Das Mittel war eine Testsubstanz und ich war mir zu dem damaligen Zeitpunkt nicht sicher, ob es überhaupt funktionieren würde. Aber ihr wolltet so schnell wie möglich von hier verschwinden. Ihr wolltet die Flucht ergreifen. Tag und Nacht. Also wart ihr sozusagen meine ersten Testpersonen.«

»Davon hast du uns nie etwas erzählt«, stellte Aedan fest. »Ist dir klar, was alles hätte schief gehen können?«

»Es ist doch aber nichts passiert, richtig? Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass das Mittel funktionieren würde. Zu mindestens zu neunzig Prozent.«

Sophie schüttelte den Kopf. »Das ist doch jetzt unwichtig. Habt ihr vergessen, dass der Graf Melody entführt hat und drauf und dran ist sie auch noch in einen Vampir zu verwandeln und mit sich in die Dunkelheit zu reißen?«, fragte sie.

Aedan wurde hektisch. »Wir müssen unbedingt zur Ruine. Er hält sie bestimmt in den Katakomben gefangen.«

»Macht euch schon mal auf den Weg«, schlug Vicky vor. »Ich komme nach. Ihr seid sowieso schneller als ich und jetzt sollte möglichst keine Sekunde verschwendet werden.«

Aedan und Sophie stimmten zu. Dann liefen sie in Höchstgeschwindigkeit los, um Melody aus den Fängen des Grafen zu befreien. Vicky sah ihnen nach und lächelte. Sie war sich sicher, dass die beiden Vampire genauso viel Macht besaßen, wie der Graf persönlich, wenn sie sich doch nur einmal gegenseitig vertrauen und zusammen arbeiten würden. Vicky kannte den innerlichsten Wunsch der beiden und diesen würde sie ihnen erfüllen, sobald Melody, die unschuldige junge Frau, gerettet und der Graf, der schon so viel Unheil angerichtet hatte, ein für alle Male beseitigt war. Vicky seufzte. Das konnte ein langes Unterfangen werden.

Wenn der Mond erwacht (Tanz der Vampire) IN ÜBERARBEITUNGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt