2. Kapitel

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»Junge Frau. Kann ich Ihnen helfen?«

Neben mir tauchte ein Mann mit silbernem Haar auf. Während er mich ansprach, begutachtete er das Hotel und sah mich nicht an. Er war ziemlich blass, aber das schien in dieser Stadt zur Normalität zu gehören. Die Sonne ließ sich hier bestimmt nur selten blicken.

»Ihre Rückentrage sieht wirklich schwer aus. Ich kann sie für Sie tragen. Sie wollen doch ins Hotel, oder?«

Rückentrage?, fragte ich mich. Was für ein altmodischer Begriff und überhaupt bediente sich der Mann an einer seltsamen Ausdrucksweise. Aber er wollte wahrscheinlich nur ein Gentlemen sein und mir helfen und die Hilfe eines netten Mannes konnte ich schlecht abschlagen.

»Sie können gerne meinen Rucksack tragen, wenn es ihnen nichts ausmacht. Das Hotel ist wirklich schön, oder?«

Der Mann nickte eifrig. »Oh, ja. Das ist es.« Seine Stimme wurde tiefer. »Das war es auch schon damals.«

»Wie bitte?«, fragte ich verwirrt, ein wenig verstört von seinem plötzlichen Stimmwechsel.

»Das erste Hotel am Platz war auch damals schon schön, sagte ich. Wissen Sie, junge Dame, es ist schon seit vielen Generationen im Besitz. Auf dem Weg in die Eingangshalle finden Sie Bilder aus alten Zeiten. Die können Sie sich bei Gelegenheit ja mal anschauen.«

»Klar«, sagte ich freundlich.

»Dann wollen wir Sie mal in die gute Stube bringen«, sagte der Mann und griff nach meinem Rucksack.

»Warum reden Sie eigentlich so komisch?«, fragte ich. Eigentlich hatte ich diese Frage gar nicht stellen wollen, aber ich war einfach zu neugierig.

»Ich rede komisch?« Überrascht sah der Mann mich an und ich nickte. »Das merke ich selbst gar nicht. Das muss wohl daran liegen, dass ich abgeschottet vom Dorf in einer kleinen Hütte im Wald lebe. Ich komme nur hierher, wenn ich etwas brauche. Heute sind Sie mir zufälligerweise über den Weg gelaufen. Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ein wundervoller Augenschmaus sind?«

Geschmeichelt blickte ich zu Boden. »Ach, was«, sagte ich.

»Doch wirklich«, beharrte der Mann. »Wie heißen Sie eigentlich?«

»Mein Name ist Melody«, teilte ich ihm mit und er ließ meinen Rucksack vor Überraschung wieder auf den Boden fallen.

»Hey, Vorsicht!«, rief ich und nahm den Rucksack wieder an mich. »Da sind wertvolle Dinge drin.«

»Sie sind es wirklich«, flüsterte der Mann. »Er hat Recht. Natürlich habe ich ihm geglaubt, aber jetzt, wo Sie wirklich wahrhaftig vor mir stehen ...«

Ich sah den fremden Mann verwirrt an. »Entschuldigen Sie mich bitte, aber ich sollte jetzt wirklich ins Hotel gehen.« Ich nahm meinen Rucksack und setzte mich in Bewegung.

»Nein, nein«, rief der blasse Mann und zog mich samt meinem Rucksack zu sich zurück.

»Was fällt Ihnen eigentlich ein?«, schrie ich ihn empört über seine grobe Art an und versuchte mich loszureißen.

In dem Moment sah ich einen weiteren jungen Mann um die Ecke, auf uns zu rennen. Er war bei weitem nicht so blass, wie der Mann neben mir.

»Kahil!«, schrie er. »Lass bloß die Finger von ihr. Habt ihr nicht schon genug zerstört?«

Der Mann, der scheinbar Kahil hieß, ließ mich abrupt los und ich taumelte nach hinten.

»Aedan?!«, flüsterte Kahil ungläubig. »Was tust du denn hier?«

Wenn der Mond erwacht (Tanz der Vampire) IN ÜBERARBEITUNGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt