8. Kapitel. Auf nach Sumar-Gardo

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Die restliche Nacht blieben die beiden allein, bis Avina am Morgen aufwachte. Sie war überrascht, als sie bemerkte, dass nicht mehr Selina, sondern Nathaniel neben ihr lag. Mittlerweile sollte sie sich schon an den Gedanken gewöhnt haben, dass er manchmal neben ihr liegen würde, aber irgendwie war es doch noch ungewohnt. Wenn auch nicht auf schlechte Weise.
Avina kroch aus dem provisorischen Zelt heraus und ging zu Selina. Nyx saß neben ihr und sie musste erstmal gähnen.
"Morgen du Schlafmütze."
"Du hättest mich ruhig zur Wache wecken können", meinte Avina doch Selina grinste nur.
Avina war leider nicht im stande Gedanken zu lesen, also setzte sie sich neben Selina. Sie überlegte gerade Nathaniel zu wecken damit sie weiter fahren konnten, als der Phönix auf ihre Schulter hüpfte. Er war dafür eigentlich viel zu groß und hatte zu tun, um nicht herunter zu fallen. "Was sollte das?" fragte sich Avina, als sich plötzlich ein stechender Schmerz durch ihre Schulter bahnte. Es fühlte sich an, als würde ihr die Haut wegbrennen und dann hüpfte Nyx von ihrer Schulter.
"Verdammt das tut weh", jammerte sie und versuchte nach hinten zu sehen, doch sie war leider keine Eule und konnte den Kopf nicht um 180° drehen.
"Lass mal sehen.", funkte ihr nun auch noch Selina dazwischen und zog einfach ihr Shirt hoch. Sie konnte hören, wie Selina kurz die Luft einsog und sie fragte panisch: "Verdammt was ist denn da?"
"Ach nichts.", meinte Selina ruhig, "Du hast jetzt nur das gleiche Zeichen wie ich am Handgelenk. Nyx kann dich damit finden."
"Oh shit was! Meine Eltern flippen aus!", rief Avina. Ein Brandmal war doch praktisch wie ein Tattoo, das ging nicht einfach wieder weg. Erst danach fiel ihr ein, dass ihre Eltern ja nie davon erfahren würden und sie seufzte: "Was red ich denn da?"
Selina sah sie skeptisch an: "Ähm Vina, alles okay bei dir?"
Sie nickte schnell und rollte die Augen bei ihrem Spitznamen. Avina auf Vina zu kürzen war jetzt nicht besonders nötig, aber sie wollte ihrer spitznamenverückten Freundin nicht den Spaß verderben. Sogar Kassiopia hatte sie schon in Kasi umgetauft.
"Jaja alles okay", schwindelte sie, doch Selinas Neugierde war bereits geweckt.
"Sind deine Eltern so pingelig?"
"Schon irgendwie."
"Wer sind sie denn?"
"Ach das ist nicht so wichtig...sie..." Avina suchte nach einer Ausrede.
"... sie sind schon tot"
"Ohje das tut mir leid", sagte ihre Freundin und Avina bekam einen Knoten im Magen. Sie schmeckte die Galle auf ihrer Zunge. Ihr war gar nicht wohl dabei, sie anzulügen und dann auch noch tot. Selina hatte wirklich ihre Eltern verloren, wie konnte sie behaupten ihre wären auch tot? Aber auf die Schnelle war ihr nicht besseres eingefallen.
"Schon gut, lass uns Nathaniel wecken und endlich von hier verschwinden."

Sie konnte ihr nicht glauben. Selina konnte meistens erkennen, wenn jemand sie anlog und Avina war definitiv keine gute Lügner. Aber sie ging nicht weiter auf ihre Aussage ein, da sie offensichtlich nicht darüber sprechen wollte.
Allerdings war sie schon irgendwie enttäuscht von ihrer besten Freundin, aber jetzt wusste sie, dass Avina etwas zu verbergen hatte und ihre Neugier war geweckt. Sie ging zu dem Unterstand und weckte Nathaniel auf, der offenbar wie ein Murmeltier schlafen konnte. Er schoss aus dem Schlaf hoch und fragte erschrocken: "Was? Wo? Wer?" Dabei hatte er die Hand bereits an seinem Schwert und ihr stellten sich die Nackenhaare auf. Sie spürte das er etwas magie gesammelt hatte. Kein Wunder das er so tief schlafen konnte wenn er von einer Sekunde auf die andere bereit war sich zu verteidigen.
Selina ging nicht darauf ein und sagte schlicht:  "Können wir weiter?", ihre Stimme klang selbst in ihren Ohren seltsam.
Nathaniel sah sie verwirrt und irgendwie fragend an, doch sie schüttelte den Kopf.
Er stand auf und riss den Unterstand ab, damit niemand ihren Spuren folgen konnte.
Selina sammelte ihre Utensilien wieder ein und packte diese in die Taschen. Avina versuchte, Kassiopeia wieder ins Boot zu kriegen, doch der Hengst wollte nach dem gestrigen Erlebnis nicht wieder da rein, also hab Selina ihm einen Klapps auf sein Hinterteil und überrascht sprang das Pferd nach vorne in das Boot.
Als sie abmarschbereit waren, schaute sich Selina nochmal um, um sich zu vergewissern, dass sie nichts vergessen hatten. Ihre Freunde warteten im Boot auf sie und als sie sich dazu setzte, ging es auch schon weiter.
Selina saß weit von Avina entfernt. Sie brauchte Abstand zu ihrer Freundin. Nach einigen Stunden rief Nathaniel: "Seht mal, dort drüben ist der Wachturm."
Und durch die ganzen Mangroven konnte man ihn tatsächlich sehen. Um ihn herum war eine kleine Stadt aufgebaut, in dem wahrscheinlich die Grenzwächter mit ihren Familien lebten.
Sie lenkten das Boot auf das Ufer zu und Selina konnte es kaum erwarten, wieder festen Boden unter ihre Füße zu bekommen.
Als sie das Ufer erreicht und ihr Boot befestigt hatten, gingen sie auf die Stadt zu. Dort würden sie hoffentlich zwei Pferde bekommen, denn sonst musste Nathaniel mit Avina auf Kassiopeia reiten und Selina in ihrer Wolfsgestalt neben ihnen her rennen.
Sie gingen zu dem Stadttor und wurden von der Wache empfangen. "Wer seid ihr und was wollt ihr hier?"
Selina trat vor und sprach für sie: "Ich bin Selina Antaya von Hagenfels und das sind meine Freunde, Avina und Nathaniel und wir möchten gerne zwei Pferde kaufen damit wir sicher und schnell weiterreisen können."
Die Wache musterte sie alle drei, doch ihr Blick hing ungewöhnlich lange an Avina, eh er sagte: "Ihr dürft eintreten." und dann an Selina gewandt: "Ich hoffe, deine Freunde bringen keine Schande über dich und deine Familie. Ein Jammer, dass sie tot sind. Ich habe deinen Vater gekannt, wir waren zusammen auf der Akademie."
Die Wache zwinkerte ihr zu und ließ sie passieren. Selina spürte einen Knoten im Magen, doch sie riß sich zusammen und lief weiter in die Stadt.
Avina und Nathaniel folgten ihr. Sie liefen nicht lange bis sie zu einem kleinen Marktplatz kamen. "Ich denke wir teilen uns am besten auf und treffen uns in einer Stunde wieder hier", schlug Nathaniel vor und Avina nickte.
"Hoffentlich mit Pferd.", sagte sie eh sie sich von den beiden verabschiedete. Es war jetzt vier Uhr nachmittags. Auch wenn sie ein Pferd fanden mussten sie heute vermutlich hier übernachten, denn so nah an der Grenze wurden die Stadttore früh geschlossen.

Larwenia - Die Komplette ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt