Kapitel 27

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"Willst du nach Hause, oder soll ich dich an einen anderen Ort fahren?" Jack's Stimme weckt mich aus meiner Trance und schrecke kurz auf. "Nach Hause klingt gut." "Okay." Er drückt vorsichtig meine Hand, doch dennoch drehe ich mich nicht zu ihm um. Die ganze Fahrt über habe ich nur aus dem Fenster geschaut und die Welt beobachtet. Diese Welt, die immer noch genauso aussieht wie vor einer Stunde, als ich hier das letzte mal vorbeigefahren bin. Hier hat sich nichts verändert. Nur für mich und meine innere Welt hat sich alles verändert. Mein Blick wandert zu Jack's und meiner Hand und wie perfekt unsere Finger ineinander verflochten sind. Er hällt schon die ganze Zeit über meine Hand und ich bin froh, für diese kleine, liebevolle Geste. "Gut, dass ich ein Automatik Auto habe, oder?" Ich schaue zu ihm hoch. Er hat anscheinend gemerkt, wie ich unsere Hände beobachtet habe, denn er lächelt leicht und schaut dann wieder zur Straße. Meine Wangen werden schlagartig Rot und ich drehe meinen Kopf wieder zum Fenster. "War nur ein kleiner Witz." "Ich weiß."

Jack biegt um die Ecke und ich sehe schon von weitem mein Haus. Es scheint, als wenn ich mich selbst sehen könnte, vor zehn Jahren. Nick und ich laufen über die Straße und spielen fangen. Dann verändert sich die Szene und ich sehe, wie Nick, Tim und ich im Vorgarten Fußball spielen. Meine Augen füllen sich wieder mit Tränen und ich wische sie schnell weg, bevor Jack sie noch sieht, doch zu spät. Im Augenwinkel, erkenne ich schon, dass Jack sich zu mir rüberbeugt, um mich in den Arm zu nehmen. Ich lasse es zu, denn um die Wahrheit zu sagen, tut mir jede Berührung von Jack gut. Und ich lasse es auch zu, dass meine Arme sich um seinen Körper schlingen, um seine Umarmung zu erwidern. "Egal wie schlimm es ist, in ein paar Jahren wird es dir nicht mehr so schlimm vorkommen wie jetzt." Ich fange an zu lachen und Jack löst sich aus der Umarmung und schaut mich fragend an. "Was?" "Nichts. Ichh.." Da ich vor Lachen kaum noch Luft bekomme, versuche ich mich zu beruhigen. "Es ist nur so, du bist echt ein mieser Aufmunterer." Jetzt muss sogar Jack anfangen zu grinsen. "Der Spruch war dumm, ich weiß. Ich hab den mal irgendwo gelesen und dachte er würde passen." Peinlich berührt fährt er sich, mit der Hand, durch die Haare und ich muss mich beherrschen, um nicht laut aufzustöhnen. "Achja, wo hast du den denn gelesen? In einem Ratgeber, mit der Überschrift 'Die Top ten, der besten Sprüche, wenn ihr Kind das erste mal Liebeskummer hat'?" "Shit, du hast mich durchschaut!" Und wir fangen beide gleichzeitig an zu lachen. Unsere Blicke treffen sich immer wieder und langsam erstirbt unser lachen. Jack schaut mir so eindringlich in die Augen, dass ich nicht wegschauen kann. Ich spüre seine Hand auf meinem Oberschenkel, und wie in Zeitlupe nähern sich unsere Lippen. Und als wenn es nicht schon kitschig genug wäre, spielt der Radiosender plötzlich 'Kiss me slowly' von Parachute. Das wird mir einfach zu viel und ich kann nicht anders als laut aufzulachen. Jack zuckt zusammen und guckt mich wieder fragend an, doch ich klopfe ihm nur auf die Schulter und wische meine tränen weg, die vom lachen gekommen sind. "Ich sollte wohl lieber gehen."

Ich steige aus dem Auto, drehe mich aber nochmal um, als Jack das Fenster runterdreht und die Musik leiser stellt. Ich bücke mich runter, um ins Auto schauen zu können. "Danke. Und ich meine dieses 'Danke' wirklich ernst und nicht nur so nebenbei, ok?" Er lächelt leicht und nickt. "Gerne." Die Sonne scheint in sein Auto und lässt sein Gesicht wunderschön strahlen. Seine Augen glänzen und es fällt mich echt schwer meinen Blick von ihm zu lassen. "Nadann, ich gehe mal rein.." Jack startet den Motor und kaum bin ich zwei Schritte gelaufen, höre ich, wie Jack mich noch einmal ruft. "Liv?" Ich bleibe einfach in meiner Bewegung stehen. "Ja?" "Pass auf dich auf und mach nichts dummes. Du bedeutest mir echt viel." Ich setze mir schon ein falsches lächeln auf und will mich zu ihm umdrehen, doch ich erwische nur noch einen kleinen Blick auf sein Auto, dass um die nächste Ecke biegt.

SommerregenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt