Jareth trommelte ungeduldig mit seinem eleganten Gehstock gegen sein Schienbein. Die beinahe täglichen Geschäftstermine und Audienzen nervten ihn; meist ging es um Grundbesitz-Streitereien zwischen seinen Goblins oder Anschuldigungen des Diebstahls von Gütern, gelegentlich auch um Schlägereien von Betrunkenen, die Jareth zumindest ein wenig amüsierten.
Heute musste er wieder über die gewöhnlichen Zankereien richten. Natürlich genoss er seine Macht und seine Privilegien, doch die damit verbundenen Pflichten waren ihm ein Dorn im Auge. Lieber verwandelte er sich in die Gestalt einer Schleiereule und flog in die unendlichen Weiten seines Reichs, oder zog sich in seine Gemächer zurück, um die ganze Nacht lang zu lesen. Anders als seine Untertanen, war der König sehr wohl gebildet.
Er hatte soeben zwei Goblins zur Bestrafung für zwei Tage in das Moor des ewigen Gestanks geschickt, weil diese nun schon zum wiederholten Mal Unruhe gestiftet hatten, indem sie eine Schlägerei am Markt angezettelt hatten. Gerade, als die beiden von den Wachen abgeführt wurden, kündigte sein Vorsprecher Sir Didymus, Hoggle und Ludo an. Der König rollte genervt mit den Augen und schlug seine Hand vor das Gesicht. „Lass Hogbart und Sir Didymus rein, aber nicht diesen Riesen", knurrte er.
Bereits im nächsten Augenblick betraten diese den Raum. Der König zog es vor, ihnen keine weitere Beachtung zu schenken.
„Eure Majestät", begann Sir Didymus, „es tut uns aufrichtig Leid, Eure Zeit zu vergeuden. Wir sind hier, um uns nach Mylady zu erkundigen."
Der König legte Zeigefinger und Daumen an sein Kinn und warf ihnen einen herablassenden, bemitleidenden Blick zu. „Es geht ihr gut", schnarrte er. „Bevor ihr mich weiterhin belästigt: sie weiß Bescheid, dass ein Besuch eurerseits stattfinden wird, nur bestimme ich den Zeitpunkt desselben. Und seid gewarnt: euer Betteln erweicht mich nicht, im Gegenteil, es strapaziert meine Geduld." Die Schnauze des Fuchses, der ohne Ambrosius gekommen war, klappte wortlos auf und zu – ihm fehlten die Worte.
„Ja – ja, natürlich, Majestät-" Er warf Hoggle einen flehenden Blick zu, auch etwas zu sagen, doch der Zwerg starrte betreten zu Boden und schwieg, während er seine rote Kappe mit seinen Händen wand, als wäre sie nass; Sir Didymus bedachte ihn deshalb nur mit einem bösen Blick und fuhr fort: „Wir wollten nur wissen, ob alles mit ihr in Ordnung ist."
Jareth wusste, dass diese Plagegeister ihn wohl nicht eher in Ruhe lassen würden, bis er ihnen eine befriedigende Antwort geliefert hatte. Er seufzte. Leider konnte er sie nicht ohne guten Grund ins Moor schicken, das wäre zu offensichtlich.
„Nun gut", sagte er, „da ich ein großzügiger König bin, gewähre ich euch einen Blick auf sie." Er beschwor eine Kristallkugel hervor, die er zwischen Handfläche und -rücken hin- und hergleiten ließ, bevor er sie Hoggle ohne Vorwarnung zuwarf. Der Zwerg strauchelte und hatte Mühe, die Kugel noch rechtzeitig zu fangen. Mit zitternden Händen hielt er sie nun und Sir Didymus drängte sich an ihn, um besser sehen zu können.
Zu Beginn zeigte sie ihnen nichts, doch was Hoggle dann sah, ließ ihn erstarren. „Es stimmt etwas nicht. Sarah – Sarah, sie – liegt nur da, Eure Majestät! Schnell, wir müssen zu ihr!", schrie er aufgeregt und blickte auf, um flehentlich den Blick des Königs zu suchen.
Die Kugel zerbrach in tausende funkelnde Teile, als Hoggle sie vor Entsetzen fallen ließ. Ein lederner Handschuh hatte sich um seine Kehle gelegt und ihn auf Augenhöhe des Königs gebracht. Sein Blick war kalt, und dennoch loderte etwas darin – Wut?
„Raus", zischte der Goblinkönig kaum hörbar. Hoggle stürzte auf den harten Boden; Sir Didymus half seinem Freund, der nach Luft rang, rasch auf und stützte ihn. Der König war fort.
Sarah blinzelt schwach. Sie fühlte nichts. Keinen Schmerz, keine Furcht; sie nahm nicht einmal das Dasein ihres eigenen Körpers wahr. Helles, fast gleißendes Licht durchdrang selbst ihre Augenlider und ließ sie langsam zu sich kommen.
Sie versuchte, ihre Augen zu öffnen, doch der weiße Schein blendete zu sehr und sie schloss sie erneut. Sarah versuchte, ihre Finger zu bewegen, jedoch erfolglos. Ihr Körper konnte und wollte ihr nicht gehorchen.
Das einzige, was sie fühlen konnte, war eine angenehme Wärme, die sich von ihren Füßen aufwärts ausbreitete, ihren Bauch erreichte und wellenartig ihre Arme, ihre Brust, und letztendlich ihr Gesicht erfasste; sie erschauderte.
Erneut blinzelte Sarah gegen das Licht und erkannte schemenhaft ein Wesen, das vor ihr stand; es hatte seine Arme über ihren Körper gestreckt und verharrte zunächst reglos. Dann berührte es Sarahs Stirn und zuerst hörte sie ein leises Summen, das sich langsam steigerte und plötzlich mischte sich ein Gesang dazu, in einer Sprache, die sie nicht kannte. Sarah fand keine Worte für das, was sie soeben fühlte. Tränen schossen in ihre Augen und liefen ihre Wangen hinab, ihr Puls sank und ihre Atmung verlangsamte sich; die Schönheit der Stimme riss sie in ihren Bann und ließ tausende Eindrücke und Empfindungen erleben. Sie spürte, wie die Hitze jede Faser ihres Körpers erfasste und sie allmählich wieder ihre Finger wieder bewegen konnte. Sie fühlte eine seltsame Geborgenheit, die sie seit dem Tod ihrer leiblichen Mutter nicht mehr empfunden hatte; Sarah erinnerte sich an das weiche, braune Haar und wie sie ihrer Tochter über die Wange gestrichen hatte, als wäre es gestern gewesen. Mit einem Mal schien jedes ihrer Probleme vergessen, jeder Schmerz und jede Angst waren fort.
Fühlte sich so das Sterben an? War sie bereits tot und wusste es nur nicht?
Ihr Mund war so trocken, dass sie kein Wort hervorbrachte, trotzdem versuchte sie lautlos Worte zu formen. Jemand benetzte zunächst ihre Lippen, hob dann vorsichtig ihren Kopf an und flößte ihr kühles Wasser ein. Sarah trank und griff damit begierig nach dem Leben. Sie konnte noch nicht tot sein, wenn sie all dies noch fühlte und wahrnahm.
Sie sank zurück auf den weichen Untergrund. „Wo ... bin ... was ist ...?", brachte sie nur mühsam hervor. Jemand legte ihr einen Finger auf die Lippen, um ihr zu bedeuteten, dass sie schweigen sollte.
„Schlaf", hörte sie jemanden sagen. Sarah konnte es nicht kontrollieren. Sie wurde entsetzlich müde, als hätte sie seit Tagen nicht mehr geschlafen. Ihre Augen schlossen sich und sie begann zu träumen.
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I will be your slave
FantasiSarahs Rückkehr aus dem Labyrinth liegt einige Jahre zurück, und doch holen sie die Erinnerungen immer wieder ein. Als ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt wird, ist sie gezwungen, zurück zukehren, sich neuen Problemen und Gefühlen zu stellen - u...