Am nächsten Morgen wachte ich genauso auf wie ich am Abend zuvor eingeschlafen war, mit meinen Klamotten an und an Connors Pulli geschmiegt. Verschlafen streckte ich mich und gähnte laut. Schlagartig fielen mir die Ereignisse von gestern ein und meine Laune sank in den Keller. Mein Kopf begann zu schmerzen und in meinem Bauch verbreitete sich ein mulmiges Gefühl. Ich fühlte mich einfach nur fertig. Vielleicht sollte ich heute einfach zu Hause bleiben, im Bett wo ich sicher war und alles vergessen konnte. Aber ich wollte wissen, was mit Connor passiert war! Also quälte ich mich aus meinen Decken, ging ins Bad und duschte erstmal ausgiebig. Dann zog ich mich an. Ich hatte keine Lust mir etwas Besonderes auszudenken, so zog ich einfach eine dunkelblaue Röhrenjeans und einen großen, warmen Pulli über und schlüpfte in meine schwarzen Stiefel. Meine Haare kämmte ich nur kurz durch und ließ sie offen.
Ich wollte schon mein Zimmer verlassen, als mich irgendetwas dazu bewegte umzukehren und die beiden Drohbriefe hervorzuholen und sie in meine Tasche zu stecken. Allein die Berührung ließ meine Haut förmlich brennen. Dann machte ich mich endlich auf den Weg in die Küche. Elisabeth schlief noch und so nahm ich mir ein Glas Orangensaft und ein Brötchen. Eigentlich hatte ich keinen Hunger und so packte ich mir das Brötchen für die Schule ein. Ein Blick verriet mir, dass ich noch genau zwanzig Minuten Zeit hatte bis der Unterricht begann. Ich hatte es nicht eilig in die Schule zu kommen, denn mein Gefühl sagte mir, dass Connor heute wieder nicht da sein würde.
Diese Vermutung bestätigte sich als ich das Klassenzimmer betrat. Zum Glück blieb ich weitgehend unbemerkt von Isabell, da sie gerade mit ihrem Make-up beschäftigt war. Erschöpft vergrub ich meinen Kopf, der nun mittlerweile höllisch schmerzte in meinen Armen. Wo war Connor nur? Ich machte mir Sorgen. Ich vermisste seinen Geruch, seine starken Arme und besonders seine Augen. Und gerade jetzt wo ich ihn so sehr brauchte, war er nicht da. Ich spürte das Bedürfnis mit ihm über die Briefe zu reden.
Eine leichte Berührung an meinem Arm ließ mich aufschrecken.
„Tommy!“
„Hallo Mary! Du siehst ja nicht gerade toll aus.“ Sagte er besorgt.
„Mir geht es auch nicht so besonders gut.“ Seufzte ich. Er blickte mich mit seinen blauen Augen an. In ihnen lagen Sorge und Trauer. Und etwas, das ich nicht ganz einordnen konnte. Etwas weiches, fast zärtliches.
„Komm nach der Stunde vor die Bibliothek, ich muss dir etwas zeigen!“ flüsterte er mir nun zu.
„Alles klar!“ erwiderte ich leise und richtete meine Aufmerksamkeit der Lehrerin, die eben den Raum betreten hatte. Doch ich konnte mich nicht konzentrieren. Gedankenverloren starrte ich ins Leere. Meine Kopfschmerzen würden mich noch umbringen!
Endlich war die Stunde zu Ende und ich lief zum verabredeten Treffpunkt. Tommy wartete schon auf mich. Ohne ein Wort nahm er mich bei der Hand und zog mich hinter sich her. Das erste Mal konnte ich ihn länger betrachten. Er sah gar nicht mal so schlecht aus. Er hatte blonde Haare, Undercut und blaue Augen. Er war groß und besaß markante Gesichtszüge. Er wirkte sehr erwachsen und reifer als andere Jungs in meinem Alter.
„Wo gehen wir hin?“ fragte ich ihn. Wir waren in einem Teil der Bibliothek, in dem ich noch nicht so oft war. Er führte mich um ein Regal herum und auf eine Tür zu die unscheinbar zwischen zwei hohen Regalen lag. Hier hinten war niemand und es sah so aus als ob sich hier niemand so schnell hin verirrte. Vor der Tür blieb Tommy stehen, ließ meine Hand los und zog einen kleinen Schlüssel aus seiner Tasche hervor. Damit öffnete er die Tür und ließ mir den Vortritt. Ich machte einen Schritt in den dunklen Raum hinein. Hinter mir drückte Tommy auf einen Schalter und das Licht ging an. Was ich nun sah, ließ meine Kinnlade hinunter klappen.
Ich stand in einem kleinen Raum in dem ein Sofa stand. Auf dem Boden lagen Teppiche und an einer Wand entdeckte ich eine Kommode mit einer Mikrowelle darauf. Ganz hinten sah ich eine Matratze, auf der viele Kissen und Decken lagen. Der ganze Raum wurde von Lichterketten und Lampen beleuchtet, deren Lichter alles in ein angenehmes Licht tauchten. Alles wirkte einladend und total gemütlich.
„Wo sind wir hier?“ fragte ich atemlos.
„Den Raum hier hat Connor entdeckt. Er hat das hier auch alles eingerichtet und einen Schlüssel besorgt. Hier kommen wir immer hin wenn wir zu Hause Stress haben oder Schule schwänzen wollen. Und naja wenn wir.. Du weißt schon…“
Ich nickte. Ich wollte mir nicht genau vorstellen was Connor oder seine Freunde hier alles mit ihren Mädchen taten.
„Connor hätte sicher gewollt, dass du den Raum hier siehst.“ Fuhr Tommy nun fort. Das klang als ob Connor tot wäre oder so. Tommy bemerkte es wohl auch den er verbesserte sich schnell.
„Setz dich doch. Willst du was trinken?“ Er ging zu einem Kühlschrank, den ich noch nicht bemerkt hatte und holte ein Cola daraus hervor. Dankbar nahm ich sie an. Dann ließ sich Tommy neben mir nieder. Unsere Knie berührten sich aus Versehen. Schlagartig wurde ich mich seiner Nähe bewusst und zog mein Bein zurück.
„Was glaubst du was mit Connor passiert ist?“ fragte ich ihn.
„Ich weiß es nicht, aber ich bin mir sicher, dass er bald wieder auftauchen wird. So zu verschwinden, ohne ein Wort zu sagen, ist sonst nicht seine Art.“ Doch ganz überzeugt sah er nicht aus. „Und er würde dich niemals alleine lassen. Noch nie hat Connor so ein einem Mädchen gehangen wie an dir. Man sieht es an der Art wie er dich ansieht. Er hat auch seit er dich besser kennt kein Mädchen mehr angerührt.“
Diese Worte berührten mich zutiefst und ich wurde leicht rot im Gesicht. Ich blickte Tommy direkt in die Augen und sah darin Aufrichtigkeit und vielleicht auch einen Schimmer Trauer. Aber da musste ich mich wohl getäuscht haben, denn wieso sollte Tommy traurig sein?
„Danke!“ flüsterte ich heißer. Noch nie hatte ein Junge so für mich gefühlt. Es machte mich wahnsinnig nicht zu wissen, wo er gerade war und wie es ihm ging. Erschöpft lehnte ich mich zurück und schloss meine Augen. Mein Kopf pochte und meinem Bauch ging es auch nicht besser. Ich wollte mich gerade etwas gemütlicher hinsetzten als die zwei Drohbriefe aus meiner Tasche fielen. Ich wollte gerade danach greifen, damit Tommy sie nicht entdeckte, doch er war schneller.
„Tommy gib das her!“ rief ich leicht panisch. Doch es half nichts. Er las die Briefe und ein entsetzter Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit.
„Wer war das?“ fragte er gefährlich ruhig.
„Ich weiß es nicht. Ehrlich nicht! Ich hab sie in meinem Spind und im Briefkasten gefunden.“ Erwiderte ich.
„Wer weiß von ihnen?“
„Niemand ich wollte nicht, dass jemand davon erfährt.“ Beschämt blickte ich zu Boden.
„Wir müssen rausfinden wer das war. Dem dreh ich den Hals um!“
„Nein Tommy, der meint das doch bestimmt nicht ernst.“ Dann rollte die erste Träne meine Wange herunter.
„Doch Mary. Ich werde nicht zulassen, dass dich jemand so fertig macht. Das hast du nicht verdient. Ihr seid ein Traumpaar!“ Jetzt war es zu viel. Die Tränen rollten nur so meine Wangen herunter. Der ganze aufgestaute Stress der letzten Tage. Meine Gefühle. Ich ließ alles laufen. Es war mir egal, dass mein Make-up sich in meinem ganzen Gesicht verteilte, ich konnte nicht mehr. Tommy nahm mich in den Arm und drückte mich fest an seinen durchtrainierten Oberkörper. Es tat so gut endlich mal alles rauszulassen. So saßen wir eine gefühlte Ewigkeit da. Tommy sagte nicht, sondern hielt mich einfach nur fest. Als ich mich endlich beruhigt hatte, lösten wir uns voneinander und er reichte mir ein Taschentuch.
„Tut mir Leid ich hab dein ganzes T-shirt nass gemacht.“ Lächelte ich.
„Kein Problem, in der Kommode sind Wechselklamotten. Hauptsache es geht dir besser!“ beruhigte er mich. Dankbar lächelte ich ihn an.
„Ich würde sagen ich bring dich jetzt erstmal nach Hause, es hat keinen Sinn jetzt zurück in den Unterricht zu gehen.“ Schlug er vor.
Tommy zog sich noch schnell ein frisches T-shirt an und ich konnte es nicht lassen ihm dabei zu zusehen und auf seine Muskeln zu starren. Als ich er fertig war, drehte ich mich schnell um und tat so als ob ich etwas in meiner Tasche suchen würde. Dann liefen wir zu seinem Auto und stiegen ein. Die Fahrt verbrachten wir schweigend, doch es war kein unangenehmes Schweigen. Vor meine Einfahrt hielt er an und ich öffnete die Tür. Doch dann überlegte ich es mir noch einmal anders und drehte mich zu Tommy.
„Kommst du mir rein, ich will jetzt nicht alleine sein!“ bittend sah ich ihn an. Tommy zögerte nicht lange, stellte den Motor ab und folgte mir ins Haus.
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-Kein Titel-
Любовные романыConnor ist der größte Idiot der ganzen Schule. Und Mary hasst ihn. Doch er sieht gut aus. Verdammt gut! Doch Mary hasst ihn trotzdem. Eigentlich...