An unserer Wohnung angekommen, schließt Mike auf und beansprucht das Bad für sich. Mikasa verschwindet in der Küche und fängt an etwas zu Essen zu machen, während Annie sich umzieht um einkaufen zu gehen. Sie bindet sich die Haare zusammen und zieht sich eine lange Hose und einen Kapuzenpullover an.
Viele denken immer, dass Nutten auch außerhalb aussehen wie Nutten, wir sind da etwas anders. Statt kurzer Röcke - die aussehen wie Gürtel - tragen Mikasa und Annie lange Hosen oder lange Kleider. Statt eines Netzhemdes - welches sich immer in seinen Piercings verfängt - trägt Mike am liebsten Tanktops und Jogginghosen. Statt eines Crop Tops und kurzen Hosen trage ich oft Hemden und Skinny Jeans.
Wir sind keine 0815 Nutten, so wie unsere Konkurrenz aus der Herbertstraße. Das klingt schon so bescheuert, warum sollte man da arbeiten?
Ich gehe in mein Zimmer und lasse mich auf mein weiches Bett fallen, die meisten meiner Kunden ficken auf dem Boden oder an Wänden. Es gibt kaum schmerzhaftere Untergründe. Was ziemlich nah ran kommt, sind die Zugtoilleten und alte Heizungen im Rücken.
Ich nehme mir mühsam mein Handy, da es am anderen Bettende liegt und aufleuchtet. Petra...
Ich wische den grünen Hörer nach rechts und halte mir das Gerät ans Ohr. "Was ist?", frage ich mies gelaunt.
Erst verurteilt sie mich wegen meinem Job, den ich nur halb freiwillig tue, dann will sie auch eine Nutte werden und beschwert sich dann bei mir, dass Erwin sie nicht angenommen hat - was ich ihr übrigens gleich gesagt hatte.
"Ich wollte nur mal fragen, wie es dir geht, wie es bei deiner Arbeit läuft und so was." Ich kann mir ihr gefälschtes Lächeln richtig vorstellen, auch wenn ich nicht unbedingt an sie denken will. "Lass mich in Ruhe, du weißt genau, wie es mir geht und meine Arbeit geht dich nichts an, Petra."
Ich lege auf.
Ich will sie nicht sprechen, ich will nicht, dass sie mich noch anruft, genauso wenig will ich das Ganze hier noch, ich will einfach gar nichts mehr. Ich habe nichts mehr, wofür es sich lohnen würde das Geld zu verdienen außer die drei anderen hier.
Sie würden aber auch ohne mich klar kommen, würden mich schnell vergessen und ihre Arbeit for führen. Wer weiß, vielleicht würde Mike Erwin endlich seine Liebe gestehen, vielleicht auch nicht.
Wie absurd es ist, dass Mike sich in diesem ekelhaften Protz verliebt hat. Nachdem, was Erwin ihm angetan hat, sehe ich meinen blonden Zuhälter nur noch als Vermieter. Nicht mehr als Retter meines Lebens oder als letzte Hoffnung. Er ist nichts weiter außer ein verlogenes Schwein, das keinerlei Gefühle hegt außer Hass und Egoismus - für mich ist das ein Gefühl.
Es klopft leise an der Tür. Ich antworte nicht, ich antworte nie, wenn jemand klopft. Die silberne Klinke wird herunter gedrückt und Mike steckt den Kopf durch den Spalt. "Essen ist fertig, kommst du?", fragt er nett und lehnt sich gegen den weißen Türrahmen.
"Ich habe keinen Hunger, danke."
"Du solltest mal wieder was essen. Gerade wegen morgen." Morgen ist unsere Ganz Tages Schicht. Sonst sind wir nur zeitweise auf der Straße. Doch jeden Samstag - wenn viele Touristen und alleinstehende rumlaufen - stehen wir, meist zu sechst, an der Reeperbahn und posieren. Wie ich den Samstag hasse.
"Ich bin gleich bei euch, warte kurz.", murmle ich und schaue weiter an die Decke. Er seufzt leise und schließt die Tür. Ich höre noch, wie er mit Mikasa und Annie redet, ehe ich aufstehe, mich im Spiegel ansehe und meine vom vorherigen Wind zerzausten Haare richte.
Ich tapse zu der weißen Tür, schaue nochmal zu meiner Fotowand. Dort hängen insgesamt vier Bilder. Eines meiner Mutter, wo sie lächelt und glücklich über die Kamera hinweg sieht.
Eines von unserer WG, wo wir alle zusammen in der unfertigen Küche stehen und in die Kamera schielen. Mike, wollte es als Erinnerung haben, falls er von Erwin rausgeschmissen würde.
Dann noch ein Bild von mir und meiner Mutter, wo ich kleiner war und sie mir gerade die Haare schneidet. Ich glaube mein Vater hat das Bild gemacht. Er war tagsüber eigentlich immer zu Hause. Irgendwann kam er dann immer weniger zurück, bis die Polizei irgendwann bei uns war und ich mitbekommen habe, wie sie gesagt haben, sie hätten ihn wegen Mordes verhaften müssen. Ihn und meinen Onkel Kenny Ackerman.
Das letzte Bild ist von mir. Ich habe es im Internet gefunden, als ich nach einigen Klamotten geschaut habe und Werbung aufgeploppt ist. Dort haben sie Eltern empfohlen ihre Kinder nicht mit Obdachlosen spielen zu lassen, denn da kann das bei raus kommen - das Kind wird selber obdachlos, weil es den Lebensstil mag. Keine Regeln, keine nervigen Eltern und keine Schule. Was würde ich nicht alles tun um nochmal in die Schule gehen zu können. Immerhin bin ich erst siebzehn musste aber mit fünfzehn meine Schule abbrechen.
Die Lehrer haben nie gefragt, warum es eigentlich so ist. Sie hatten nie versucht Briefe an meine Eltern zu schicken oder versucht mit dem Jugendamt zu reden, dass ich die Schulbildung eigentlich nötig hätte - das war ihnen scheinbar egal, egal, dass noch ein Obdachloser Junge durch Hamburg streifen wird.
Ich seufze erneut und begebe mich dann in die helle Küche, wo es stark nach Aisanudeln riecht. Ich setze mich neben Annie an den Holztisch und schaue auf meine Oberschenkel; es ist für mich immer noch ein Geschenk eine Mahlzeit am Tag zu bekommen - und dann ist sie auch noch warm.
"Levi ist alles gut?", fragt Mika mich und tickt meinen Fuß mit ihrem an. Ich hebe den Blick und schaue direkt in ihre hellen Augen - man könnte meinen wir sind verwandt. Selber Nachname, ähnliches Aussehen, aber das haben wir schon prüfen lassen. Erwin wollte das so. Wir sind nicht verwandt.
Ich nicke wegen ihrer Frage und beginne zögerlich zu essen. Ich habe wirklich keinen Hunger, aber unhöflich sein, wollte ich auch nicht.
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Downphase I [Ereri/Riren]
FanfictionLevi Ackerman konnte sich bis vor kurzem kein schöneres Leben vorstellen, er lebte zufrieden, hatte Wohlstand und Freunde, sowie Familie. Doch nachdem er seine Mutter verliert, geht sein Leben den Bach runter. Um für sich Sorgen zu können, muss er a...