32.Kapitel. Entführung

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Avina bemühte sich genau dort hin zu treten wo Nathaniel gestanden hatte und kein Geräusch zu verursachen. Ihr Atem ging flach und leise, Nathaniels konnte sie gar nicht hören, aber sie sah wie sein Brustkorb sich in regelmäßigen Abständen hob und wieder senkte.
Sie mussten eine Treppe nach oben, doch das Risiko, dass sie knarrte und sie damit verriet, war Nathaniel zu groß. Außerdem schien sie ziemlich instabil und einige Stufen fehlten ganz. Er stieg nur die ersten drei nach oben und sprang ab um das Geländer im nächsten Stock zu erwischen und sich nach oben zu ziehen. Avina stieg ebenfalls drei nach oben aber so einen Sprung traute sie sich nicht zu und ein Sturz würde zu viel Lärm verursachen. Sie deutete Nathaniel, dass er sie hoch ziehen sollte, doch der bewegte seine Lippen stumm zu einem: "Nein, warte hier!"
Avina verschränkte die Arme und flüsterte:
"Wenn du mich stehen läßt, schrei ich."
Doch er wusste, dass sie das nicht tun würde und lief einfach weiter.
Aus einem Zimmer heraus, konnte er Stimmen hören und lief leise darauf zu. Den Rücken gegen die Wand gedrückt, ließ er sich langsam auf den Boden sinken und linste dort liegend um die Ecke herum.
Menschen sahen zum Glück selten nach oben und unten, weshalb das die beste Lösung war. Schließlich befand sich keine Tür an dem Zimmer. Er sah nur kurz um die Ecke herum, eh er zurück schreckte. Verdammt dort saß dieser Fremde und Rose.
Jetzt wurde ihm bewußt, wer es war. Es konnte nur Hunter sein.
"Kyle ist tot.", hörte er Rose mit trauriger Stimme erzählen. "Nathaniel hat ihn gnadenlos ermordet."
"Was hast du erwartet? Mittleid? Auch wenn er den Gerechtigkeitsfanatiker spielt, wir wissen doch, wer er wirklich ist."
"Genau, sie kennen dich.", zischte eine Stimme in der Dunkelheit.
Nathaniel sah sich erschrocken nach dem Ursprung der Stimme um, doch konnte niemanden endecken. Dann aber nahm er eine Bewegung war und starrte auf seinen Schatten. Er bewegte sich unabhängig von ihm an der Wand und ein schmaler Lichtschein, dort wo sein Mund war, bildete ein Grinsen.
'Oh nein Bitte nicht jetzt', dachte Nathaniel, doch der Schatten lachte. "Ich bin keine Halluzination. Ich bin du so dunkel, wie deine Seele."
Nathaniel biss sich auf die Zunge,würde er jetzt antworten, würden die beiden ihn bemerken. Ignorieren war seine einzige Option, doch der Schatten machte es ihm nicht so leicht.  "Willst du dich nicht mit mir unterhalten?"
Nathaniel schüttelte den Kopf und der Schatten grinste. "Dabei kenn ich dich so gut."
Nathaniel zischte leise, fast lautlos. "Du kennst mich nicht." Er hielt sich die Hände vors Gesicht und versuchte sich auf das Gespräch im Raum zu konzentrieren.
"Es wird langsam Zeit unseren Auftrag zu erledigen.", hörte er Rose sagen. Plötzlich tippte jemand auf seine Schulter. Nathaniel riss die Hände herunter und starrte in die Richtung. Gott, wollte Avina ihm einen verdammten Herzinfarkt verpassen?
Mit einem Blick schrie er sie förmlich an, dass sie doch hätte warten sollen und erneut lachte sein Schatten. "Sie hört nicht, sie wird sterben und du wirst schuld sein."
Nathaniel fühlte etwas klebrigens an seinen Händen und starte nach unten. Sie waren Rot und der Schatten lachte "So viel Blut klebt an deinen Händen."
Nathaniel hielt das nicht mehr aus. Kein Licht, kein Schatten, er ließ einen so starken Wind durch den Raum pfeifen, dass sämtlicher Staub in den Kamin geweht würde und das Feuer erstickte.
Rose sprang auf. "Das war unmöglich ein normaler Windstoß."
Schon stützten sie und ihre Dämonen aus dem Zimmer.
Verdammt, was hatte er getan? Nathaniel konnte es nicht fassen und schubste Avina Richtung Treppe. "Lauf! Los, wir müssen hier raus!"
"Nicht so vorreilig!", rief Rose und ihr Panther landete vor der Treppe.
Nathaniel fluchte und schlug mit einen Zauber ein Loch in die Decke. Er drängte Avina hindurch zu springen, doch eh er folgen konnte, stand ein weiterer Dämon über dem Loch. Er hatte gewisse Ähnlichkeit mit einem Hirsch und hob ihn mit dem Geweih blitzschnell in die Luft um ihn gegen die nächste Wand zu donnern. Dort hingen noch alte Halterungen für Kerzen und er schlug mit dem Kopf genau gegen das Metal.
Benommen rutschte er die Wand herunter. Ihm war so furchtbar schwindlig, doch er konnte blinzeln wie verrückt, es wurde nicht besser. Er spürte wie ihn jemand an den Füßen von der Wand weg zog und sein Kopf knallte erneut auf den Boden. Ein Gewicht drückte plötzlich auf seine Brust und er erkannte verschwommen die Gestalt von Rose.
Nathaniel wollte sie weg schieben doch jemand packte seine Hände und drückte sie über seinen Kopf auf den Boden. Dann spürte er eine Hand an seinem Kinn während eine andere seinen Kopf am Haar zurück zog so, dass sein Mund geöffnet wurde. Etwas tropfte auf seine Zunge und Nathaniel war sofort bewußt, was es war. Dämonenblut. Panisch versuchte er sich aus ihrem Griff zu befreien, doch mit jeden Tropfen wurde nicht nur sein Kopf wieder klarer, sondern auch der Drang sich zu wehren immer weniger. Bald genoss er es, wie es seinen Hals herunter lief und sich jeder Tropfen wie flüssige Macht in ihm verbreitete.
Die Griffe, die ihn hielten wurden gelockert und Nathaniel sprang auf. Er drückte seine Lippen an die Wunde des Dämons und saugte sein Blut.
Erst ein plötzlicher Schrei ließ ihn innehalten. Das war Avina.
Er schrie ihren Namen.
Panisch sah er sich um, doch konnte Rose und Hunter nicht mehr entdecken.
Wie vom Blitz getroffen, rannte er auf das Loch zu und sprang hindurch. Allerdings war alles was er noch sah, eine Tür die gerade ins Schloss fiel.
Nathaniel rannte hin und wollte hinaus, doch sie war verschlossen. Aufhalten konnte ihn das allerdings nicht. Mit einem Tritt riss er sie aus den Angeln und stürzte in die Nacht. Der Regen hatte aufgehört und im Schatten des Mondes, sah er Rose auf ihrem Panther sitzen, der eine weitere Person in den Klauen hielt. Hunter hingegen ritt auf dem Hisch und Nathaniel handelte ohne Rücksicht auf Verluste. Er ließ ein Gebäude einstürzen, das Hunter unter sich begrub und rannte auf sie zu. Den Schuthaufen flog er schon fast hinauf und versuchte Avina zu erwischen, doch verfehlte sie Haarscharf und landete grob auf den Stein. Er sah hinterher, bis sie in der Dunkelheit verschwand und Tränen bahnten sich einen Weg über seine Wangen. Das war alles allein seine Schuld.
Wie versteinert saß er auf dem Schutt, bis sich unter ihm plötzlich etwas regte. Da fiel ihm Hunter wieder ein und er ließ einige Steine zur Seite fliegen.
Hunter hatte noch Glück. Er lag in einen Loch gebildet von zwei Steinen die sich irgendwie verkeilt hatten. Nur ein Balken lag quer über seiner Hüfte und er konnte nicht aufstehen.
Nathaniel sprang zu ihm nach unten und riss ihm die Kapuze vom Kopf. In dem Moment wollte er seinen Augen nicht trauen.
"Chris."
Erst dann verstand er und fragte: "Wie lange?"
Der Junge grinste: "Schon eine ganze Weile. Du bemerkst es reichlich spät. Bist wohl eingerostet. Selbst die Gestaltwandlerin hat etwas bemerkt und hat mir einen ihrer Wölfe hinterher geschickt. Einer der Dämonen hat kurzen Prozess gemacht. Ich bin enttäuscht von dir."
Nathaniel rammte sein Schwert neben seinen Kopf und sah ihn kalt an.
"Dein Geschwafel interessiert mich nicht. Wohin bringen sie Avina?"
"Na, was glaubst du?", grinste Hunter und nahm seine eigentliche Gestalt an. Seine Haare wurden dunkler und seine Gesichtszüge härter.
Soweit Nathaniel es wusste, war er der Einzige der seine Gestalt so verändern konnte.
Plötzlich wurde er von hinten angesprungen und vom Schutt des Hauses geschmissen.
Der Dämon hatte sich befreit und befreite nun auch Hunter.
Nathaniel wollte sie noch aufhalten, doch die beiden waren zu schnell. Der Hirsch rannte blitzschnell durch die leeren Straßen und folgte Rose auf dem Bogen Richtung Westen.
Er ließ sich auf den Schutthaufen sinken und vergrub das Gesicht un seinen Händen. Er hatte keine Ahnung wie lange er so da saß. Die Sonne stand schon am Himmel und die Stadt erwachte langsam zum Leben. Er lief zurück zum Brunnen und wusch sich das Blut aus den Gesicht und von den Händen. Er versuchte die Blicke der Menschen, die an ihm vorbei liefen zu ignorieren. Er machte sich auf den Weg zurück ins Lager. Immer mehr Menschen starrten ihn an. Er wurde wütend. Nathaniel ließ eine Sturmböe durch die Straße wehen, die sämtliche Stadtbewohner zu Boden drückte. Er stapfte weiter auf die Stadttore zu. Niemand hielt ihn auf. Niemand wagte es. Nicht einmal die Stadtwachen.

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