Avina wurde von der kalten Morgenluft geweckt. Raureif bedeckte das Moos auf den Steinen vor der Höhle. Die Berge waren einfach kein Ort, an dem ein Mensch ohne Hütte schlafen sollte.
Selina und Will hatten es da besser. Sie schliefen beide tief und fest, während Avina erneut los ging, um Feuerholz zu suchen.
Selina wachte in der Zeit auf und hob den Kopf. Etwas fiel von ihrem Kopf und auf den Boden hinunter. Sie sah mit verschlafenen Augen, auf den großen, schwarzen Vogel, der scheinbar auf ihrem Kopf geschlafen hatte. Er krächzte sie vorwurfsvoll an und sie sah in seine Augen. Blaugrün. Sie kannte diese Augen, sie liebte sie sogar und jetzt traf sie die bittere Erkenntnis. Sie hatte Will von ihrem Kopf heruntergeschubst.
"Tschuldige", murmelte sie, immernoch in ihrer Wolfsgestalt.
Er krächzte sie wieder an.
Sie stand auf und streckte sich, dann schnappte sie sich die Kleidung die neben ihr lagen und verkroch sich hinter einer kleinen natürlichen Steinwand die zur Hälfte den Höhlenraum trennte.
Avina sammelte währendessen einen kleinen Stapel und wollte ihn anzünden, doch es war einfach zu feucht von dem Reif am Boden. Sie mühte sich eine Weile ab, doch gab es schließlich auf. Seufzend warf sie einen kleinen Stein gegen das Holz das sich plötzlich entfachte. Avina schreckte zurück vor der Hitze und stieß mit den Rücken gegen Beine. Sie blickte erschrocken nach oben, stellte aber erleichtert fest, dass es nur der Mann mit der Maske war.
"Danke", sagte sie wegen dem Feuer und rückte näher heran um sich aufzuwärmen. Ihre Hände waren vom Holzsammeln ganz gefroren.
"Du musst dich nicht bedanken", sagte er. "Zumindest nicht bei mir, es war der Stein."
Avina hob verwundert die Augenbrauen, begriff aber schnell. "Verstehe, ich hab gar nicht drauf geachtet."
"Du hast Talent was Steinmagie betrifft", meinte er und sie zuckte mit den Schultern. Es gab niemanden der sie hier unterrichten konnte, also war es egal. Sie hatte viel größere Probleme, doch als sie ihm das sagen wollte, fiel ihr ein weiteres ein.
"Wie soll dich eigentlich nennen? Ich kann dich ja nicht mit Maskenfutzi ansprechen."
Er überlegte kurz und antwortete dann: "Du kannst mich Ash nennen."
Avina fragte sich, ob das sein wirklicher Name war, nahm das aber erstmal so hin. Sie hatten andere Dinge zu bereden. "Wie soll es jetzt weiter gehen?"
"Wir müssen etwas gegen Daron unternehmen."
"Ist das dein gesamter Plan?", fragte Avina und er sah ins Feuer.
"Im Moment schon."Selina hatte sich mittlerweile angezogen und trottete gerade nach draußen, vor den Höhleneingang. An einem großen Baumstumpf waren vier Pferde angebunden und graßten friedlich in der frühen Morgensonne. Nicht weit entfernt von ihnen stand Avina, die sich mit dem Maskenmann unterhielt.
Scheinbar war es eine kleine Diskussion.
"Nein, das werden wir nicht tun", meinte der Maskenmann.
"Und wieso.....?" Fragte Avina und lächelte sie dann an "Guten Morgen, Selina."
"Guten Morgen", sagte sie misstrauisch.
Will landete auf ihrer Schulter und krächzte.
"Über was redet ihr gerade?"
"Über Daron den Mistkerl. Und wie wir ihn am besten loswerden können", sagte Avina voller Verachtung. Sie hasste ihn wirklich abgrundtief.
"Aha und habt ihr euch schon geeinigt?"
"Nein, wir hatten gerade darüber gesprochen, ob wir dich nicht zurückschicken können, damit du seine Leibwache machen kannst."
"Damit ich seine...?", knurrte sie.
Will zog an ihren Haaren, indem er sie in den Schnabel nahm und sich dranhing.
Jetzt knurrte sie ihn an, er jedoch sah höchst amüsiert aus. "Hinterhältiger Vogel.", murmelte sie.
"Und wie sollte ich ihn dazu kriegen, damit er glaubt, ich sei seine freiwillige Leibwache? Indem ich einfach sage, 'ja der Maskenfutzi hat mich befreit, aber ich will euch dienen'?.... Nein, wenn ich so sehr lügen würde, könnte ich mir selbst nicht mehr in die Augen schauen. Außerdem glaube ich, dass er, wenn er mich sieht, Antworten haben will und mich so lange foltern wird, bis er sie hat. Also nein, ich mach das nicht", endete Selina entschlossen.
Avina lachte auf und sah den Maskenmann an, der sich den Kopf rieb,"Bitte, nenn mich Ash."
"Wieso?" Das brachte Avina noch mehr zum Lachen.
"Vielleicht, weil es mein Name ist?"
"Wenn es nur vielleicht dein Name ist, wie heisst du dann richtig?"
"Das tut nichts zur Sache."
Und schon wieder, kamen Selina diese Worte bekannt vor.
"Wir könnten Verbündete sammeln, die wie wir auch, Daron stürzen wollen und sie, wenn es sich nicht vermeiden lässt, in die Schlacht führen", meinte Selina schließlich.
"Das ist zumindest ein Plan" äußerte der Maskierte. "Allerdings fragte sich welche Verbündeten?"
"Ich finde wir sollten erstmal abwarten, uns verstecken und eine Möglichkeit finden, William zurück zu verwandeln", mischte sich Avina ein und Ash, sie beschloss ihn vorerst so zu nennen, seufzte: "Es stimmt, wir können keine Verbündeten finden, solange niemand weiß, dass er König ist. Doch nun, wo ihr weg seid, wird er nicht mehr damit warten, es bekannt zu machen. Und wenn er sich erstmal als wirklicher König sieht, wird er seine Gesetze durchsetzten wollen. Damit wird er sich schnell viele Feinde machen."
"Also sollen wir einfach nichts tun", fauchte Selina und Ash meinte: "Nicht nichts, nur nichts öffentliches. Wir besorgen uns Vorräte und suchen einen geeigneten Ort tiefer in den Bergen, um ein Lager aufzuschlagen. Außerdem brauche ich Zeit zum Lesen und Trainieren und muss euch zeigen, wie man am effektivsten Dämonen bekämpft."
"Das klingt nach einem Plan", meinte Avina und Ash nickte ging aber zu den Pferden.
"Ihr sucht einen geeigneten Ort. Ich kümmere mich um Proviant."
"Aber wie willst du uns finden?"
Er schien die Frage zu ignorieren, stieg aufs Pferd und sagte nur: "Ich bin morgen bei Sonnenuntergang zurück", damit ritt er davon.
Avina sah ihm hinterher. Ständig verschwand er. Diese Alleingänge gingen ihr auf die Nerven. Sie glaubte nicht, dass er nur Proviant besorgte, aber was hatte er sonst noch ach so wichtiges zu tun?
"Komm wir suchen uns etwas", meinte Selina.
Will, der immernoch auf ihrer Schulter saß krächzte, um zuzustimmen.
Sie packten alles zusammen und luden sämtliche Taschen auf Wills Pferd, um ihre eigenen ein wenig zu entlasten. Dann ritten sie auch schon los. In einem flotten Trab ging es über Stock und Stein.
Sie ritten den ganzen Vormittag durch, ohne ein Pause zu machen, Richtung Norden. Selina war der Meinung, je weiter sie vom Schloss weg waren, um so sicherer konnten sie weiterreisen.
Gegen Mittag machten die beiden eine Pause, um etwas zu essen.
Avina entfernte sich kurz, weil sie in der Nähe einen Busch mit essbaren Beeren gesehen hatte.
Als sie weg war, zupfte Will an ihrer Hand. Sie schuf die Verbindung zu ihm und fragte: "Was ist denn los?"
"Ich traue ihm nicht und du solltest ihm auch nicht trauen."
"Ich traue ihm ja auch nicht und du hackst nach mir, nur um mir das zu sagen?"
"Ja", sagte er in ihrem Kopf.
"Meinst du, du kannst ein wenig die Gegend erkunden? Ich habe nicht die geringste Lust heute noch weiter zu reisen."
"Ich auch nicht", sagte er und zum Abschied kuschelte er sein weiches Gefieder an ihrer Wange ab, und brachte sie damit zum Lächeln. In diesem Moment kam Avina zurück. Sie blieb stehen und starrte sie für einige Sekunden verwirrt an. Will krächzte sie an und flog davon.
Avina schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf ihre Satteltasche.
Nach einer Weile kam Will zurück und sagte zu Selina: "Hier in der Nähe ist kein Unterschlupf. Wir müssen noch ein ganzes Stück weiterreiten, bevor wir einen finden könnten."
"Okay danke." Sie brach die Verbindung ab und sagte zu Avina: "Los komm, steig auf! Ich will heute noch ein gutes Stück weiterkommen."
"Und wieso können wir hier nicht ein Lager aufschlagen?"
"Hier gibt es Bären und die sind nicht so glücklich, wenn sich ein Wolf in ihrem Revier aufhält."
"Woher weisst du, dass es hier Bären gibt?"
"Ich habe vorhin einen gerochen."
"Na gut." Die beiden Mädchen stiegen auf ihre Pfere und Will flatterte los.
Nach fünf weiteren Rittstunden fanden sie schließlich eine geräumige Höhle.
"Die ist aber nicht bewohnt, oder?", fragte Avina leise.
"Nein der Geruch ist abgeflaut. Der Bär der hier gelebt hatte, ist wahrscheinlich längst tot."
Sie banden sie Pferde an und gingen nach draußen. Avina suchte geeignete Stöcke für ein kleines Feuer, während Selina auf der Jagd war.
Sie lief über das weiche Moos und es fühlte sich unter ihren Pfoten wunderbar an. Ein paar Meter vor ihr stand ein kleines Reh, das friedlich graßte. Der Wind kam von dem Reh her zu ihr geweht. Sie schlich vorwärts. Normalerweise hätte sie es mit ihrem Rudel gejagt, aber da sie nun auf sich allein gestellt war, musste sie zum Frontalangriff übergehen.
Sich schlich näher heran und als sie nur noch wenige Meter von dem Reh entfernt war, griff sie an.
Es wollte wegrennen, doch sie hatte es schon an der Keule und hielt es fest, bis es schließlich ermüdete. Sie ließ los, packte es schnell an der Kehle und biss zu. Es dauerte nicht lange, bis das Reh tot war und sie zerrte es zurück in die Nähe der Höhle, dann verwandelte sie sich, zog sich etwas an und holte sich einen Dolch aus Avinas Rucksack. Dann ging sie zu dem Reh zurück, schnitt den Kopf, die Beine ab und warf diese ins Gebüsch. Die restlichen Meter schleifte sie ihr Opfer in die Höhle.
Avina hatte bereits ein Feuer entfacht, als sie hereinkam und Will saß vor den Flammen und starrte hinein.
Selina zerschnitt den Kadaver und Avina reichte ihr einige angespitzte Stöcke. Sie hielten das Fleisch ins Feuer und nachdem es fertig gebraten war, aßen sie es. Selina hätte es auch roh gegessen. Ihr Magen konnte das sehr gut verdauen, aber vor Avina und Will wollte sie das nicht unbedingt machen.
Es dämmerte als Selina sich verwandelte um sich schlafen zu legen. Will hüpfte wieder auf ihren Kopf und Avina legte sich an ihren warmen Bauch. In der letzten Stunde war es viel kälter geworden, daher legte Avina noch eine Decke über ihre schlanke Gestalt.
Als sie alle richtig lagen und es bequem hatten, schliefen sie schnell ein.
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Larwenia - Die Komplette Reihe
FantasíaKurzbeschreibung: Avina wollte lediglich auf eine Schule für Magie doch dann wird ihre beste Freundin entführt und nicht nur das. Der Feindliche König des Nachtbarlandes Xadrien übernimmt die Herrschaft in Larwenia. Wie sollen die zwei Mädchen gege...