34.Kapitel. "Wollen wir?" "Wir müssen."

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Die Zeit hätte nicht schneller vergehen können, vor allem, wenn man geschlafen hatte.

Erst am Abend standen wir auf und gingen ins Haus zurück. Aman wollte unbedingt nocheinmal nach meiner Schulter schauen, bevor wir aufbrachen. Ich fragte mich, was es da noch anzuschauen gab, wenn es doch verheilt war.

"Es ist nur zu deinem Besten.", hatte er gesagt, nachdem ich unter dem Baum wieder aufgewacht war und genervt aufgestöhnt hatte, als er mir offenbart hatte, dass er vor unserem Aufbruch die Einstichstellen noch einmal sehen wollte.

Nun saß ich im Wohnzimmer auf der Couch und ließ ihn machen. Mit erschreckender Genauigkeit schien er sie zu untersuchen, fuhr dabei aber mit der linken Hand ständig meinen Hals entlang, wie, um mich abzulenken. Ich schauderte leicht und kurz darauf hörte ich ein kleines belustigtes Schnauben hinter mir. Er ließ schließlich von meiner Schulter und meinem Hals ab und gerade als sich Enttäuschung in mir breit machen wollte, weil er mich losgelassen hatte, spürte ich seine Lippen auf meinem Hals. Ein Schauer durchfuhr mich und ein Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit.

"Lach nicht so fies! Du hast mich noch lange nicht in der Hand.", sagte ich fies grinsend. Ob diese Lüge durchschaubar war? In Wahrheit hatte er mich schon seit Langem in der Hand.

"Ach ja? Es hört sich aber irgendwie anders an.", sagte er leise und gab mir noch weitere Küsse auf den Hals.
So ein fieser Mistkerl!

Lächend hob ich die Hand und streichelte sanft seine Wange.
"Wir sollten uns darauf konzentrieren, was wir als nächstes tun. Danach können wir uns um uns kümmern.", sagte ich und wandte ihm mein Gesicht zu. Er wich ein Stückchen zurück und sah mir in die Augen.

"Na gut, ich packe schonmal alles zusammen und dann ins Auto. In einer halben Stunde brechen wir auf.", seufzte er und die Enttäuschung in seiner Stimme war deutlich zu hören. Kaum als er aus dem Raum gegangen war, seufzte auch ich laut auf.
Ach verdammt. Ich hätte gern noch länger hier mit ihm gesessen, doch Amera zu befreien, war im Moment wichtiger. Ich stand auf und ging in mein Schlafzimmer. Auf meinem Bett lag ein Rucksack in den ich ein paar meiner Kleidungsstücke einpackte. In der Küche packte ich mir noch einige Snacks für unterwegs ein.

Es dauerte nicht lange bis ich abmarschbereit am Auto stand und Aman dabei beobachtete, wie er alles im Auto vorbereitete. Wir würden dort schnell abhauen müssen, sobald wir Amera von dort mitgenommen und Aufmerksamkeit erregt hatten.

"Hast du alles?", fragte er. Ich nickte nur. Nun machte sich langsam Nervosität in mir breit.

"Hast du auch die Ersatzkleidung dabei, falls du dich verwandeln musst?" Wieder nickte ich nur. Es wurde Zeit, dass wir das jetzt hinter uns brachten. Ich stieg auf der Beifahrerseite ein und atmete tief durch. Wenn das vorbei war, würde ich mir ersteinmal eine lange Auszeit nehmen und diese mit Aman genießen. Eine Zeit lang ohne Stress und Sorgen. Das wäre schön. Schließlich stieg auch Aman ein und ließ den Motor anspringen.

"Wollen wir?", fragte er mit einem Seitenblick auf mich.

"Wir müssen.", antwortete ich und sah anschließend stumm durch das Glas.

Aman wendete noch in der Einfahrt und fuhr die Straße hinab auf die Ebene und von dort aus immer weiter nach Westen.

-Aman-

Die Straße war holprig und voller Schlaglöcher, es würde nicht mehr lange dauern bis wir die Grenze zu Hodaris Revier überquerten. Das Fenster hatte ich für alle Fälle heruntergekurbelt, damit ich spätestens am Geruch bemerkte, wann wir da waren.

Ich sah kurz zu Niara. Trotz des Geschaukel war sie tief und fest auf dem Beifahrersitz eingeschlafen. Ich hatte mir, bevor wir losgefahren waren, einen genauen Überblick über die Reviergrenzen verschafft und glücklicherweise gab es, wie in jedem anderem Revier, auch hier eine Schwachstelle. Von Osten her, war es nicht sonderlich weit bis zum Dorf und daher nicht besonders gut geschützt. Die Grenzen, die etwas außerhalb lagen wurden mehr beschützt, als die die vom Dorf aus zu sehen waren.

Nach der nächsten Kurve roch ich es. Der Gestank drang förmlich ins Auto. Er war so penetrant, wie es auch der Erzeuger des Geruchs war. Ich schaltete das Licht des Wagens aus und fuhr noch ein ganzes Stück weiter, bis zu einem Ort, wo ich das Auto zwischen einigen Büschen verstecken konnte.

Als das Auto schließlich stand, sah ich zu dem noch immer schlafenden Kätzchen neben mir.

"Niara, es ist soweit. Wir sind da."

Ihre Augen öffneten sich flatternd und kaum hatte sie realisiert, wo wir waren, spannte sie sich an und knurrte leise. Vorsichtig nahm ich ihre Hand und automatisch schien sie sich etwas zu beruhigen.

"Also, ich habe mir eine Vorgehensweise überlegt, die vielleicht brauchbar wäre. Ich locke Hodari und den Großteil seiner Löwinnen nach draußen und du suchst da drin nach deiner Schwester und holst sie da raus. Du hast leider nicht viel Zeit. Ich hatte mir auf die Schnelle diesen Plan überlegt und er erschien mir sinnvoller als da einfach hinein zu spazieren und deine Schwester zusammen zu suchen." So waren die Chancen, dass sie erwischt wurde, um einiges geringer. Wenn sie sie in ihre Finger bekamen, würde Hodari ihr keinen schnellen Tod gönnen, soviel war sicher.

"Und was, wenn sie dich erwischen?", fragte sie mit forschendem Blick und zog ihre Hand zurück. Unruhig suchte ich nach einer Ausrede. Ich wollte nicht direkt auf ihre Frage antworten.

"Wenn alles gut geht, treffen wir uns wieder hier und ich fahre uns heim. Wenn ihr allerdings früher als ich hier seid und ihr verfolgt werdet, fährst du heim. Nimm dann bloß keine Rücksicht auf mich. Ich komme dann nach. Versprich mir, dass du dich und deine Schwester in Sicherheit bringst!", forderte ich und ich konnte sehen, wie sie mit sich rang. Würde sie zustimmen? Ein paar Minuten verstrichen aber es fühlten sich wie Stunden an.

"Niara, wir müssen uns beeilen, vielleicht haben sie das Auto schon gerochen oder gehört."

"Na schön.", knurrte sie wiederspenstig und öffnete vorsichtig die Beifahrertür. Ich stieg nun auch aus und lief zu ihr hinüber. Unsicher sah sie zu mir auf. Bekam sie etwa gerade jetzt Zweifel?

"Bevor du gehst, habe ich noch etwas für dich.", sagte ich und erntete sofort einen misstrauischen Blick.

"Verwandel dich nur, wenn du es unbedingt tun musst, okay?" Sie runzelte die Stirn und bevor sie irgendwelche Fragen stellen konnte, lagen meine Lippen auf ihren. Es war nur ein kurzer, unschuldiger Kuss, doch er hatte ausgereicht, um ihr den Dolch wortlos in die Hand zu geben, mit dem sie sich in Menschengestalt verteidigen konnte.

"Sei vorsichtig.", flüsterte ich und entfernte mich langsam von ihr.

"Komm unversehrt zurück.", erwiederte sie, drehte sich um und rannte Richtung Dorf. Ich beobachtete noch, wie sie sich vorsichtig dem Zaun näherte.

"Na schön, dann spielen wir mal ein bisschen den Köder.", sagte ich entschlossen und lief ein ganzes Stück vom Auto weg, ehe ich das erste Mal auf mich aufmerksam machte.

Löwen - Das Geheimnis der SavanneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt