15.Kapitel. Verräter

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Daron lief durch die Gänge des Schlosses auf das Zimmer seines Sohnes zu. Es war noch mitten in der Nacht und der Junge würde noch schlafen, doch das war ihm egal. Er öffnete geräuschvoll die Tür und trat ein. Sein Sohn lag im Bett und schlief tief und fest. Also musste er zu härteren Maßnahmen greifen.
"Nathaniel, Nathaniel, verdammt noch mal NATHANIEL!! Wach auf!"
Er schlief weiter. Daron trat vom Bett zurück und griff sich den Eimer voll Wasser, der nicht weit entfernt stand.
Er kippte seinem Sohn das eiskalte Wasser ins Gesicht und mit einem Mal war er wach und starrte ihn erschrocken an. "Na endlich. Steh auf und zieh dich an, dann komm runter in den Thronsaal. Wir haben etwas zu besprechen.", sagte Daron erbost.
"Wieso?"
"Das erkläre ich dir alles im Thronsaal."
"Kann das nicht bis morgen früh warten?", fragte der dumme Junge.
"Nein jetzt. Und jetzt steh endlich auf.
Ich erwarte dich unten." Damit ging er aus dem Zimmer.
Nathaniel quälte sich aus dem Bett, zog sich an und ging nach unten. "Wenn er das nochmal macht, begehe ich Vatermord. Man kann nichmal in Ruhe schlafen.", murmelte er leise vor sich hin. Als er in den Thronsaal trat, stand sein Vater vor dem Fenster und stierte in die Nacht hinaus. Als er ihn bemerkte, drehte er sich nicht um. Er schaute lediglich kurz über die Schulter und begann fast sofort zu reden.
"Ich habe einen Auftrag für dich."
"Und der wäre?"
"Du sollst die beiden kleinen Monarchenkinder und die Gestaltwandlerin finden."
"Wir wissen nicht mal ob der Prinz noch lebt. Du hast einem Kampfmagier befohlen, sämtliche Flüche auf sie abzufeuern, die er kennt. Es kann doch sein, dass der Junge jetzt irgendwo im Wald verscharrt liegt."
"Nein das tut er nicht. Er lebt noch. Marok hat lediglich sein Äußeres verändern."
"Woher weißt du das?"
"Marok hatte sie durch seine Kristallkugel kurz gesehen. Es scheint als hätte der Maskierte einen Schutzzauber über sie entstehen lassen. Die Gestaltwandlerin hatte einen großen Raben auf der Schulter sitzen und scheinbar kann dieser sogar sprechen."
"Und hat Marok auch herausgefunden wo sie sind?"
"Ja, die vier sind nach Norden gereist.
Du weisst, was das bedeutet. Die sind im Drachengebiet eingedrungen."
"Und warum willst du, dass ich sie finde?"
"Weil du mein bester Magier bist und am ehesten gegen den Maskierten antreten kannst. Und wenn du ihn getötet hast, bringst du die restlichen Drei hier her."
"Aber wenn sie schon im Drachengebiet sind, warum lassen wir sie dann nicht dort? Du weisst, dass die Drachen Eindringlinge hassen und meist sofort töten, wenn sie sie erwischen."
"Ich will kein Risiko eingehen und ich will meinen Spaß mit ihnen haben."
Nathaniel schauderte kurz.
"Finde sie, töte den Maskierten und bring mir die anderen drei. Du hast einen Monat Zeit. Und jetzt geh zurück auf dein Zimmer und pack deine Sachen. Du wirst gleich morgen früh aufbrechen."
Nathaniel drehte sich um und ging zurück in sein Zimmer. Gedankenverloren begann er seine Tasche zu packen.
Es dämmerte, als er sich von seinem Vater verabschiedete und auf sein Pferd stieg. Er trieb es zum Galopp an und preschte durch das Burgtor und hinaus auf die kleine Ebene. Von dort aus, ritt er in nordöstliche Richtung.

Avina und Selina wollten gerade aufbrechen, als Ash zurück kam. Das war untypisch für ihn, sonst kam er immer am Abend. Außerdem kam er diesmal mit Gepäck.
"Na, bleibst du diesmal länger?", fragte Selina und er nickte.
"Ich denke es ist sicherer. Wir kommen zu nah an die Drachenstadt, dort kann ich euch nicht alleine vorbei schicken und vielleicht sollten die Wölfe lieber einen anderen Weg nehmen. Wenn wir so viele sind, werden wir zu leicht entdeckt."
"Ich schicke sie ungern wieder weg", meinte Selina.
"Es ist nur zu ihrem Besten." versicherte er und sie seufzte: "Ich weiß ja, dass du Recht hast", sie wandte sich ihren Wölfen zu und wies sie an, einen Weg um das Gebirge herum zu nehmen, dann stiegen sie und Avina auf ihre Pferde und die drei ritten los. William flog dabei über sie hinweg.
Sie hielten sich im Schatten der Bäume. Je näher sie der Drachenstadt kamen, desto gefährlicher wurde es auf freien Ebenen zu reiten. Immer wieder flog ein Drache über sie hinweg. Und diese Biester waren riesig. Selina konnte durchaus glauben, dass sie das Schloss in Sekunden hätten zerstören können. Sie fühlte sich ein wenig allein. Ihr Rudel war ihren Anweisungen gefolgt und würde im Vorgebirge, südlich der Drachenstadt auf sie warten. Will sollte wieder einen Unterschlupf ausmachen, denn unter den Bäumen zu schlafen, wäre zu gefährlich gewesen, da die Drachen nachts jagten und ihre Beute an Ort und Stelle fraßen. Sie hätten also mit Leichtigkeit entdeckt werden können.
Will flog auf ihre Schulter und erstattete ihnen Bericht. Sie waren nicht weit von einer großen Höhle entfernt, welche unbewohnt zu sein schien.
Selina hatte ein mulmiges Gefühl, als sie die besagte Höhle betraten. Sie schnupperte und murrte beunruhigt.
Der Geruch von Feuer und Asche hing in der Luft, verflog aber langsam. Sie gingen tiefer in die Höhle hinein, deren Inneren noch größer war, als es der Eingang vermuten ließ. Die Hufe der Pferde klapperten auf dem Stein und Selina hätte sie am liebsten draußen gelassen. Ash sah sie nervös an.
"Meinst du, hier lebt ein Drache?"
"Ich weiß nicht, könnte sein, dass ..."
Sie wurde von dem Geräusch schlagender Flügel unterbrochen.
"Verdammt", krächzte Will. Die Pferde wieherten panisch und rannten hinaus. Es war zu spät, um selbst noch aus der Höhle rennen zu können. Das Schuppenvieh landete am Eingang der Höhle und die Vier versteckten sich hinter einer Felskannte. Es schnupperte und trat tiefer in die Höhle. Selinas Beine zitterten. Noch ein paar Schritte und plötzlich hörte sie, wie das Vieh anfing zu sprechen.
"Interessant, ich rieche Menschen. Schon lange ist es her, seitdem ich das letzte Mal einen gegessen hatte."
Selina riss erschrocken die Augen auf und drängte ihre Freunde weiter an die Felswand hinter ihnen. Will hatte auf Avinas Schulter gewechselt, was auch gut so war, da musste sie wenigstens nicht auf ihn achten. Das Vieh stapfte näher und plötzlich erschien es in ihrem Blickfeld. Er war riesig mit goldenen Schuppen und großen ledrigen Flügeln, auf seinem Kopf thronten zwei sanft geschwungene Hörner. Er war das schönste Wesen, was sie jemals gesehen hatte und vielleicht auch das Furchteinflößenste.
Er ruckte mit dem Kopf in ihre Richtung und drehte sich zu ihnen um.
Selina starrte das Wesen ehrfürchtig an. Es musterte ihre kleine Gruppe und kam schließlich näher.
"Ein Gestaltwandler, ein Magier und ein kleines Mädchen mit einem Raben auf der Schulter, der eigentlich gar kein Rabe ist, interessant."
"Woher weisst du, dass er kein Rabe ist?", fragte Selina und schluckte ihre Angst hinunter.
"Ich spüre die Magie, die von euch ausgeht. Also, was tut ihr in meiner Höhle?", fragte die übergroße Echse.
Ash, der offensichtlich keine Angst vor dem Drachen zeigen wollte, trat vor.
"Wir haben einen Unterschlupf für die Nacht gesucht und sind auf deine Höhle gestoßen."
"Und du erwartest von mir, dass ich euch hier schlafen und euch morgen wieder gehen lasse?"
Jetzt wagte keiner etwas zu sagen. Der Drache sah sie forschend an und kam mit der Schnauze näher. Ash verlor keine Zeit, zog sein Schwert und wollte gerade auf den Drachen zu rennen, als Selina ihn an der Schulter packte und zurückzog.
"Bist du verrückt geworden?!? Einen solchen Kampf kannst du nicht gewinnen.", herrschte sie ihn leise an.
"Die Gestaltwandlerin weiß, wovon sie spricht. Sie kennt das Gesetz der Welt. Nur die Stärkeren überleben im Kampf."
Ash zog sich zurück. Der Drache starrte Selina an.
"Du bist eine der wenigen Gestaltwandler, die vernünftig genug sind, um überhaupt etwas in dieser Welt zu erreichen. Du bist interessant." Der Drache drehte sich um.
Selina trat aus der Ecke heraus und wollte ihren Freunden gerade signalisieren, ihr zu folgen, als sich plötzlich ein Drachenschwanz um ihren Bauch schlang und sie vom Boden hoch zog. Sie schrie und hämmerte auf die Schuppen ein, doch sie konnte nichts ausrichten. Avina schrie Ash an, irgendetwas zu tun, doch er stand erstarrt da und beobachtete mit aufgerissenen Augen das Geschehen. Erst als Avina ihm ins Gesicht schlug, erwachte er aus seiner Starre und griff nach seinem Schwert. Der Drache trat zum Höhleneingang und breitete die Flügel aus. Ash schleuderte einen Blitz auf den Drachen, doch es passierte nichts. Der Drache hob ab und flog steil nach oben.
Selina schrie vor Schreck auf und machte den Fehler nach unten zu sehen. Scheiße war das hoch! Sie klammerte sich an den Drachenschwanz, der bei jedem Flügelschlag zuckte und wenn sich die Schlaufe öffnete, in der Selina gefangen war, wollte sie immernoch eine kleine Absicherung haben.
Der Drache flog auf einen großen Berg zu und sie bemerkte eine weitere Höhle, ein wenig kleiner als die andere, aber immernoch groß genug, dass die Riesenechse hinein passte.
Vor der Höhle gab es eine Art natürlicher Landesteg. Der Drache landete darauf, drehte den Kopf bis er sie sehen konnte und spazierte in die Höhle.
In der Höhle gab es mehrere Gänge die in andere Abteile der Höhle führten. Der Drache ließ sie runter. Sie rannte in Richtung Ausgang und der Drache beobachtete sie dabei gelassen. Sie rannte auf den Landesteg und suchte nach einer Stelle an der sie herunterklettern oder springen konnte, ohne sich großartig zu verletzen, doch sie fand keine. Überall fiel der Stein steil ab und sie fühlte sich gefangen. Tränen der Verzweiflung brannten in ihren Augen. Sie setzte sich an die Kante und schluchzte. Sie war gefangen mit diesem Monster. Der eisige Wind zerrte an ihrer Kleidung und sie begann zu zittern. Der Drache trat neben sie, schlang seinen Schwanz um ihren Bauch und zog sie ins Höhleninnere. Dort trug er sie in einen kleinen Raum, in dem viele Felle und Decken lagen. Sie fragte sich zwar, warum er so viele Decken hatte, brachte aber keinen Ton heraus. Er setzte sie ab und verschwand in dem Gang, aus dem sie gekommen waren.
Wieso hatte er sie entführt und was war jetzt mit ihren Freunden?
Viele Fragen schossen durch ihren Kopf und begleiteten sie in den Schlaf.
An den konnten ihre Freunde nicht einmal denken.

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