Kapitel 24

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Ich lag die ganze Nacht über wach neben Connor. Er hatte einen unruhigen Schlaf, die ganze Zeit wälzte er sich von einer Seite zur anderen. Dabei murmelte er unverständliche Worte und wachte von Zeit zu Zeit auf. Dann suchte er nach meiner Hand und wenn er sie gefunden hatte, drückte er sie kurz und schlief dann wieder ein. Er sah so verletzlich aus, wie er da lag, die Decke halb über seinem Körper, die Haare wild abstehend.

Gegen sechs Uhr morgens wachte er schließlich ganz auf. Er drehte sich zu mir. Er sah mich ausdruckslos an, es war richtig gespenstisch in seine leeren Augen zu blicken. Langsam hob Connor seine Hand und streichelte sanft meine Wange.

„Danke, dass du da bist.“ Flüsterte er. Ich lächelte nur als Antwort, und er zog mich an sich. Sein Gesicht vergrub er in meinen Haaren. So lagen wir lange Zeit da, bis wir beschlossen etwas zu Essen. Also liefen wir runter in die Küche und ich stellte einige Sachen auf den Tisch, da ich nicht genau wusste, was Connor mochte. Doch er hatte sowieso keinen Appetit und ließ die Hälfte stehen. Er redete kein Wort und mir fiel auf, dass er bis jetzt kein einziges Mal geweint hatte.

Auf einmal kam Laura rein. Sie sah schrecklich aus, die Augen waren rot und verquollen vom Weinen, die schönen blonden Haare standen in alle Richtungen und sie trug immer noch in Klamotten vom Vortag. Wortlos setzte sie sich an den Küchentisch, und löste eine Aspirintablette in einem Glas Wasser auf. Sie sah einfach so fertig aus, dass ich einfach zu ihr hin  ging und sie lange umarmte. Sie erwiderte dankbar die Umarmung und bevor wir uns voneinander lösten flüsterte sie ein ‚Danke‘. Schon wieder traten Tränen in ihre Augen, die sie aber sofort mit ihrem Jackenärmel wegwischte.

Während Connor im Bad duschte rief ich Kate an.

„Hallo Kate!“ meldete ich mich ohne Umschweife. „Connors Vater ist tot. Er ist gestern gestorben, gerade als wir zur Tür rein sind.“ Am anderen Ende der Leitung war Stille, nur ein leises Atmen hörte ich, das mir zeigte, dass sie zuhörte. „Ich glaube Connor wird heute nicht in die Schule gehen, und ich bleib besser bei ihm, ihm geht es echt schlecht.“ Fuhr ich fort.

„Ja klar, ich entschuldige euch bei den Lehrern. Es tut mir so leid, was passiert ist, ich weiß gar nicht was ich sagen soll!“ sagte Kate nun endlich.

„Ja ich weiß, es kam sehr überraschend. Die Ärzte hatten mit einigen Wochen gerechnet.“ Eine lange Pause entstand, in der niemand etwas sagte.

„Und, Kate, es tut mir leid, dass wir gestern so schnell abgehauen sind und euch einfach alleine gelassen haben.“ Entschuldigte ich mich noch.

„Ist doch kein Problem. Ich musste zwar alleine mit den Jungs fertig werden, aber Familie geht vor. Und übrigens, Tommy hat gewonnen.“ Ich musste leicht lächeln, als ich das hörte.

„Dann ist ja alles gut. Rufst du noch die anderen an und sagst ihnen was passiert ist?“

„Ja klar kein Problem!“ sagte Kate und legte auf. Dann rief ich noch schnell meine Großmutter an um ihr zu sagen, wo ich war. Wir einigten uns darauf, dass ich heute Abend nach Hause kommen solle. Als ich auflegte kam Connor ins Zimmer, nur mit Boxershorts bekleidet. Obwohl jetzt nicht der Zeitpunkt für solche Gedanken war, musste ich ihn anstarren. Er bemerkte es und drehte sich kurz um lächelte leicht. Beschämt drehte ich mich um und suchte meine Sachen zusammen, damit ich duschen gehen konnte.

Nach dem Duschen, ging ich zurück ins Zimmer und zog erstmal alle Gardinen zurück und alle Fenster auf. Die kalte Luft strömte ins Zimmer. Connor saß auf dem Bett und beobachtete mich die ganze Zeit. Ein Sonnenstrahl fiel auf sein Gesicht und tauchte es in ein geheimnisvolles Licht. Er sah so schön aus, dass ich meinen Blick nicht mehr von ihm wenden konnte. In seinem Blick lag so viel Trauer und Verletzlichkeit, es brach mir fast das Herz. Connor brach den Augenkontakt ab und der magische Augenblick war vorbei. Ich schloss das Fenster und setzte mich neben Connor.

„Du musst das nicht machen!“ sagte er.

„Doch das muss ich, ich kann dich jetzt nicht alleine lassen.“ Er sah mich an, sein Blick war voller Liebe.

„Ich liebe dich.“ Sagte er bevor er sich zu mir beugte und mich sanft küsste.

Den restlichen Tag lagen wir auf seinem Bett und schauten irgendwelche Sendungen und Filme, aber man merkte, dass Connor nicht ganz bei der Sache war. Immer wieder schweifte sein Blick ab und starrte in die Ferne. Zwischendurch kam seine Stiefmutter ins Zimmer. Auch sie sah ziemlich fertig aus. Sie brachte uns etwas zum Trinken und Essen. Hinter ihr kam ein kleines Mädchen zum Vorschein, welches vielleicht gerade einmal zwei Jahre alt war. Das Mädchen rannte auf Connor zu und er fing sie mit seinen starken Armen auf, wirbelte sie herum und nahm sie schließlich in den Arm. Das Mädchen kicherte und zum ersten Mal in den letzten Stunden sah ich wie Connors Augen strahlten. Man sah, wie sehr er das Mädchen liebte.

„Rosie, sag Hallo zu Mary!“ sagte er liebevoll und deutete auf mich. Das war also Connors kleine Schwester!

„Mary!“ rief das kleine Mädchen erfreut.

„Hallo!“ lächelnd ergriff ich ihre winzige Hand, die sie mir entgegen streckte. Sie war noch so klein, dass sie wahrscheinlich noch nicht verstanden hatte, dass sie ihren Vater nie wieder sehen würde. Sie begriff gar nicht was es bedeutete einen Menschen für immer zu verlieren. Dieser Gedanke erfüllte mich mit Trauer. Connor und Rosie spielten noch einige Zeit auf dem Bett und ich beobachtete sie dabei. Ich drehte mich um und lächelte Connors Stiefmutter an. Sie beobachtete die Beiden ebenfalls und schien dabei so abwesend. Sie lächelte zurück.

Als die Beiden wieder weg waren, lächelte Connor leicht.

„Sie ist süß, deine kleine Schwester und du magst sie sehr, oder?“ fragte ich.

„Ja sie ist mein ein und alles. Aber sie versteht noch nicht was passiert ist.“ Erwiderte er traurig.

Als es dunkel wurde verabschiedete ich mich. „Ich muss jetzt gehen. Sehen wir uns morgen in der Schule?“ Connor nickte und zog mich näher heran um mich lange zu küssen. Er wollte mich gar nicht mehr loslassen. Ich versank in unserem Kuss und klammerte mich an ihn wie eine Ertrinkende.

Als ich zu Hause war, machte ich mir erstmal was zu Essen und legte mich dann mit meinem Teller vor den Fernseher. Dort lag ich bis ich müde wurde und schließlich einschlief.

-Kein Titel-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt