46. Kapitel. Ein Problem nach dem anderen

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Ich schloss die Augen und spürte, wie das kleine, scharfe Messer Millimeter für Millimeter tiefer in meine Haut schnitt. Ich zwang mich auszuatmen, was mir auch zischend gelang. Heißes Blut floss meinen Arm hinunter und wurde schließlich von einem Tuch aufgehalten, das von Aman auf meine Haut gedrückt wurde. Wir sahen uns einander in die Augen, während Jioni an meiner Schulter herumwerkelte. Sein Blick war sanft und beruhigend, doch ein wenig Anspannung konnte ich darin erkennen. Er bereitete sich darauf vor, mich festzuhalten, falls Jioni eine besonders scherzhafte Stelle erwischen sollte. Wieder schnitt sie tiefer und ich riss mich zusammen. Ich hatte schon schmerzhafteres durchgestanden, da würde ich das hier auch durchhalten. Ich musste da durch, wenn ich nicht für den Rest meines Lebens auf der Flucht sein wollte. Ich wandte meinen Blick zu Jioni, die Probleme damit hatte, durch das ganze Blut zu sehen, was sie da tat. Sie griff schließlich zu einer kleinen Flasche mit einer klaren Flüssikeit darin und schüttete ein wenig davon in meine Wunde. Ich fauchte und mein Instinkt war kurz davor Überhand zu nehmen,weil das Brennen in der Wunde so stark war. Aman war blitzschnell an einer Seite und drückte mich zurück in den Stuhl, wobei er aber sorgsam darauf achtete, Jioni nicht in die Quere zu kommen. Diese war von meinem Ausbruch nicht überrascht und wandte sich unbekümmert wieder dem Schnitt zu, aus dem nun eine Mischung aus Alkohol und Blut floss. Sie tupfte es sorgsam weg und untersuchte ihre bisherige Arbeit, während sie die Ränder des Schnittes ein wenig auseinanderzog. Leise knurrte ich, als sie die Pinzette in die Hand nahm und diese zum Weiten der Wunde nutzte. Aman streichelte beruhigend meinen Unterarm, schien aber in Gedanken bei Jionis Arbeit zu sein.

Plötzlich schrie die Leopardin begeistert auf, was mich zusammenzucken ließ, da ich diese angespannte Stille gewohnt war. Aman starrte sie erschrocken an.

"Ich habe es!", rief sie und machte sich erneut mit der Pinzette über die Wunde her. Sie zog etwas scharfkantiges aus der Wunde und betrachtete es unter der Lupe. Im Griff der Pinzette lag ein winziges Metallplättchen, welches sich mit dem bloßen Auge kaum erkennen ließ. Ich blinzelte als sie die Pinzette mit dem Plättchen auf den weißen Tisch  neben sich legte und eine Nadel zur Hand nahm. Sorgfältig vernähte sie den Schnitt und ließ noch etwas von der klaren Flüssigkeit darüber laufen. Ich fauchte erneut, doch das schien sie nicht zu beeindrucken, während sie die Flüssikeit abtupfte.

Amans Blick ruhte erleichtert auf mir, während er meine Hand in seine nahm. Ich ließ meinen Kopf zurückfallen an die Lehne und atmete tief durch.

Jioni wuselte neben mir herum und machte irgendetwas, das ich nur am Rand registrierte. Plötzlich hielt sie mir ein kleines Viereck vor die Nase, das sich als kleine Schachtel herausstellte. Ich nahm sie zwischen die Finger und schaute durch die kleinen durchsichtigen Wände. dort war das winzige Metallplättchen und klapperte, während ich die Schatulle bewegte.

"Also wie werden wir das Mistding los?", fragte ich und sah die beiden abwartend an.

"Ich gehe demnächst in die Stadt, da kann ich das Teil mitnehmen und in den nächsten Fluss werfen.", bot sie an und nahm mir das Teil aus der Hand, um es selbst noch einmal genaustens zu betrachten, dann gab sie es weiter an Aman. Auch er betrachtete es genaustens, legte es aber nach einer Weile verächtlich dreinblickend weg. Er nickte Jioni zu, um ihrem Vorschlag zuzustimmen. Mir gefiel es nicht, sie allein mit dem Teil gehen zu lassen und das sagte ich auch.

"Niara, ich würde schneller vorrankommen und wenn ich erwischt werden würde, kennt mich keiner. Sie würden mich kaum durchschauen. Außerdem weiß ich, wie ich mich unauffällig verhalte.", sagte sie und verdrehte ihre grünen Augen. Skeptisch sah ich sie an. Konnte sie das wirklich schaffen? Ich setzte mich auf und ignorierte den Schmerz in meiner Schulter. Aman sah Jioni dabei zu, wie sie mir in die Augen starrte. Stumm fechteten wir unsere kleine Diskussion aus, bis ich schließlich aufgab und blinzelte. Ich hoffte nur, dass sie es schaffen würde.

"Wann gehst du los?", fragte Aman und sah sie abwartend an.

"Ich will nachher noch zusammenpacken und dann los.", sagte sie und räumte die Sachen zusammen, die sie eben noch benutzt hatte. Aman nickte und half mir beim Aufstehen. Amera kam mit Soel an der Hand rein.
"Habt ihr es geschafft?", fragte sie und fing reflexartig die Schachtel auf, die Aman ihr zuwarf. Interessiert betrachtete sie das kleine Teil und warf es kommentarlos wieder Aman zu, der es auffing und Jioni gab. Diese packte es in ihre Jackentasche und räumte weiterhin ihre Sachen auf.
"Danke Jioni.", sagte ich und neigte respektvoll den Kopf als sie überrascht zu mir sah. Sie zuckte nur mit den Schultern und drehte sich weg. Verdutzt sah ich auf ihren Hinterkopf, bis Aman sanft meine Hand nahm und mir deutete, dass es Zeit war zu gehen."Jioni, wir machen uns auf den Weg.", sagte Aman, bekam aber nichts als nur ein Schulterzucken als Antwort.

Nacheinander stiegen wir die Leiter hinauf und Aman klappte die Falltür wieder zu, als alle oben waren und scharrte Sand in die Ritzen, die deutlich zu sehen waren. Anschließend gingen wir zurück zum Haus. Noch vor der Straße zum Haus verwandelte sich Aman und deutete uns, es ihm nachzumachen. Es dauerte eine Weile bis auch Soel in seiner Welpengestalt war und um die Beine seiner Mutter schlich. Wie gebannt starrte ich den Jungen an, dessen Fell beinah vollständig weiß war. Stirnrunzelnd sah ich zu Aman, als ich mich vom Anblick meines Neffen losgerissen hatte, der mir einen bedeutsamen Blick zuwarf. Ich verstand und leise schlichen wir hinter ihm her. Die Kleider hatten wir auf einen Haufen abgelegt, den wir später noch holen konnten, wenn die Luft rein war. Der Wind war heute nicht auf unserer Seite so, dass wir nicht riechen konnten, ob dort wirklich jemand lauerte.

Irgendetwas an Amans Blick hatte eine Unruhe in mir ausgelöst, die nun nicht mehr wegzubekommen war. Aber falls dort oben jemand auf uns wartete, hatte er uns wahrscheinlich schon auf der Ebene gesehen, oder? Mit diesen Gefühl liefen wir weiter, leise durch die Büsche.

Kurz bevor sich das Gestrüpp lichtete, sah ich besorgt nach hinten zu Amera, die Soel am Nackenfell im Maul trug. Sie warf mir einen angespannten Blick zu, der verriet, dass auch sie nichts Gutes ahnte. Leise murrend sah ich wieder zu Aman, der nun vor mir in Lauerhaltung ging und vorsichtig zur Einfahrt sah.

"Amaniel, du kannst rauskommen. Wir wissen, dass du da bist.", rief eine mir bekannte Stimme und plötzlich drehte der Wind und ich roch Menschen. Ich verspannte mich vollständig und sah ängstlich zu Aman, der versuchte mir einen beruhigenden Blick zuzuwerfen. Er deutete mir hier mit Amera zu warten und ging aus der Deckung, bevor ich ihn davon abhalten konnte. Sie hatten uns gefunden.

Löwen - Das Geheimnis der SavanneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt