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Der Zeitraum des Wartens entpuppte sich am nächsten Morgen jedoch als noch länger als bereits erwartet, da Ginny schon in aller Frühe den Krankenflügel, aus unbekanntem Grund, hatte aufsuchen müssen. Lily wusste nicht, ob sie das freuen sollte, aber der Unterricht half ihr, sich von diesem elendigen Thema abzulenken. Sie genoss es, in Zaubertränke endlich eine Ausrede dafür zu haben, ihren Kopf abzuschalten, das Gedankenkarussell zum Stillstand zu zwingen.

Schon wurde es Samstag, und als Lily etwas später als gewöhnlich den Gemeinschaftsraum betrat, lag dieser wie ausgestorben dar. Es dauerte eine Weile, bis Lily der Grund dafür einfiel. Heute war das erste Quidditchspiel der Saison, bei dem jeder das Quidditchteam der Gryffindors zum ersten Mal seit Schuljahresbeginn in Aktion sehen konnte. Scheinbar waren alle schon draußen oder am Frühstückstisch, um den eigenen Spielern Glück zu wünschen oder die aus der gegnerischen Mannschaft auszubuhen.

Die meisten Teammitglieder kannte Lily nicht einmal, bis auf die Weasleyzwillingen, die aber wirklich jeder zu kennen schien. In der großen Halle setzte Lily sich neben Madison, die verträumt zu einem Jungen am Ravenclawtisch hinüber starrte und gerade das fünfte Zuckerstück in ihrem Kürbissaft verrührte.

„Ist das nicht zu süß?", fragte Lily, die sich ein Kommentar nicht verkneifen konnte. Ohne die Augen abzuwenden hauchte Madison als Antwort zurück: „Sag bloß das findest du auch?" Sie seufzte einmal laut auf. „Hallo! Erde an Madison! Jemand erreichbar?" Lily schnipste einmal mit den Fingern, bis sie sich ihr zu wand.

„Ich meinte deinen Kürbissaft!" Kopfschüttelnd nahm sie einen Schluck von ihrem eigenen Becher. „Wo ist Ginny eigentlich? Ich habe sie heute Morgen noch gar nicht gesehen." „Sie ist runter zum Feld, um ihre Brüder anzufeuern. Hat sie dir das nicht erzählt?", antwortete Hillary ihr stellvertretend für ihre Freundin, die heute noch länger zum Frühstücken brauchte, als normalerweise. Unschlüssig was sie sagen sollte, öffnete Lily ihren Mund und schloss sie wieder, als Madison im selben Moment Kürbissaft über den gesamten Tisch prustete.

„Üääh, ist der aber süß geworden!" Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Entschuldige bitte Lily." Mit einer demonstrativen Geste putzte sie sich mit einer Serviette die Zunge, bevor sie weiterredete. „Hillary und ich gehen auch gleich runter zum Feld. Du kannst mitkommen wenn du möchtest, Laureen müsste auch schon da sein. Sie ist schon mit ihrem Bruder hin gegangen!" „Ist der auch im Quidditchteam?", fragte Lily erstaunt, die sich nur vage an Laureens Bruder erinnern konnte. Sie hatte ihn als einen eher schmächtigeren Jungen im Kopf. Madison lachte.

„Nein, dafür gewinnt er aber naselang irgendwelche Schulpreise. Aber Sport ist glaub' ich nicht so sein Ding. Aber was ist denn jetzt, kommst du mit, oder nicht?" „Danke, das ist nett von euch, aber ich muss vorher noch mal hoch, meinen Umhang wechseln und danach wird es wohl schon zu spät sein. Aber euch viel Spaß!" Mit einem müden Lächeln erhob Lily sich. Auf eine Aussprache vor dem gesamten Quidditchteam konnte sie gut und gerne verzichten.

Anstatt ihren Umhang zu wechseln, er hatte lediglich ein paar Spritzer übersüßen Kürbissaft abbekommen, ging Lily sofort in die Bibliothek und schrieb an ihrem Aufsatz für Verwandlung. Als sie ihren Schlusspunkt setzte, begann sich die Bibliothek langsam wieder zu füllen, sie schloss, dass das Spiel jetzt bestimmt zu Ende war. Seufzend stand sie auf und fasste einen Entschluss. Das Zusammentreffen mit Ginny würde sich sowieso nicht mehr lange hinauszögern lassen, da könnte sie es auch sofort klären. Noch bevor sie es sich anders überlegen konnte, packte sie ihre Sachen zusammen und machte sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum.

Sie wusste nicht, ob sie Peeves, der versuchte sie mit kleinen Papierkügelchen abzuwerfen, für die kleine Verzögerung danken sollte. „Ich hetz' dir den blutigen Baron auf den Hals, Peeves!", schrie sie ihm hinterher und erwischte sich dabei, wie sie Filch ein klitzekleines Stück bemitleidete, das er sich hauptberuflich mit dem Poltergeist herumschlagen musste. Sie schnaufte ein paar letzte Verwünschungen, bei denen sie selbst wusste, wie lächerlich sie aussehen musste. Mit einem, wahrscheinlich irgendwo geklauten, Spazierstock hatte er Lily an ihrer Tasche zurückgezogen und ihr dann von oben versucht Papierkügelchen in die Ohren zu stecken.

1 - AschemädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt