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Weitere Wochen vergingen, begleitet von stetig wachsenden Aufgaben. Ihre Aufsätze wurden zu sehnlichst unordentlicher, damit ihr noch genügend Zeit blieb, die sie im leeren Klassenraum im fünften Stock verbringen konnte. Zwei ihrer ausgewählten Sprüche beherrschte sie schon ganz gut, den einen, der dafür sorgte, dass dem Gegner Tränen in die Augen traten, beherrschte sie sogar schon ungesagt. Stunden und Abende hatte sie vor ihrem kleinen Handspiegel verbracht. Früher hatte sie für solche Sachen immer mit Sev üben können. Aber alleine ging es auch.

Langsam wurde es Herbst. Windböen rissen die letzten farbenfrohen Blätter von den Bäumen und heftige Regengüsse waren für die von Schlamm und Wasser tropfenden Quidditchspieler verantwortlich, die nach jedem Training völlig durchnässt Spuren auf den Korridoren hinterließen. Filchs Laune hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht und bekam von jedem noch so kleinen Schlammspritzer einen sofortigen Tobsuchtanfall. Fred und George hatten ihn zur Weißglut gebracht, in dem sie mit kleinen Stempeln schlammige Katzenspuren durch das gesamte Schloss gelegt hatten, die immer zu seinem Büro führten.

Natürlich hatte Filch nicht seine geliebte Katze Mrs. Norris dafür bestrafen können. Er hatte Stunden um Stunden damit gemacht, sie möglichst ungesehen verschwinden zu lassen. Als Professor McGonagall ihn dann freundlich darauf aufmerksam gemacht hatte, er möge seiner Katze doch bitte die Pfoten abputzen, hatte Filch selbst das mit zusammengepressten Lippen hingenommen. Noch größer war sein Aufschrei dann gewesen, als er die Weasley Zwillinge dabei erwischt hatten. Jetzt waren sie es, die für die restliche Woche dafür sorgen mussten, dass alles blitzblank war. Gerüchten zufolge hatten sie mit ihrem Quidditchmannschaftskapitän geredet und ihn versucht davon zu überzeugen, eine Woche einmal nicht zu trainieren.

Der Unterricht forderte Lily immer noch nicht, dafür hatte sie ihre Liste schon um mehrere Punkte erweitert müssen. Während die von ihr erlernten Flüche und Sprüche komplizierter wurden, verbrachte sie immer mehr Zeit alleine im Klassenzimmer im fünften Stock. Meist kam sie früh und kehrte erst kurz vor der Sperrstunde in den Gemeinschaftsraum zurück. Hillary, Madison und Laureen verbrachten jede freie Zeit zusammen, Ginny schrieb Briefe an ihre Mum um sie davon zu überzeugen Fred und George keinen Heuler zu senden.

Obwohl Lily sich gut mit ihnen verstand, schien es, als hätten sich bereits schon alle zusammen gefunden und Lily übrig gelassen. Anfangs war es nur ein schleichendes Gefühl gewesen, dass sie überkam wenn sie nach ihren Übungsstunden überanstrengt den Gemeinschaftsraum betrat und Hillary, Madison und Laureen zusammen vor dem Kamin lachen, oder sich über die neue Platte einer Sängerin unterhielten, dessen Name Lily noch nicht einmal kannte.

Oder wenn sie Colin und Trevor zusammen an einer Kamera herumbasteln sahen. Sie schienen alle so glücklich zusammen. Lily hatte noch nie so etwas wie einen Freund oder eine Freundin gehabt. Es hatte immer nur sie und Sev gegeben. Vielleicht war er jetzt der Meinung, sie brauche ihn nicht mehr. Ihre Treffen vor dem Frühstück wurden immer seltener, häufig sahen sie sich nur noch in seinem Unterricht. Lily erwischte sich selbst dabei, wie sie vor ihm saß, seine Worte ausblendete und versuchte, sich das kleine Lächeln vorzustellen, dass ihr in seinem Unterricht so fehlte.

Nur eine Person schien sich genauso einsam und alleine zu fühlen wie sie. Ginny war ihr anfangs immer sehr fröhlich und offen vorgekommen, hatte sie doch auch viele Eigenschaften mit Madison oder Laureen zusammen. Jetzt aber hatte sich das geändert. Fast schon ein bisschen kränklich wirkend, sprach sie mit niemandem und war abends die erste, die ihre dicken roten Vorhänge ihres Bettes zuzog. Danach hörte man nur noch das Kratzen einer Feder und manchmal, wenn das Licht schon gelöscht war, auch ein leises Weinen.

1 - AschemädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt