DREI

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Adam

Ein amerikanisches Nummernschild. Das war alles, was ich von ihrem Auto, welchem ich nun schon seit über einer halben Stunde durch die überfüllte Innenstadt folgte, erkannte. Das und die von der Sonne abgeschossene, rote Farbe des Pick-Ups.

Ihr penibel genaues Einhalten der Höchstgeschwindigkeit, ließ mich darauf schließen, dass sie

Fahranfängerin war und brachte mich fast zur Weißglut. Wie gerne hätte ich die Scheinwerfer meines Porsches aufleuchten lassen, um das Mädchen, welches ich heute vor dem Café getroffen hatte, im halsbrecherischen Tempo zu überholen. Aber ich musste mich gedulden, wenn ich erfahren wollte, wer meine nächste Patientin war.

Also fuhr ich weiterhin zähneknirschend und im Schneckentempo kriechend hinter ihr her. Geduld war wirklich nicht meine Stärke und ich schwor mir, sie auch dann umzubringen, wenn sie nicht die richtige war. Alleine wegen ihrer Fahrweise.

Ich erinnerte mich an unser erstes Treffen zurück. Ihre braungrünen Augen, aus welchen sie mich wütend angefunkelt und ihr hübscher Kussmund, der vor Erstaunen offen gestanden hatte. Was dieser wohl in meinem Keller für Laute von sich geben würde?

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich beinahe die Einfahrt verpasst hätte, in welche das Mädchen abbog. Schnell parkte ich meinen schwarzen Porsche hinter einer Roteiche, die am Straßenrand bereits weit über die zweistöckigen Häuser der Allee wuchs. Ich beobachtete meine Patientin, wie sie die weiße Papiertüte mit dem Eulen-Emblem, welche sie vor ungefähr einer Stunde aus dem Buchladen getragen hatte, aus dem Kofferraum hob

und zu einem kleinen Gartentor lief. Das schmiedeeiserne Tor führte zu einem hellblauen Haus, welches perfekt zu dem für Herbsttage untypischen, wolkenlosen Himmel passte. Die Eingangstür, durch welche meine Auserwählte gerade ging, war in einem dunklen Eibenton gehalten und griff die Farbe der Fensterläden auf. An ihren Seiten standen je zwei selbstgeschnitzte Halloweenkürbisse, die an den 31. Oktober vergangenen Sonntag erinnerten.

Nachdem das Mädchen die Tür geschlossen hatte, stieg ich aus meinem Wagen und näherte mich vorsichtig dem Einfamilienhaus. Neben der Garage war eine kleine Terrasse angebaut worden, welche durch den harten Edelstahl viel zu modern für das restliche Haus wirkte.

Neugierig blickte ich durch das bodenhohe Fenster, welches der Terrasse am nächsten war und entdeckte das Mädchen. Das Zimmer war in einem zarten Flieder gehalten und ein

großes Himmelbett stand an der gegenüberliegenden Wand. Durch das gekippte Fenster konnte ich verstehen, was und mit wem sie sprach. Eine etwas ältere Version meiner Patientin sprach auf sie ein: »Aber Cassie, du weißt doch wie das bei uns gehandhabt wird.« Cassie, also. Ein wunderschöner Name. Fasziniert lauschte ich weiter dem

Gespräch, darauf bedacht, hinter dem großen Blumentontopf, welcher auf der Terrasse stand, in

Deckung zu bleiben. »Du kannst mich nicht ewig einsperren, nur, weil du Angst hast, dass mir etwas passieren könnte.« »Ich bin deine Mutter. Ich werde mir immer Sorgen um dich machen. Du weißt nicht wie viele grauenhafte Kreaturen dort draußen lauern."

Darauf wusste Cassie wohl nichts zu erwidern, denn Schweigen brach ein. Vorsichtig spickte ich über den im Topf eingepflanzten Rosmarin, um zu sehen,

ob die beiden Frauen überhaupt noch im Zimmer waren. »Du hast recht,« beantwortete mir

Cassies Mutter meine Frage, »Ich kann dich nicht ewig von den Gefahren der Welt fernhalten. Irgendwann werde ich nicht mehr da sein, um dich zu beschützen, dann bist du auf dich allein gestellt. Geh zu der Party mit Rose. Aber sei...«

Ein großer Van parkte vor der Einfahrt und zog

meine Aufmerksamkeit auf sich.

Schnell entfernte ich mich vom Fenster und ging zurück zu meinem Wagen. 

In Liebe, Dein ErlöserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt