40. Kapitel. Kämpfe und Blutbäder

513 30 14
                                    

"Und was machst du jetzt? Wo sie dich verlassen hat, um mit ihrer Schwester abzuhauen und dich schwer verletzt zurückgelassen hat? Was tust du jetzt?", fragte sie mich zum hundertsten Mal, während ich neben ihr durch die Gänge der Firma meines Vaters lief. Er wollte unbedingt, dass ich es mir nochmal überlegte, bevor ich endgültig nein sagte. Ich konnte kaum in die Zellen sehen, die sich links und rechts von mir anreihten.

"Halt doch einmal in deinem Leben die Klappe, Waris!", fauchte ich sie an und lief weiter auf die Ausgangstür zu, ohne auf die Zellen und das Wimmern der Gestaltwandler darin zu achten. Ich musste nur noch eine Station hinter mich bringen, bevor ich wieder verschwinden konnte. Meiner Meinung nach war das die widerwärtigste Station auf dem ganzen Gelände. Das Paarungshaus.

Draußen, als ich endlich wieder an der frischen Luft war, atmete ich tief durch. Die Sonne ging schon langsam unter. Bald hatte ich es geschafft.
Doch konnte ich den Augenblick nicht genießen, da Waris sofort wieder an meine Seite trat. Sie war mir, seit ich mit Hodari gekämpft und verletzt im Gras gelegen hatte, nicht von der Seite gewichen. Sie hatte mich gefunden und mich wieder auf die Beine gebracht, wofür ich ihr auch dankbar war, doch nie ließ sie mich mal allein.

Noch dazu fragte sie mich ständig über meine Einstellung zu Niara aus. Es tat weh, dass sie weggegangen war, um mit ihrer Schwester ein neues Leben zu beginnen, doch sie hätte sich wenigstens in den Wochen danach noch verabschieden können. Waris hatte mir erklärt, dass sie gesehen hatte, wie die beiden im Dickicht verschwunden waren, ohne sich auch nur umzudrehen.
Ich seufzte und ging weiter. Immer wenn ich an sie dachte, wurde ich traurig. Es hätte anders ablaufen können.
Ich spürte, wie Waris mich von der Seite beobachtete. Sie war hier auf diesem Gelände aufgewachsen, nachdem ihr Rudel ausgelöscht wurde und als mein Vater mir die Firma zum ersten Mal zeigte, hatten wir uns sofort gut verstanden. Nachdem ich etwas auf ihn eingeredet hatte, beschloss er, sie selbst auszubilden. Sie begann die Menschenfressenden Rudel aufzuspüren und einem von ihnen einen Sender zu verpassen, sodass die Angestellten meines Vaters nur noch hinfahren und die Löwen einfangen mussten. Sie sorgte dafür, dass die Firma niemals arbeitslos wurde, weshalb sie hohes Ansehen bei meiner Familie hatte.

Plötzlich riss mich ein Rufen aus den Gedanken.
"Amaniel! Dreh dich um! Verdammt nochmal.", rief jemand hinter mir und ich erkannte schon an der Stimme, wer es war.

Lächelnd drehte ich mich um und zog Vinz in eine kräftige Umarmung. Ich war froh ihn hier zu sehen. Er machte meine Situation etwas erträglicher.
"Ich muss etwas mit dir besprechen.", sagte er, als er sich von mir entfernte, mit einem Seitenblick auf Waris.
Ich deutete ihr stehenzubleiben und ging mit Vinz ein Stück weg. Stirnrunzelnd betrachtete ich den Verband an seinem Arm, doch er schüttelte nur mit dem Kopf.

"Sie ist hier. War es die ganze Zeit.", sprudelte es nur so aus ihm heraus. Ich brauchte einen Moment bis ich begriff, was er da sagte.
"Wo?", fragte ich nur und wir setzten uns gleichzeitig in Bewegung. Er führte mich in eine Richtung, die mir ganz und gar nicht gefiel und meine Schritte beschleunigten sich von allein. Schon von weitem hörte ich aggressives und frustriertes Fauchen.
Sie durfte nicht da drin sein! Nicht sie!
Ich erkannte ihre Löwenstimme, die immer ängstlicher wurde. Panik machte sich in mir breit.

Plötzlich zerrte jemand an meinem Arm und zwang mich, mich umzudrehen. Waris sah mich an. Ihr Blick war verzweifelt und sorgte zwischen mir und dem Paarungshaushin uns her.
"Geh da nicht hin! Wag es nicht! Sie hat es verdient, hier drin zu versauern.", zischte sie. In diesem Augenblick bekam die Freundschaft, die wir über Jahre aufgebaut hatten, Risse. Hatte sie Niara bewusst da hineingezogen? Hatte sie die Jäger in mein Haus einbrechen lassen? Hatte sie dafür gesorgt, dass Niara einen Sender unter der Haut hatte? Der Sender würde zumindest den komischen Geruch erklären, der aus ihrer Schulter gekommen war.

Löwen - Das Geheimnis der SavanneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt