39. Kapitel. Ameras Ängste

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"Am liebsten würden die Forscher ihn auseinandernehmen, weil er anders ist.", flüsterte mir Amera zu. Schockiert sah ich zu dem Kleinen, der ruhig in der Ecke saß und sich selbst beschäftigte.

"Das dürfen sie nicht. Er ist doch noch ein Kind, ein Junges.", erwiederte ich erschrocken.

"Noch lassen sie die Finger von ihm, da sie wissen, dass ich ihnen meinen Jungen nicht ohne weiteres ausliefere. Es reicht, dass sie seinen Bruder haben sterben lassen.", sagte sie verächtlich.

"Ich dachte, er sei bei der Geburt gestorben. Das wurde mir so gesagt."

"Nein. Er hätte leben können. Sie haben nur sofort mit den Experimenten angefangen, kaum, dass er auf der Welt und Soel unterwegs war. Während sie meinen Erstgeborenen in der Mangel hatten, wurde er geboren und so schnell, wie es eben ging, habe ich ihn zu mir geholt und beschützt.
Ich werde nie vergessen, wie seine Schreie im Nebenraum sich erst veränderten und plötzlich aufhörten und anschließend der massive metallische Geruch von Blut in der Luft lag."
Tränen sammelten sich in ihren Augen und rannen anschließend ihre blassen Wangen hinunter.
"Sie hatten mir erklärt, dass der Junge einfach zu schwach gewesen sei, doch ich wusste es besser. Ich hatte ihn gesehen, als sie ihn hochgehoben und auf eine Trage gelegt hatten. Er war groß und kräftig.
Nachdem sie den einen umgebracht hatten, wollten sie den anderen, doch bis jetzt hatte ich es geschafft, ihn bei mir zu behalten. Ich sehe ihre geiernden Blicke, wenn sie hier reinkommen und uns das Essen bringen. Sie wollen ihn unbedingt näher erforschen. Sie werden kommen, Niara und bis dahin müssen wir hier weg sein.", sagte sie unter Tränen. Obwohl die Kinder von einem boshaften Vater abstammten, für den sie nichts konnten, liebte meine Schwester sie über alles. Ich konnte sie verstehen, selbst wenn ich noch keine eigenen Nachkommen hatte.

Ich nahm meine Schwester in den Arm. Obwohl ich längst alle Hoffnung verloren hatte, hier jemals herauszukommen, gab mir das alles hier Kraft, mir einen neuen Plan zu überlegen. Wir würden hier rauskommen, egal wie. Meinen kleinen Neffen würden sie nie bekommen.

"Wir werden hier rauskommen. Das verspreche ich dir. Soel wird in Freiheit aufwachsen und nicht hier drin.", erklärte ich entschlossen und zog mich zurück. Zittrig nickte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Soel hatte inzwischen bemerkt, dass seinte Mutter weinte und umarmte ihr Bein.

"Alles wird gut, Mami.", sagte er. Amera riss sich zusammen und streichelte seinen Kopf.
"Ja das wird es, mein Kleiner.", versprach sie und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich nickte und zuckte zusammen als plötzlich die Tür geöffnet wurde und ein Wärter hereinkam.
Er war groß und wirkte dominant und unnachgiebig. Finster starrte er mich an.

"Du sollst wieder zurück in die Box. Es wartet noch eine Untersuchung auf dich.", sagte er und wartete bis ich mich langsam in Bewegung setzte.
Im Türrahmen drehte ich mich nochmals zu Amera und Soel um.
Meiner Schwester nickte ich zu und meinem Neffen schenkte ich ein tröstendes Lächeln.
Der große Wärter hatte ihm Angst eingejagt, sodass er sich nun hinter dem Bein seiner Mutter versteckt hatte.

Für das Leid, das sie uns angetan hatten, würden sie alle bezahlen. Entschlossen verwandelte ich mich zurück und krabbelte in die Box.
Die Wärter brachten mich zurück in das Gebäude, in dem auch meine Zelle war. Doch statt mich direkt wieder in den Raum zu zwingen, liefen sie zu einem der Untersuchungsräume. Ich knurrte leise. Was hatten sie jetzt wieder vor?

Bevor ich allerdings herausgelassen und gezwungen wurde mich auf die Liege zu legen, spürte ich einen Stich in meinem Oberschenkel.
"So meine Süße, das wird dich für eine Weile betäuben und ich werde sehen, was ich herausfinden kann. Schließlich wollen wir doch, dass du nicht mehr lange allein bist. Ein Junges könnte dir gut tun.", sagte ein Mann im weißen Kittel und sah mir in die Augen.
Wütend fauchte ich ihn an und vergrub meine Krallen im Material der Transportbox. Ich würde hier niemals Junge bekommen. Nicht ein einziges.
Das konnten sie vergessen.

"Nana, nun beruhig dich mal, sonst muss ich dir noch ein Beruhigungsmittel geben. Es ist ja erst einmal eine Untersuchung, ob du fruchtbar bist und erst, wenn du es bist, werden weitere Maßnahmen folgen." Er lächelte freundlich und langsam begann die Betäubung zu wirken. Von der Frau, die die Untersuchungen leitete, war nichts zu sehen. Mir wurde schwindelig, doch noch wollte ich nicht aufgeben. Er konnte vergessen, dass ich es ihnen leicht machte, mich zu untersuchen.
Ich fauchte alle an, als sie selbstbewusst die Tür der Box öffneten und mich herausziehen wollten. Hände grapschten nach meinen Vorderbeinen und als die erste Hand mein Bein umschloss, biss ich zu.
Kreischend versuchte ein kleinerer Wärter seinen Arm zurückzuziehen, doch ich biss nur noch fester in sein Handgelenk. Blut floss in meinen Mund und zu den Seiten wieder heraus. Die Männer versuchten ihn zu befreien, indem sie mir Stöcke in die Seiten pieksten, um mich davon abzubringen, nochmals zuzubeißen. Allerdings störte mich das nur wenig. Der Schwindel wurde schlimmer und angestrengt versuchte ich ihn nicht loszulassen. Mit seinem Arm im Maul kippte ich schließlich auf die Seite und gab dem Mittel nach.

Frische Luft umgab mich und eine sanfte Brise zerzauste mir das kurze Fell. Mein Körper lag schwer auf dem Gras und ließ sich nicht so leicht bewegen. Wie gerädert öffnete ich die Augen.

Ich war nicht in meiner Zelle, soviel war klar, aber wo war ich dann? Irritiert sah ich mich um. Das war ein Außengehege, stellte ich verwundert fest. Ich stand auf, um einen besseren Überblick zu haben. Meine Beine fühlten sich an, als bestünden sie aus Gummi. Übelkeit überkam mich, doch es ließ sich ertragen.
Der Zaun, der mich umgab, streckte sich einige Meter weit und endete immer an der Mauer eines Gebäudes. Ich war also zwischen zwei Häusern in den Zwischenraum gesperrt worden. Es war ein kleiner Auslauf. Etwa dreimal so groß, wie meine Zelle. Ein paar Baumstämme waren zusammengebaut wie, um eine Art Klettergerüst zu bilden. Stirnrunzelt betrachtete ich das Gebilde und trat näher.
Tiefe Krallenspuren waren darauf zu sehen, sogar einige kleine Fellbüschel.
Ich roch daran und schrak zurück.
Zeitgleich erhob sich die Stimme des Professors über die abendliche Stille.

"Hast du schon erraten, weshalb du in diesem Gehege bist? Ich kann dir versprechen, er ist kein sanfter Liebhaber.", sagte dieser schmierige Typ lächelnd.
Die wollten einen Vollblutlöwen zu mir hereinlassen?! Dass ich hier ein Junges zur Welt brachte?! Ohne mich. Ich fauchte diesen Mistkerl an.
Plötzlich hörte ich ein Quitschen von der Seite und stellte entsetzt fest, dass sich eine Schiebetür in der Wand öffnete.

Rückwärts drängte ich mich an den Zaun und fauchte den Löwen an, der da siegessicher herauskam.

Löwen - Das Geheimnis der SavanneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt