Zu ihrem Glück war die Stadt nicht mehr weit und sie suchten sich eine Fähre, sodass sie bereits am Mittag das andere Ufer und damit die Hauptstadt erreichten. Nahezu endlos viele Stufen führten sie zum Schloss hinauf und Amber fragte: "Denkt ihr, die lassen uns einfach rein? Der König mag zwar Gestaltwandler, aber naja ..."
William grinste. "Überlass das mir."
Sie hatten Amber, ihre Herkunft noch nicht verraten und er freute sich auf ihre Reaktion.
Als sie dann das Tor erreichten, standen ihnen sofort Wachen im Weg und eine fragte: "Stopp! Wer seit ihr und was wollt ihr?"
"Ich bin Prinz William von Larwenia und ich muss mit eurem König sprechen." Zum Beweis hielt er ihnen den Siegelring entgegen und die Wachen traten zur Seite. Amber starrte sie ungläubig an, traute sich jedoch nichts zu sagen und eine der Wachen führte sie zum König.
Das Schloss war ziemlich prunkvoll eingerichtet. Mit vielen Gemälden von einstigen Königen und Gestaltwandlern in der Natur. Die Böden waren mit weißen Mamorfliesen ausgestattet und die Wände mit goldenen Mustern verziert.
Es sah hier so anders aus als zuhause. William und die anderen folgten der Wache, die nun vor einer Tür stehen blieb.
"Ich bitte euch, hier zu warten, während der König mit Prinz William spricht.", sagte der Mann zu seinen Weggefährten. Diese wollten protestieren, doch William schüttelte den Kopf. Die Wache öffnete einen Flügel der Tür, trat herein und kündigte ihn an.
"Prinz William von Larwenia bittet um eine Audienz, Euer Hoheit."
"Lasst ihn rein.", drang eine interessierte Stimme in sein Ohr.
Die Wache nickte Will zu und er trat hinein. Die Wache schloss die Tür hinter ihm.
Er sah zum Thron und seine Miene erstarrte. Dieser Mann ... dieser König ... oh scheiße.
"Guten Tag Prinz William. Welchen Anlass gibt es, dass Ihr zu mir kommt?"
"Ich ... äh ... nun."
"Gibt es ein Problem?", fragte der Mann mit Selinas Augen.
"Nein, Euer Hoheit. Ich bin nur etwas über Euer Aussehen überrascht. Darf ich Euch eine Frage stellen?"
Der junge König runzelte die Stirn. Nach Wills Schätzung konnte er nicht älter als dreißig sein.
"Warum nicht?", fragte er nach einer Weile auch wenn er ihn skeptisch ansah.
"Habt ihr eine Schwester?"
"Früher in meiner alten Heimat hatte ich eine kleine Schwester."
"Woher stammt ihr?"
"Aus Hagenfels."
"Wisst Ihr wie Eure Schwester heißt?"
"Ich weiß zwar nicht was euch das angeht aber ich glaube, ihr Name war Selina. Ich bin mir nicht mehr so sicher. Ich hab sie seit gut zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Mit zehn bin ich von Zuhause abgehauen."
Das musste William erst einmal verdauen.
"Aber nun sagt! Wieso fragt Ihr mich aus? Wie gesagt, ich glaube nicht, dass Euch das angeht, aber ich habe die Vermutung, dass Ihr mich das eben nicht grundlos gefragt habt."
"Ich habe tatsächlich einen Grund dafür" gab William zu "Ich glaube ich kenne Eure Schwester."
Der König wurde blass und sah ihn ungläubig an. "Ihr kennt sie? Wie geht es ihr? Wie sieht sie aus?"
Will schmunzelte. "Am besten macht ihr euch selbst einen Überblick.", sagte er und ging zur Tür.Selina rutschte unruhig auf einer Sitzbank am Fenster hin und her. Sehr zu Nathaniels Leidwesen.
"Könntest du bitte still sitzen?", zischte er.
"Nein, kann ich nicht und wenn du mich noch einmal anzischst ist der Teufel los.", knurrte sie wütend.
Die Tür ging auf und alle sprangen auf. Wills Kopf erschien im Spalt.
"Selina würdest du bitte reinkommen?"
Verwirrt trat sie herein. Ihr fiel alles aus dem Gesicht, als sie den Mann auf dem Thron sah. Er war ihre ältere, männliche und dickere Version.
"Oh Scheiße.", brach es aus ihr heraus.
Will trat neben sie. "Euer Hoheit, darf ich euch Eure Schwester vorstellen? Das ist Selina."
Sie blickte unsicher von dem König zu Will.
Das Gesicht ihres dicken Bruders verwandelte sich in etwas, das Selina an ein Schweinchen erinnerte, ein glückliches Schweinchen. Er lächelte sie an. "Schön dich endlich kennen zu lernen, kleine Schwester. Ich bin Luke."
"Ich wusste nicht einmal, dass du existierst. Ich weiß nicht, ob ich dich da Bruder nennen kann.", antwortete sie. Der Typ war ihr nicht geheuer. Irgendetwas sagte ihr, dass sie schnellstens die Flucht ergreifen sollte.
Das Gesicht, das ihrem ähnlich war, entgleiste, aber kurze Zeit später fasste er sich wieder.
Will beugte sich zu ihr. "Selina, es ist keine gute Idee den König zu beleidigen, wenn wir etwas von ihm wollen.", murmelte er.
"Ich beleidige ihn nicht."
"Nein kleine Schwester, du beleidigst mich nicht. Du wusstest bis jetzt nichts von mir, weil ich weggelaufen bin, als du gerade mal drei Wochen alt warst."
"Wieso bist du weg?"
"Weil sich unsere Eltern nur noch um dich gekümmert haben und du angefangen hast zu schreien, sobald du mich sahst." Seine Stimme klang eifersüchtig und hatte neben dem Ganzen einen bitteren Nachklang.
Jetzt begriff sie auch warum sie das Gefühl hatte, dass sie die Flucht ergreifen musste und Will überlegte ob es so gut war sie herein zu bitten, nun wo er das wusste.
"Und wie bist du auf den Thron gekommen?"
"Kurz nachdem ich weggelaufen war, bin ich nach Sidian. Dort traf ich einen Mann der mich aufnahm, als ich ihm sagte, dass meine Eltern tot seien. Der reiste mit mir hierher und erst ab dem Zeitpunkt ab dem er sich auf den Thron setzte, wusste ich, dass ich zu der richtigen Familie gekommen bin.
Er zog mich auf und machte mich zu seinem Erben, da er keine eigenen Nachkommen hatte. Als er dann gestorben ist, habe ich das alles übernommen. So jetzt ruft eure Freunde herein, wir wollen zusammen speisen."
Selina rannte praktisch zur Tür und öffnete sie.
Ihre Freunde sahen sie fragend an.
"Ihr werdet es sehen, wenn ihr reinkommt.", murmelte sie leise und immernoch stand sie unter Schock.
Nathaniel stürzte hinein und entdeckte den König.
Erschrocken sah er von ihm zu Selina.
Auch Avina sah etwas bleich um die Nase herum aus.
Nur Amber starrte verwirrt auf die Szene, die sich vor ihr ereignete.
"Willkommen meine Freunde.
Oh, Prinzessin Avina. Es freut mich euch wiederzusehen. Ist Euer Bruder mit Euch hier, um mit mir über das Bündnis zu sprechen?"
"Ja ich bin hier, um mit euch ein Bündnis auszuhandeln. Aber meine Schwester steht Euch nun nicht mehr als Ehegattin zur Verfügung."
"Wieso nicht? Das Bündnis wurde bereits ausgehandelt und darin stand, dass mir Prinzessin Avina zur Frau versprochen wurde."
Selina beobachtete, wie Avinas Blick immer finsterer wurde.
Nathaniel stellte sich vor sie um ihren Blick zu verbergen und um sie gleichzeitig zu schützen.
Dem König entging dieser Schutzversuch nicht.
"Habt ihr etwa den Mann eures Begehrens, dem Mann des Bündnisses vorgezogen?"
Der König wuchtete seinen fetten Körper aus dem Thron. Das Essen wurde in einem anderen Raum aufgetischt.
Er kam auf sie zu.
Nun stellte sich auch Selina neben Nathaniel um Avina vor dem König zu beschützen.
Ihr Bruder blickte sie finster an, aber sie sah ihm fest in die Augen.
Nur mit Mühe konnte sie ein Knurren unterdrücken, als er Nathaniel abwertend anstarrte. Er sollte nicht wissen, was sie war.
Die beiden Männer führte unterdessen einen Anstarwettbewerb und keiner dachte daran als erstes denn Blick abzuwenden.
William zog die Aufmerksamkeit des Königs wieder auf sich, indem er sich räusperte.
"Euer Hoheit, habt ihr nicht eben etwas vom Mittagessen gesagt? Könnten wir diese unangenehme Diskussion auf den Nachmittag verlegen?"
Der König wandte sich ab.
"Natürlich. Jetzt speisen wir im großen Saal."
Der König führte sie in diesen Saal und Selina konnte nur mit Mühe, einen Würgereiz unterdrücken.
Dieser Saal war noch viel prunkvoller als alles, was sie bisher gesehen hatte. Überall verzierte Gold, silber und Mamor den Raum. Mitten im Raum stand ein sehr langer Holztisch. Auch dieser war mit Gold verziert. An der Stirnseite des Tisches stand ein Stuhl mit Silberverzierter Lehne. Aber die Krönung des Ganzen war hinter diesem Stuhl, an der Wand.
Dort war ihr Bruder aufgemalt. Riesig groß und mit einem goldenen Rahmen rundherum. Ihr wurde schlecht. Dieser Kerl war aber sehr von sich selbst überzeugt. Luke setzte sich an seinen Platz, die Stirnseite und Selina sollte rechts von ihm Platz nehmen. William setzte sich ihr gegenüber, Avina setzte sich neben ihn, also blieb Nathaniel nichts anderes übrig, als sich neben Selina zu setzten, was er auch etwas grummelnd tat.
Amber setzte sich neben Nathaniel und das Essen wurde aufgetischt.
Ein Keiler wurde auf einem Silbertablett serviert und in alle Kelche Wein eingeschenkt.
Selina roch unauffällig an dem Essen und dem Wein um sich zu vergewissern, dass er nicht vergiftet war. Sie bemerkte wie ihre Freunde sie anstarrten und sie nickte unauffällig. Daraufhin griffen sie zu und aßen, bis sie nicht mehr konnten.
Danach führten die Diener sie in ihre Zimmer und ließen sie bis zum Abendessen dort.
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Larwenia - Die Komplette Reihe
FantasíaKurzbeschreibung: Avina wollte lediglich auf eine Schule für Magie doch dann wird ihre beste Freundin entführt und nicht nur das. Der Feindliche König des Nachtbarlandes Xadrien übernimmt die Herrschaft in Larwenia. Wie sollen die zwei Mädchen gege...