43. Kapitel. Vinz unter Katzen.

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Noch während ich sie hielt, bemerkte ich, wie Soel in den Raum geschlichen kam und neugierig Aman betrachtete. Ein Teil von mir schrie, dass ich ihn besser von ihm wegholen sollte, da der Junge nicht sein eigenes Kind war, doch der andere Teil vertraute Aman voll und ganz und war auch etwas neugierig auf seine Reaktion, wenn er registrierte, dass ein Junges hinter ihm stand und ihn genau unter die Lupe nahm.

Nach einer Weile sah ich, wie er sich versteifte und auch Amera zuckte plötzlich unruhig.
Nervös drehte sich Aman zu dem Jungen um und starrte ihn an. Sie schienen beide nicht so recht zu wissen, was sie mit dem jeweils anderen anstellen sollten. Ich ließ Amera los, als diese sich umdrehen wollte, um zu sehen, weshalb es plötzlich so still im Raum geworden war.
Wie versteinert starrte sie auf die beiden, die einander immernoch abschätzend betrachteten.

Plötzlich ging die Tür und Vinz kam gut gelaunt herein, blieb jedoch stehen als wir ihn alle erschrocken ansahen. Soel fauchte Vinz erschrocken an. Er betrachtete die Situation und versuchte sich sichtlich einen Reim darauf zu machen.
"Ist das wieder so ein ungünstiger Katzenmoment?", fragte er und als er Soel so nah bei Aman sah und Aman ihn förmlich mit Blicken um Hilfe anbettelte, verkniff er sich das Lachen, hob den kleinen Jungen hoch und ging mit ihm aus dem Raum. Amera folgte ihnen, da sie sich unsicher war, ob sie Vinz vertrauen konnte.

Ich grinste Aman an, der sich sichtlich entspannt hatte, als der kleine Kater den Raum verlassen hatte.
"Ich schwöre dir, dass ich, bis dieser Kater ausgewachsen ist, in der Nähe ein zweites Haus bauen lasse, in dem Amera mit ihm leben kann!", zischte er und schüttelte sich, da ihm der Blickkontakt mit Soel sichtlich unangenehm gewesen war.
Hatte ich mich gerade verhört?
Wie belämmert sah ich ihn an. Was hatte er gerade gesagt?
Ließ er uns wirklich bei sich im Revier leben?
So wie Jioni?

"Alles okay? Ist etwas an der Idee falsch? Wollt ihr gar nicht hier leben?", fragte er unsicher als er meinen Blick bemerkte. Wortlos umarmte ich ihn und versuchte mit aller Kraft meine Tränen zu unterdrücken. Als ob ich ihn jetzt nach alldem noch verlassen könnte. Noch dazu bot er uns ein sicheres Zuhause an in dem sich meine Schwester mit ihrem Sohn aufhalten durfte. Das alles hätte ich mir in meinem kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Die Frage war nur ... was würde Amera dazu sagen?
Er küsste mich auf den Scheitel und lachte leise.

"Weisst du eigentlich, dass dein Geruch mich immernoch fertig macht? Es ist nicht mehr so schlimm, wie im Auto, trotzdem treibt er mich halb in den Wahnsinn, wenn du in der Nähe bist. Als Vinz dich vorhin angefasst hatte, konnte ich mich kaum unter Kontrolle halten. Ich gebe dir die Schuld, sollte ich jemals einen meiner Freunde verletzen.", sagte er mit belustigtem Unterton und hielt mich fest an sich geklammert. Ich lächelte und wusste jetzt, wie meine Mutter sich fühlte, wenn mein Vater in der Nähe war.

"Hey! Weniger Kuscheln, mehr auf das Essen achten!", rief Vinz, der wieder in die Küche kam. Er hielt ein Handtuch an die Wange gedrückt und der Geruch seines eigenen Blutes verteilte sich im Raum.

Ohne, dass er etwas sagte, ahnte ich was passiert war.
"Ja, der kleine Kater hat mich für seinen Kratzbaum gehalten. Hört jetzt endlich auf, mich so anzustarren. Im nächsten Leben befasse ich mich mit Hundeartigen Gestaltwandlern.", zischte er, während Aman sich die Wunde ansah und ich den Herd abschaltete. Dem Essen war zum Glück nichts passiert, während wir abgelenkt waren.

"Und du glaubst, dass die harmloser sind?", fragte ich ihn und war auf seine Antwort gespannt.

"Die haben nicht so scharfe Krallen. Ich habe das Gefühl, ihr schärft die Dinger noch.", sagte er frustriert. Um ihn zu ärgern, fuhr ich meine Krallen aus und betrachtete sie abschätzen.
"Ja die sollten tatsächlich mal geschärft werden.", stellte ich fest, während Vinz mich mit großen Augen anstarrte und Aman leise lachte.
"Wer hätte gedacht, dass so ein Zwerg schon so scharfe Krallen hat?", fragte er an niemand bestimmten gerichtet.
Aman und ich sahen uns an ... und grinsten. Löwenjunge waren von Natur aus dickköpfig, wie alle Kinder und der Junge hatte nicht von Aman weggewollt und hatte Vinz zur Strafe gehauen. Wahrscheinlich eher unbewusst mit den Krallen. Kinder konnten ihre Gestalt noch nicht so gut kontrollieren. Das änderte sich erst in der Pubertät. Wenn man also mit Soel spielte, musste man jede Sekunde bereit sein, sich Krallen und Zähne vom Leib zu halten.

"Das muss desinfiziert und abgeklebt werden. Genäht nicht, dafür ist es nicht tief genug. Ich denke, einige Streifenpflaster reichen aus. Darüber dann noch etwas, das den Schmutz fernhält und du dürftest keine Probleme haben.", erklärte Aman und holte einen Verbandskoffer aus seinem Zimmer.

Mit einer Spraydose bewaffnet wandte er sich Vinz zu, der sich ohne Widerworte das Handtuch zwischen die Zähne klemmte und fest darauf biss. Aman besprühte die Wunde und ich sah wie Vinz sich verkrampfte und nur stoßweise atmete. Aman behandelte die Wunde, wie er es gesagt hatte und verband sie schließlich gut, damit auch kein Dreck hineinkommen konnte.

"Fertig.", sagte Aman nach einer Weile und entfernte sich ein Stück von ihm. Vinz stand auf, und schnappte sich wortlos das Geschirr, das auf dem Tresen stand und verschwand im Esszimmer.

"Ihr habt das schon öfters gemacht. Einander die Wunden versorgt, meine ich.", stellte ich fest.

"Meistens musste ich die Wunden von ihm und Joe versorgen. Meine wurden nur dann gemacht, wenn es schlimmere Verletzungen waren. Solche kleinen Kratzer, wie dieser wurden lediglich desinfiziert und normalerweise waren sie nach zwei Tagen wieder weg. Bei Menschen ist das ja leider eine andere Geschichte. Ihre Körper heilen langsamer und sind anfälliger für Infektionen.", erklärte er und half mir das Essen ins Esszimmer zu bringen. Amera saß mit Soel schon am Tisch und versuchte Soel davon abzuhalten, Vinz feindseelige und provokante Blicke zuzuwerfen. Als jedoch Aman und ich herreinkamen, richtete der Blick des Kleinen sich wieder auf Aman.

Auch während des Essens beobachtete der Junge ihn weiterhin, was Aman schließlich dazu brachte, ein warnendes Knurren auszustoßen. Sofort wandte er seinen Blick auf den Teller vor ihm und konzentrierte sich auf das Essen.
Ich lächelte leicht als ich Vinz' Gesichtsausdruck sah.
Er war erstaunt, dass der Junge ohne weiteres den Kopf gesenkt hatte. Die Rangfolge musste eben schnell festgelegt werden, bevor er uns allen auf der Nase herumtanzte.

Nach dem Essen und nachdem wir das Geschirr abgeräumt hatten, gingen wir hinaus, um Vinz zu verabschieden, der gleich losfahren wollte, statt noch einige Stunden zu schlafen.

"Schlafen kann ich, wenn der Job erledigt ist. Vorher muss ich auf das Biest, das auf der Ladefläche liegt, aufpassen.", erklärte er als Aman ihm anbot noch einige Stunden zu schlafen, bevor er losfuhr. Nun standen wir vor dem Auto, auf dessen Ladefläche die immernoch schlafende Waris lag.

Vinz gab Amera zum Abschied die Hand, nickte Soel zu und zog Aman in eine brüderliche Umarmung, dann löste er sich von ihm und lächelte uns an.

"Na dann ... wir sehen uns in ein paar Tagen.", sagte er lächelnd, bevor er blitzschnell nocheinmal zu mir kam und mir einen Kuss auf die Wange drückte, dann stieg er irre kichernd ins Auto, während Aman ihn anfauchte und mich näher an sich zog. Erst war ich zu verblüfft, um zu begreifen, weshalb er das gerade getan hatte, dann begriff ich, dass das nur den Zweck hatte, Aman zu ärgern.
Als ich nämlich in Amans Gesicht blickte, wusste ich, dass Vinz sein Ziel erreicht hatte. Aman schaute so düster dem fortfahrendem Wagen nach, dass ich lachen musste.
Amera hatte ebenfalls begriffen, was da gerade vor sich gegangen ist und musste sich ein Kichern unterdrücken. Ich hingegen lachte schamlos vor mich hin und krümmte mich als Aman mir einen finstern Blick zuwarf.

"Das ist nicht lustig.", zischte er leise und Amera hielt sich den Mund zu und verschwand schnell im Haus, wo sie loslachte. Ich kicherte als Aman mich mit einem Arm an sich zog und mich halb strafend, halb belustigt ansah.
Sein Gesicht kam näher und ich schloss die Augen in Erwartung eines Kusses, doch dieser kam nicht.

Stattdessen bemerkte ich, wie er sich plötzlich versteifte und angespannt auf etwas hinter mir reagierte. Seufzend wandte ich mich um, während sein Arm noch immer um meine Taille geschlungen war.
Im nahen Gebüsch raschelte es verdächtig und angespannt drängte sich Aman ein Stück vor mich.

Dachte er, dass ich mich nicht selbst verteidigen konnte, falls es eine Gefahr war? Oder war es sein Instinkt, der jetzt handelte?

"Also echt! Kann man nichtmal diese dämlichen Büsche entfernen? Jedes Mal muss ich hier durch, damit ich hier oben meine Angelegenheiten klären kann.", fluchte eine weibliche Stimme und Aman entspannte sich sichtlich. Ging er etwa davon aus, dass hier jetzt irgendwelche männlichen Wesen Schlange standen, nur, weil ich so roch?

Jioni trat aus den Büschen hervor und blieb stehen als sie uns sah.
"Stör ich?", fragte sie mit nach oben gezogener Augenbraue.
Ich hätte liebend gerne ein "Ja" ihr entgegen gebrüllt, doch Aman war schneller indem er den Kopf schüttelte.
"Gut, denn ich habe Neuigkeiten.", sagte sie und steuerte auf das Haus zu.
Kurz sah Aman zu mir hinter und ich erwiederte seinen Blick frustriert als wir ihr folgten.

Löwen - Das Geheimnis der SavanneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt