ZWÖLF

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Adam

Kaum hatte ich die letzte Patientin verabschiedet, schloss ich meine Praxis ab und fuhr zu meiner Villa.

Meine Gedanken kreisten bereits den ganzen Tag um Cassie. Ich konnte es nicht beschreiben, aber die junge Frau hatte etwas an sich, das mich fesselte. Ich wollte sie besitzen. Wollte ihren zierlichen Körper mit einem Skalpell erkunden. Aber vor allem wollte ich ihre schmerzerfüllten Schreie hören. So gerne hätte ich ihr gestern Abend eine scharfe Klinge ins Fleisch gerammt, nur um zu sehen, ob ihre Haut wirklich so zart war, wie sie aussah.

Ein lautes Hupen riss mich aus meiner Schwärmerei und zwang mich zähneknirschend meine Geschwindigkeit zu drosseln.

In der Hoffnung, Cassie wiederzusehen, hatte ich ihr nach unserem Tanz meine Handynummer zugesteckt. Heute Morgen vereinbarten wir ein Treffen in einem Café ganz in der Nähe. Es war bereits 14 Uhr und ich musste mich beeilen, wenn ich nicht zu spät kommen wollte.

Zuhause zog ich mir schnell einen marineblauen Rollkragenpulli und eine hellblaue Jeans an, ehe ich weiter zum Café brauste und genau zu der vereinbarten Zeit eintraf. Interessiert sah ich mich in dem kleinen Raum um, in welchem viele Tische und Stühle standen. Zu viele für die winzige Grundfläche. Die Einrichtung hatte keinen roten Faden und wirkte auf mich, als hätte man aus mindestens fünf Haushalten alles zusammengewürfelt und in diesem kleinen Café untergebracht. Trotz allem hatte es ein gemütliches Flair und passte zu dem tristen Novemberwetter, welches vor der Tür herrschte.

In der hintersten Ecke entdeckte ich meine Verabredung. Cassie saß auf einer kleinen Bank und tippte auf ihrem Handy.

Ihre rotbraunen Haare hatte sie zu einem unordentlichen Dutt hochgesteckt und seitlich mit einer silbernen Spange versehen. Sie trug ein rosafarbenes Strickkleid mit einer Perlonstrumpfhose und schwarzen Boots.

Mit einem charmanten Lächeln trat ich zu ihr an den Tisch: »Verzeihen Sie Madam, ich suche nach einer wunderschönen, jungen Frau, welche mir vergangenen Abend den Kopf verdreht hatte. Sie hatte langes... Hmh, wenn ich es mir recht überlege haben sie eine gewaltige Ähnlichkeit mit ihr. Sagen sie Miss, sind Sie vergeben?« Cassie lachte. Es war kein gekünsteltes Lachen, sondern eher ein zartes, melodisches. »Ich bin auch noch auf der Suche nach Prinz Charming. Haben sie ihn zufällig gesehen?«

Ich stieg in ihr Lachen ein und setzte mich neben sie. Darauf bedacht, dass sich unsere Knie und Arme berührten und beobachtete, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.

Anders als meine anderen Patientinnen, war Cassie eine Frau, die erobert werden wollte. Sie stand auf Romantik und konnte meinem Charme nicht wiederstehen. Wieso sonst ging sie mit einem Wildfremden aus?

Normalerweise ging ich bei meinen Patientinnen immer nach demselben Muster vor. Ich musste nichts weiter tun, als ab und an eine Bar zu besuchen, oder in meiner Praxis auf junge Frauen zu warten, die sich die teuren chirurgischen Eingriffe nicht leisten konnten. Ihnen bot ich dann eine übertrieben, vergünstigte OP an und lockte sie damit nachts in meine Villa. Aber bei Cassie musste ich anders vorgehen. Sie war selbstbewusst genug, dass sie niemals in meiner Praxis erscheinen würde, geschweige denn in meiner Villa.

»Ich hätte niemals zu träumen gewagt, jemals mit einem attraktiven Millionär einen Kaffee trinken zu gehen.,« gestand sie. Ich nahm ihre rechte Hand in meine und strich mit dem Daumen über ihre schlanken Finger. »Ich hätte niemals zu träumen gewagt, jemals mit solch einer Schönheit einen Kaffee trinken zu gehen.,« wiederholte ich ihren Wortlaut.

Verlegen sah sie zur Seite und schien erleichtert, als der Kellner kam um unsere Bestellung aufzunehmen.

Stille brach ein, während wir an unserem Kaffee nippten. »Ich sehe dir doch an, dass du mich etwas fragen möchtest.,« unterbrach ich das Schweigen. Cassie blickte erschrocken auf: »Ich weiß nicht, ob das beim ersten Date so gut ankommt, wenn ich eine Strichliste an Fragen runterratter.« »Hältst du das hier für ein Date?«, fragte ich sie interessiert. Sie begann zu stottern: » Nun ja, Ich... Wir kennen uns zwar kaum, a... aber ich fühle mich in deiner Gegenwart wohl. Findest du denn nicht, dass es ein Date ist« »Aber selbstverständlich halte ich unsere Verabredung für ein Date. Und deshalb darfst du mich auch alles fragen. Aber nur, wenn ich dir dann eine Gegenfrage stellen darf.«

Cassie atmete tief durch: »Also gut. Wie alt bist du?« »Ich bin 36. Und du?« »25« Ein perfektes Alter. »Behandelst du nur Frauen in deiner Praxis?« »Größtenteils kommen nur Frauen zu mir. Du bist Studentin? Was studierst du?« »Ich studiere Psychologie im zweiten Semester. Was machst du in deiner Freizeit?« Wenn ich nicht gerade Frauen verstümmle? »Ich lese sehr gern.« Cassie quiekte freudig auf: »Wirklich? Ich liebe es mir nach einem langen Tag ein Buch zu schnappen, und einfach meine Seele treiben zu lassen. Welches ist dein Lieblingsbuch?« Nachdenklich rieb ich mir das Kinn: »Es fällt mir schwer mich auf ein Buch festzulegen. Ich lese eigentlich alles von Krimi, über Romantik bis zu Science-Fiction. Was ist mit dir?« »Ich mag Gedichtbände sehr gern.« Ich griff wieder nach ihrer Hand und sah ihr tief in die Augen: »Vielleicht könntest du mir eines Tages ein Gedicht vortragen.« »Das wäre schön.«

Eine Zeit lang saßen wir einfach nur da, hielten uns an den Händen und erzählten aus unserem Alltag. Es war fast schon unheimlich, wie schnell ich ihr Vertrauen gewonnen hatte. Natürlich hielt ich meine nächtlichen Aktivitäten aus den Erzählungen raus. Ich wollte Cassie ja schließlich in meine Villa locken und sie nicht zur nächsten Polizeistation jagen.

Es fiel mir schwer ruhig neben ihr zu sitzen und sie nicht auf der Stelle über meine Schultern zu werfen und sie in meinen Keller zu tragen.

In Liebe, Dein ErlöserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt