13.Kapitel. der Weg

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Während des nächsten Tages, bereiteten sich alle auf die Jagd und die spätere Dankesfeier vor.
Der Platz rund um das Lagerfeuer wurde mit roten Lampen und Tüchern geschmückt, während die Hütten ausgefegt und ebenfalls geschmückt wurden. Am Vormittag hatte ich unsere Hütte auf Hochglanz gebracht und selbst ein bisschen was aufgehangen. Ich fragte mich, wieso sie alles nur in Rot schmückten. Als ob es keine anderen Farben gäbe und als ich Waris fragte, zuckte diese bloß mit den Schultern und widmete sich wieder ihrer Arbeit, des Bestickens eines beigen Tuches mit roten Mustern. Sie arbeitete filigran und ordentlich. Die Muster waren kleine Ranken die den Stoff emporkletterten.
Am Abend wurde es ein wenig ruhiger und alle versammelten sich wieder am Lagerfeuer. Waris versuchte mir und Amera das Sticken beizubringen, doch ich hatte nicht die Geduld dafür und scheiterte kläglich. Amera schlug sich deutlich besser als ich und versuchte mich davon zu überzeugen, dass ich es ebenfalls könnte. Doch dass ich es nicht unbedingt können wollte, schien sie nicht zu begreifen. Erst als ich entschied, schlafen zu gehen, ließen mich die beiden in Ruhe. Müde tapste ich dann in die Hütte, die ich mir nach wie vor mit meiner Schwester teilte und legte mich auf die Decken. Eine ganze Weile verging ohne, dass ich Schlaf fand. Ich bemerkte sogar, wie Amera wenig später hereintrat und sich auf ihren Platz legte. Erst als ich ihren regelmäßigen Atem hörte fielen meine Augen endlich zu und ich schlief bis zum Morgengrauen als Hodari uns alle mit seinem Brüllen weckte.

Murrend und ihn innerlich verfluchend stand ich auf und trat mit Amera hinaus. Meine Schwester sah genauso müde aus, wie ich mich fühlte. Die Sonne war noch nicht zu sehen, doch im Osten wurde es langsam hell und am Lagerfeuerplatz stand eine Horde müder Löwinnen mit hellwachen Welpen und Hodari an ihrer Seite. Im Gegensatz zu uns anderen stand er in seiner Löwengestalt da, während wir in unserer menschlichen Gestalt zu ihm stolperten.
Eine alte Löwin trat hervor und fing ohne Umschweife an zu sprechen.

"Die Löwinnen und Löwen, die heute an der Jagd teilnehmen werden, werden sich nun um Alpha Hodari sammeln und sich verwandeln, wenn er es gestattet. Es wird ein weiter Weg werden und deshalb macht ihr euch in wenigen Augenblicken auf den Weg. Zur Mittagshitze wird eure erste Pause sein, dann nochmal bei Sonnenuntergang, bevor die Jagd beginnt. Die Mütter, die für ihre Jungen sorgen müssen, bleiben hier und hüten gleichzeitig das Dorf, zusammen mit den Ältesten. Zwei von den jungen Männchen, die sich schon bewährt haben, fahren die Karren zur Jagdstelle. Viel Erfolg euch allen. Möge diese Jagd ohne Verletzte oder Tote unsererseits ausgehen." Damit wandte sie sich ab und ging zu den Müttern mit ihren Jungen. Der Rest von uns sammelte sich um Hodari und er begann zu erklären.

"Ihr werdet euch nun verwandeln und mir folgen bis wir unser Ziel erreicht haben.", sagte er und drehte sich von uns weg.
Kaum als er wegsah, entledigte sich der Großteil des Rudels seiner Kleidung und verwandelte sich. Ich zögerte kurz, doch als ich bemerkte, wie Amera und Waris es ihnen gleichtaten, beeilte ich mich meine Löwengestalt anzunehmen. Kaum stand ich auf meinen Pfoten, marschierte das Rudel auch schon los.
Amera, Waris und ich bildeten das Schlusslicht des Zuges, während Hodari natürlich ganz vorne lief. Seine dunkelbraune Mähne wog schwer bei seinen Schritten und an sich wirkte er sehr schwerfällig im Gegensatz zu uns Weibchen. Aber man durfte die Männer niemals unterschätzen. Sie waren dafür gemacht, ihr Rudel vor anderen Gestaltwandlerlöwen zu beschützen und meist waren sie schneller und wendiger als man es ihnen zugetraut hätte. Ich sah zu den beiden Löwinnen neben mir.
Waris schien aufgeregt zu sein. Sie zuckte,bewegte sich ruckartig und ihre Augen glänzten auf eine seltsame Art und Weise. Sämtliche Müdigkeit war aus ihrem Gesicht gewichen und pure Energie schien sie zu durchfluten.

"Spare dir deine Energie für später auf, sonst wirst du nachher keine mehr haben, um etwas zu erlegen.", sagte Amera leise zu ihr, die auch Waris' Unausgeglichenheit bemerkt hatte.
Sie lief etwas langsamer und zwang sich etwas zu entspannen. Ich konnte ihre Aufregung natürlich verstehen, da sie lang darauf gewartet hatte, doch Aufregung und Übereifrigkeit konnte jemandem schnell den Tag versauen.
Die Sonne ging auf und stieg weiter in den Himmel. Der Boden unter unseren Füßen wurde immer heißer und unerträglicher.
Als Hodari endlich die erste Pause einlegte, hechelten alle und legten sich unter einen großen Baum der zum Glück viel Schatten bot. Als wir so im Schatten lagen, nutze ich die Gelegenheit Waris' Tiergestalt einmal genauer zu betrachten. Wie ihre menschliche Gestalt schon versprach, hatte sie dunkelgoldene Streifen im normalfarbenem Fell einer Löwin. Sie war etwas größer als der Rest von uns und ihr Kopf war etwas breiter als der eines Löwen. Etwas kräftigere Hinterbeide, die zum Springen perfekt schienen hatte sie auch, aber es passte zu ihren Körperproportionen. Sie sah keineswegs deformiert aus oder zu kräftig. Ansonsten sah sie fast normal aus, wenn man von ihren Augen absah. Statt golden, waren sie grün und stechend. Zwar war noch ein wenig Gold in ihnen, doch das Grün überwog. Sie sah faszinierend aus und erinnerte in ihrer tierischen Gestalt eher an einen Tiger als man in ihrer menschlichen Gestalt vermuten konnte. Ihr Fell war zum Glück genauso kurz wie das unsere, sonst hätte sie diese Hitze nie überlebt. Nach einer Weile schien sie zu bemerken, dass ich sie beobachtete und bewegte sich unruhig hin und her, bis sie mich schließlich fragend ansah.
Ich zuckte nur stumm mit den Schultern und sah zum Baum. Die Äste boten sich geradezu an, um auf ihnen herumzuklettern. Die Verlockung war groß, einfach hinaufzuklettern und hinunter auf die schlafenden Leiber zu sehen, während man selbst fast einschlief. Schließlich nahm das Verlangen Überhand und ich stand auf.
Dreimal umkreiste ich den Baum so, dass die Löwinnen die wach geblieben waren, mich anstarrten als sei ich verrückt geworden. Schließlich fand ich eine geeignete Stelle an der ich hochklettern konnte und machte mich auf den Weg nach oben. Auf dem untersten Ast machte ich Halt. Das sollte reichen um den Überblick zu haben. Waris hätte mit ihren kräftigen Hinterbeinen hier hochspringen können. Sie war schon interessant, doch wüsste ich gerne, was aus ihrem Rudel geworden war. Wenn sie alle so aussahen wie sie, wie konnten sie dann ausgerottet oder verschleppt worden sein? Waris schien nicht genau zu wissen, was mit ihnen geschehen war, doch wissen wollte sie es scheinbar auch nicht wirklich.
Grübelnd nickte ich nach einer Weile ein und wachte erst wieder auf, als Hodari zum Aufbruch rief.

Löwen - Das Geheimnis der SavanneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt