"Liv, bitte mach auf." Jack klopft bestimmt schon seit fünfzehn Minuten an der Badezimmertür. "Geh einfach.", bringe ich mit erstickter Stimme raus. "Habe ich was falsch gemacht? War dir das zu viel auf einmal? Ich bitte dich, sag mir was los ist. Du kannst mir vertrauen. Ich werde dich nicht auslachen oder sonst etwas. Versprochen. Sag mir einfach nur was los ist." Was soll ich ihm jetzt bloß sagen? Ich kann ihm nicht sagen, dass es wegen Tobi ist, dass er gedroht hat, Jack was anzutun, wenn ich was mit ihm habe. Wer weiß, vielleicht prügelt er sich wieder mit Tobi und ich will nicht, dass er dieses Risiko auf sich nimmt. "Es... es liegt nicht an dir..." Ich will ihn nicht anlügen, aber es geht nicht anders, wenn ich will, dass ihm nichts passiert. "Ich... will einfach noch nichts Neues. Es..." Langsam öffne ich die Tür, was ein Fehler ist, als ich sein verletztes Gesicht sehe. "Es tut mir leid, falls ich dir irgendwelche Hoffnungen gemacht habe, aber ich möchte dich gerne als Freund haben... Nur als Freund." Besonders die letzten Worte tun mir unglaublich weh. Ich weiß, dass ich mich selbst belüge, aber seine Sicherheit ist mir wichtiger, als mein Glück. Er versucht zu lächeln, aber ich sehe, dass sein Lächeln so falsch ist wie meine Worte. "Das verstehe ich. Ich hätte nicht so voreilig sein sollen, tut mir leid. Ich wollte dich echt nicht in diese Situation bringen." Verdammt, wieso muss er jetzt, wo ich so scheiße zu ihm war, immer noch nett sein, dass macht alles nur schwerer. "Gib dir keine Schuld, denn du kannst nichts dafür." Ich wollte meine Hand auf seinen Arm legen, halte aber während der Bewegung an und ziehe meine Hand wieder zurück.
"Ich glaub, ich gehe jetzt mal lieber." Jack will schon zur Tür, als ich ihm anbiete, doch noch zu bleiben und mit mir Filme zu gucken. Man sieht, dass er mit sich kämpft, aber dann schüttelt er doch seinen Kopf und verabschiedet sich mit einer zögerlichen Umarmung. Jack ist so schnell verschwunden wie er gekommen ist. Ich bleibe an der Tür stehen und schaue seinem Auto hinterher, bis ich es nicht mehr sehen kann.
Wütend knalle ich die Tür zu, lehne mich mit dem Rücken an sie an und lasse mich langsam auf dem Boden nieder. Ich ziehe mein Knie an meine Brust und weine, weil ich ihm wehgetan habe, weil ich mir selbst wehgetan habe, weil Tobi mir schon wieder weh tut. Mir und Jack. Wieder ist Tobi an allem schuld und... ich. Was ist bloß los mit mir? Immer bin ich traurig und wütend. Immer mache ich alles falsch. Nie kann ich irgendwas richtig machen. Nie kann mal irgendwas in meinem Leben gut laufen. Da bekomme ich neue Hoffnung, denke alles kann wieder gut werden und dann Bäm, doch nicht. Ich dachte, ich bekomme einen Neuanfang. Aber nichts hat sich geändert. Ich kriege meinen Neuanfang und mein Glück nicht.
Ich renne ins Wohnzimmer und schnappe mir die Flasche Wein und mache mir nicht mal die Mühe, es in ein Glas zu gießen. Ich trinke einfach aus der Flasche. Doch der Wein reicht mir nicht. Ich gehe in den Keller, wo das härtere Zeug steht und schnappe mir eine volle Flasche Wodka. Trinkend laufe ich wieder nach oben. Schreiend und wütend werfe ich die Kissen und die Decken im Wohnzimmer herum. Ich habe es verdammt noch mal satt. Ich habe alles satt. Tobi. Mich. Mein Leben. Die Liebe. Einfach alles. Ich ertrage diesen ganzen Schmerz nicht mehr. Ich ertrage es nicht, wie ich Jack wehgetan habe. Sein verletztes Gesicht erscheint immer und immer wieder in meinem Kopf, ebenso wie das Bild, als er im Krankenhaus lag, oder auf der Trage. Die ganze Zeit tue ich ihm weh, oder ich bin schuld daran, dass ihm wehgetan wird.
Ich setze mich auf den Boden und trinke ohne Pause. Ich ziehe jedes Mal eine Grimasse, wenn ich einen Schluck nehme und mein Hals brennt, aber das ist mir egal. Selbst als mir schlecht wird, trinke ich weiter. Als ich wirklich nicht mehr kann, krabble ich die Stufen hoch zu meinem Zimmer und lasse mich erschöpft auf mein Bett fallen. Noch in letzter Sekunde schnappe ich mir den Mülleimer aus der Ecke und übergebe mich. Zur Sicherheit, lasse ich den Mülleimer neben meinem Bett liegen.
Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen habe, oder ob ich überhaupt geschlafen habe. Aber als der Krach sich langsam meinem Zimmer nähert, werde ich blitzartig hellwach. Die Tür knallt mit einem Krachen auf und mein wütender Dad kommt in mein Zimmer gestampft. "Wie sieht es denn unten aus?! Was ist passiert, Liv?", er schreit so laut, dass ich Kopfschmerzen bekomme. Finn kommt besorgt hinter ihm hervor und setzt sich zu mir auf's Bett. "Dad, psst. Schrei sie doch nicht so an." Und mal wieder bin ich so dankbar für Finns ruhige Art. "Ich soll ruhig bleiben? Unten im Wohnzimmer ist alles durcheinander und leere Alkohol Flaschen liegen unten rum! Wie soll ich da denn ruhig bleiben? Verdammt Liv, was hast du gemacht? Eine Ein-Mann Party?" Seine Stimme wird immer ruhiger, bis er mich auch nur noch besorgt ansieht, genau wie Finn. Er setzt sich ebenfalls zu mir ins Bett und nimmt meine Hand. "Schatz, du weißt doch, dass du über alles mit uns reden kannst. Alkohol ist keine Lösung und was bitte hat das Wohnzimmer dir angetan?" Ich muss lächeln, als er versucht einen Witz zu machen. "Es tut mir leid. Mir wurde alles zu viel und dann keine Ahnung, was passiert ist. Tut mir Leid. Ich gehe sofort nach unten und räume alles auf." Schuldbewusst, will ich aufstehen, doch dann wird mir wieder schlecht und ich übergebe mich in den Mülleimer. "Ganz ruhig kleine." Finn zieht mich zurück auf das Bett und deckt mich zu. "Ich denke mal, dass das Aufräumen bis morgen warten kann, wenn du deinen Rausch ausgeschlafen hast, meinst du nicht auch Dad?" Dad sieht mich liebevoll an und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. "Ja." Ich bin gerührt, wie sie immer für mich da sind, selbst wenn ich so 'ne scheiße mache. Ich nehme Finn und Dad dankbar in den Arm und flüstere, dass ich sie lieb habe. Sie verlassen mein Zimmer und lassen die Tür einen kleinen Spalt offen. Kurze Zeit später kommt Finn mit einer Jacke in der Hand, die Jack anscheinend hier vergessen hat, in mein Zimmer und legt sie ans Ende meines Bettes. "Bevor Dad das noch sieht und wieder austickt.", flüstert er mit einem Zwinkern und lässt mich dann endgültig schlafen.
(Sorry, dass ich gestern nichts upgedatet hab, ich hatte keine Zeit und ehrlich gesagt auch nicht besonders viel Lust. :D Aber dafür hab ich jetzt ein etwas längeres Kapitel geschrieben. Hoffentlich gefällt es euch und ihr votet schön und lasst ein paar Kommentare da. Ich liebe euch, meine Leser ♥)
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Sommerregen
Teen FictionKaum sind die Sommerferien und das Reisen vorbei, fängt Livs langweiliges Leben in England wieder an. Wieder der gleiche Alltag: Zur Schule gehen. Freunde treffen. Fernweh. Doch alles ändert sich, als plötzlich ein neuer Junge in die Stadt zieht.