Es dauerte eine geschlagene Ewigkeit, bis die Sonne endlich wieder unterging. Doch dann wurden die Buden auf dem Platz vor dem Hotel geöffnet und die Scheinwerfer wurden eingeschaltet. Sie beleuchteten den Schauplatz in einem ständig wechselnden Farbenspiel. Herr Mayer hatte uns nach draußen geholt, sobald die ersten Gäste eintrafen. Aedan und Sophie hatten die Zeit genutzt, um sich herzurichten. Sie sahen nun fast genauso menschlich aus wie ich, damit sie in der Menge nicht unnötig herausstachen und Aufmerksamkeit erregten. Ihre Brandwunden waren auch zum größten Teil wieder verheilt, so wie Aedan es vorhergesagt hatte.
Aedan, Sophie und ich traten auf den Platz hinaus. Herr Mayer wuselte schon wieder hektisch zwischen den ganzen Buden umher, denn minütlich erschienen immer mehr Gäste. Die ersten Stadtrundführungen und Kutschfahrten begannen. Auf der Bühne wurden die Instrumente für eine kleine Band aufgebaut, die ab zwanzig Uhr ihr Programm spielen würde.
»Hier ist ja schon ganz schön viel los. Für so ein kleines Städtchen«, stellte Aedan fest.
»Ein Städtchen mit viel Geschichte«, ergänze ich.
In dem Moment wuselte der Hotelbesitzer zu uns. »Ihr könnt euch gerne etwas vom Hotelbuffet nehmen. Das findet ihr im Restaurant. Nur für Gäste des Hotels am ersten Platz.«
Ich nickte lächelnd, dann war er auch schon wieder weg.
»Hey, schaut mal«, rief Sophie. »Da kommt eine der Kutschen wieder. Habt ihr Lust eine kurze Kutschfahrt zu machen? Essen können wir auch später noch. Beziehungsweise du, Melody.«
Ich grinste und lief freudig zu der altmodischen Pferdekutsche, die gerade zum Stehen kam. Aedan und Sophie folgten mir. Doch als ich mich zu ihnen umdrehte, bemerkte ich, dass Sophie stocksteif stehen geblieben war. Wortwörtlich mitten in der Bewegung war sie innegehalten und ihr Mund stand weit offen, so als hätte sie gerade ein Gespenst gesehen. Dabei dachte ich, dass Vampire vor nichts Angst hatten.
»Ist alles gut bei dir?« Ich ging die paar Schritte zurück zu den Vampiren. Auch Aedan sah irritiert nach vorne zur Kutsche. Dann sah auch ich, was die beiden sahen. Das konnte doch wirklich nicht wahr sein. Aus der Kutsche stiegen gerade zwei lachende Personen und eine davon war kein anderer als der ursprüngliche Wirt des Hotels am ersten Platz, Charles. Sophies Vater.
»Papa«, flüsterte Sophie, dann sah sie zu Aedan. »Wusstest du, dass die beiden hier sind?«
Die andere Person, die neben Charles aus der Kutsche gestiegen war, erkannte ich als die ehemalige Magd des Hotels wieder. Die beiden waren dann wohl auch Vampire. Aber warum waren sie ausgerechnet heute hier?
»Nein, was denkst du denn von mir?«, beantwortete Aedan Sophies Frage. »Ich weiß auch nicht, warum die beiden hier sind.«
»Die beiden? Das heißt sie sind zusammen?« Sophie stiegen Tränen in die Augen.
Aedan schluckte. »Schon bevor du zum Schloss gegangen bist.«
Sophies Mundwinkel begannen zu zucken.
»Du warst erst siebzehn. Du hättest es nicht verstanden«, versuchte Aedan seine Freundin zu beruhigen, die auf ihren Vater zustürmen wollte. Nicht voller Freude, sondern voller Wut. »Halt du sie zurück, Melody. Ich werde mit Charles reden«, sagte der Vampir zu mir.
Obwohl Charles einige Meter entfernt stand, konnte man das Gespräch mitanhören, dass Aedan mit ihm führte.
»Was hast du dir nur gedacht nach all den Jahren plötzlich hier aufzutauchen?«, bombardierte Aedan den älteren Vampir.
Charles weitete überrascht die Augen und lächelte dann freundlich. »Junge, was machst du denn hier?«
»Ich bin mit deiner Tochter hier. Ich habe versucht sie im Schloss zu retten. Aber es war schon zu spät. Sie hat mich ebenfalls in eins dieser Biester verwandelt.«
»Was willst du mir damit sagen? Du bist jetzt auch ein Vampir, na und? Was ist dabei? Jeder saugt jeden aus. Das ist das Gesetz dieser Zeit.«, fragte Charles.
»Deine Tochter hat es bei dir Zuhause nicht mehr ausgehalten. Ihr habt sie in ihr Zimmer eingesperrt. So stellt sich eine junge Frau gewiss nicht ihr Leben vor.«
Von Weitem erkannte ich, wie Aedan seine Hände zu Fäusten ballte. Er war wirklich kurz davor zu explodieren.
»Was hätte ich denn tun sollen?«, versuchte sich Charles zu erklären. »Sie war mein kleines Mädchen. Ich wollte nicht, dass sie so schnell erwachsen wird. Ich wollte doch nur mehr Zeit mit ihr verbringen. Ehrliche Vater Tochter Momente.«
»Und ihr dann aber dein kleines Techtelmechtel mit der Magd verheimlichen. Deine Frau war am Boden zerstört, als sie erfahren hat, dass es dich erwischt hat. Sie hat dich aufrichtig geliebt und du hast sie einfach verlassen. Bist zum Schloss gelaufen. Mit einer Magd, die du auch noch verwandelt und mit ins Unheil gezogen hast.«
»Jetzt beschwer dich nicht«, sagte Charles nun auch angespannter. »Ich habe dich und den Professor zum Schloss geführt. Sei mir dankbar.«
»Im Endeffekt hat das auch nichts gebracht. Wir waren zu spät. Deine Tochter ist für immer verflucht.«
Sophie sackte neben mir auf den Boden und schluchzte laut los.
Charles und Aedan eilten auf die Vampirin zu. Beide hoben sie hoch. Die Magd stand immer noch überrumpelt an der Kutsche. Dann tat Sophie etwas, womit ich nicht gerechnet hätte. Sie umarmte ihren Vater.
»Ich dachte, ich hätte dich schon lange verloren«, schluchzte sie.
Aedan stand verdattert neben den beiden. Scheinbar hatte auch er nicht damit gerechnet, was Sophie gerade tat.
»Nach allem, was er getan hat?«, fragte Aedan enttäuscht.
Sophie löste sich von Charles und sah ihrem Freund in die Augen. »Er ist immer noch mein Vater. Dagegen kann ich nichts machen.«
Aedan seufzte. »Du hast schon so viele Fehlentscheidungen getroffen.«
Sophie schüttelte aufgebracht den Kopf. »Ich glaube, dass ich meinem Vater verzeihe ist keine und langsam glaube ich auch, dass es kein Fehler war, dass ich den Grafen geküsst habe.«
Aedan atmete scharf ein und versuchte seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bekommen, was ihm nicht wirklich gelang. Er wollte gehen, was ich ihm nicht verübeln konnte, aber trotzdem hielt ich ihn auf. Ich hatte das Gefühl, dass noch nicht alles gesagt worden war. Ich ließ ihn jedoch nicht mehr in Richtung Sophie gehen. Ich hatte keine Ahnung, was er mit ihr anstellen würde, wenn er ihr gegenüberstand. Aedan wehrte sich nicht. Er sagte auch nichts. Er sah nur unglaublich enttäuscht zu seiner Freundin.
»Also, was macht ihr hier?« Sophie tat so, als ob nichts geschehen wäre.
»Ihr wisst es gar nicht, oder?«, fragte Charles.
Die Magd war mittlerweile neben ihn getreten und legte einen Arm um ihn.
»Was?«, wollte Sophie wissen.
»Wir haben eine Nachricht bekommen. Es wurde ein Heilmittel erstellt. Wir können endlich wieder menschlich werden, Wuschel-Schätzchen.«
Sophie starrte ihren Vater an.
Charles lachte. »Du glaubst mir nicht? Sieh dich doch nur um.«
Sophie drehte sich um und sah in die Menschenmenge. Ich tat es ihr gleich und tatsächlich wusste ich fast sofort, was der ehemalige Wirt meinte. Viele der Gäste verhielten sich anders. Es war nur eine Nuance, die sie von den anderen unterschied, aber für mich war es deutlich zu erkennen, dass bestimmt siebzig Prozent der anwesenden Gäste Vampire waren.
»Sie alle sind herbestellt worden. Sie alle wollen wieder menschlich sein. Sie wollen wieder leben.«
In dem Moment tauchte Vicky aus der Menge auf. Verärgert stapfte sie auf uns zu.
»Hatte ich euch nicht befohlen drinnen zu bleiben?«
»Damit wir nicht erfahren, dass du ein Heilmittel gefunden hast?«, fragte Aedan ebenso verärgert.
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Wenn der Mond erwacht (Tanz der Vampire) IN ÜBERARBEITUNG
Fanfiction"Vampire?", fragte Melody. "Das ich nicht lache. Die sind doch bloß eine Erfindung meines Ururgroßvaters in seinen Geschichten. Er war Wissenschaftler. Von seiner letzten Mission kam er völlig verstört zurück und verbrachte den Rest seines Lebens in...