3. Kapitel. Vertrieben

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Amera, Amandla und ich liefen auf unsere Mutter zu, die an der Seite unseres Vaters lief. Er kümmerte sich mehr um sie, als um irgendeine andere Löwin im Rudel, was irgendwie seltsam war. Sie trotteten weit hinten am Ende des Zuges und hatten nur Augen füreinander. Amandla warf mir einen eindeutigen Blick zu und wir wandten uns ab, um unseren Eltern ein wenig Privatsphäre zu gönnen. Es schien wieder Zeit zu sein, denn wir waren jetzt ausgewachsen und unsere Mutter bereit für einen neuen Wurf.

Am späten Abend, als die Jungen längst schliefen, liefen meine Schwestern und ich die Grenzen unseres Reviers ab. Es war nichts sonderlich interessantes passiert, was mal eine schöne Abwechslung war. Wir liefen an der südlichen Grenze unseres Reviers entlang und beobachteten den Weg vor uns genau, damit uns keine Spuren entgingen. Nach einer Weile trafen wir allerdings auf eine, die uns zu bedenken gab. Es waren Reifenspuren eines großen Geländewagens. Sie führten einmal reinwärts in unser Revier und einmal hinaus.

"Scheinbar war das der Wagen mit den Menschen, die Jaba erschossen und weggebracht haben.", schlussfolgerte ich und sah meine Schwestern an, die sich beunruhigt umsahen. Unruhig wandte auch ich meine Sinne in die Umgebung, während meine Augen die Spuren genauer absuchten.

"Wir müssen dem Rudel Bescheid geben und so schnell wie möglich von hier weg. Vielleicht haben die ihr Lager hier irgendwo.", flüsterte Amandla ängstlich.

"Ich glaube weniger, dass die so dumm sind und hier in der Nähe ihr Lager aufschlagen. Die wissen doch, dass wir in der Nacht im Vorteil sind und, dass man sich in der Nähe von Löwenrudeln nicht aufhalten sollte, auch wenn sie die Waffen hätten, um sich zu verteidigen.", erwiederte Amera mit fester Stimme. Leider hatte ich da so meine Zweifel. Es würde bestimmt Menschen geben, die das taten.

"Eine von uns sollte zum Rudel gehen und ihnen Bescheid sagen, wohin sie gefahren sind.", schlug ich vor und Amandla meldete sich sofort als Freiwillige. Die Tatsache, dass die Wilderer sich in der Nähe aufhalten könnten, verängstigte sie. Amera bewahrte, wie immer, einen kühlen Kopf, was irgendwie beruhigend war. Während Amandla zum Rudel zurücklief, um denen Bescheid zu sagen, dass wir die Reifenspuren gefunden haben, liefen Amera und ich weiter an der Grenze entlang und achteten auf Spuren. Ich beobachtete ganz genau den Weg vor mir und Amera tat neben mir genau das gleiche, bis sie plötzlich den Kopf hob und schnüffelte. Erst sah ich sie nur verdutzt an, doch dann roch ich es auch. Der Wind wehte von Westen und uns direkt ins Gesicht und mit dem Wind kam auch der Geruch. Der Geruch nach fremden, männlichen Löwengestaltwandlern und sie waren in unserem Revier. Schockiert sahen meine Schwester und ich uns an. Wir wussten beide, was das bedeutete.

"Das darf nicht passieren! Wir müssen sie warnen, auch wenn ein Kampf nun unausweichlich ist.", sagte ich und drehte mich in die Richtung in der sich das Rudel gerade aufhielt. Erwartungsvoll sah ich meine Schwester an, die wie versteinert dastand und schließlich anfing zu flüstern.

"Er ist unausweichlich. Sie haben bereits die Grenze zu unserem Gebiet überschritten. Es ist klar, was Papa, Mojo und Pakka jetzt tun werden. Wir müssen sie warnen gehen, bevor die Fremden den Überraschungsmoment ausnutzen und unsere Familie im Nachteil ist."

Wir rannten los, wie von Büffeln verfolgt in Richtung des Rudels. Wir Löwen waren Sprinter, weshalb wir nicht lange durchhalten konnten. Schon nach kurzer Zeit ging mir die Luft aus aber ich zwang mich weiterzulaufen, damit wir rechtzeitig ankamen und dem Rudel Bescheid geben konnten.

Wir waren fast da und plötzlich wurden wir aufgehalten.

"Niara! Amera! Ihr solltet doch die Grenzen ablaufen und keine Rennen veranstalten. Ihr seid keine Halbwüchsigen mehr, die ihre Schnelligkeit austesten wollen.", riss uns die Stimme unseres Onkels aus der Bahn uns wir blieben aprupt stehen. Pakka kam uns entgegen und sah uns streng an, bis er unsere panischen Gesichter sah.

"Was ist geschehen?", fragte er und wir rangen nach Atem.

"Sprecht endlich! Amandla wollte mir gerade die Stelle zeigen, an der der Geländewagen die Grenze zu unserem Gebiet überfahren hatte und das möchte ich mir gerne heute noch ansehen."

Ich holte tief Luft und begann zu erklären.

"Wir sind..., nachdem Amandla gegangen ist..., noch etwas weiter an der Grenze entlang gelaufen und dort kam von Westen ein starker Geruch. Es roch nach fremden Löwen. Sie schienen bereits die Grenze überquert zu haben."

"Normale Löwen? Oder Löwen unserer Art?", fragte er beunruhigt.

"Es waren Löwen unserer Art und alle männlich. Wie viele es waren, kann ich nicht sagen.", keuchte ich und setzte mich hin.

Pakka starrte uns noch eine Weile an und rannte dann zum Rudel zurück. Amandla sah uns verängstigt an.

"Seid ihr sicher? Denn wenn das wahr ist, sollten wir verschwinden, wenn uns unser Leben lieb ist."

"Amandla, wir sind aus dem Alter raus, indem fremde Löwen uns so einfach töten werden, nur um sich später an unserer Mutter vergreifen zu können.", sagte Amera mit fester Stimme, während sie sich wieder aufrappelte und uns gebieterisch ansah. Sie wollte genauso wenig wie wir, dass Papa und seine Brüder vertrieben und durch fremde Typen ersetzt werden, aber sie war eine kämperische Natur und würde niemals etwas so leicht aufgeben. Wir würden zwar auch kämpfen um die Familie zu verteidigen doch, wenn man uns sagen würde, dass wir gehen sollten, um uns in Sicherheit zu bringen, würden Amandla und ich es tun. Es klang feige, doch waren wir leider nicht so wie Amera, kämpferisch und stark. Sie würde niemals weggehen, wenn sie genau wusste, dass sie gebraucht wurde.

Ich stand ebenfalls auf und hoffte, dass wir alle es heil überstehen würden. Wir bewegten uns auf die Familie zu, die inzwischen in heller Aufregung war. Unsere Cousins wurden weggeschickt, um sich in Sicherheit zu bringen. Alle die in unserem Jahrgang waren, sie alle wurden von ihren Vätern und Onkeln weggeschickt, nicht nur um sich in Sicherheit zu bringen, sondern auch, weil sie nun alt genug waren, um selbst für sich zu sorgen. Amera führte uns zu unserer Mutter die aufgelöst am Rande stand und zusah, wie unsere männlichen Verwandten uns für immer den Rücken kehrten und gingen. Unsere Mutter sah uns entgegen und schüttelte den Kopf. Ich legte den Kopf schief, da ich nicht wusste, was sie meinte. Sie schüttelte abermals den Kopf und sah uns eindringlich an, bevor sie etwas sagte, das meine Welt die Klippe hinunterstieß.

"Geht!", sagte sie zuerst ganz leise, doch als wir immernoch dastanden und sie anstarrten, fauchte sie und schrie dieses Wort. In ihren Augen bildeten sich Tränen und Amandla ging zögerlich zu ihr, um sie zu trösten, doch jetzt kam unser Vater und ging dazwischen. Er fauchte uns an und hieb mit seiner Pranke nach Amandla. Diese rannte erschrocken zu uns zurück und versteckte sich hinter uns. Amera und ich traten langsam den Rückzug an und drängten damit die nun schluchtzende Amandla weg vom Rudel, damit sie nicht noch einmal auf die Idee kam, sich einem von ihnen zu nähern. Wir waren nun ausgestoßen. Die Familie würde uns nicht mehr haben und versorgen wollen.

Dieser Gedanke fasste in meinem Kopf Fuß und ich drehte mich um und rannte weg. Das Fauchen hinter mir, bestätigte diese Tatsache noch mehr und ich bemerkte, wie meine Schwestern zu mir aufschlossen. Wir rannten durch die Dunkelheit und bemerkten sofort, wann wir die Grenze des Reviers überschritten.

Löwen - Das Geheimnis der SavanneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt