Im Schloss herrschte seit Tagen eine beunruhigende Stille, die es bisher noch nie gegeben hatte. Das Personal hatte sich auf Befehl des Königs in das Küchengewölbe und gleichzeitige Personaltrakt verschanzt und wagte es nicht, auch nur einen Fuß hinaus zu setzen; sie mochten Goblins sein und nicht mit besonderer Weisheit gesegnet sein, doch sie wussten, dass es in dieser Situation besser war, ihren König nicht zu reizen. Es war keinesfalls ungewöhnlich, dass ihr König extrem launisch sein konnte und von Euphorie in plötzliche Aggression schwankte, doch jene Zustände dauerten nie lange an. Diesmal war es aber anders als sonst.
Um sich Gehör zu verschaffen und seinen Befehl kund zu tun, hatte er seinen Gehstock tatsächlich in den steinernen Boden gerammt, der splitternd brach. Danach hatte er sich ohne ein weiteres Wort in seine Gemächer im höchsten Turm des Schlosses zurückgezogen.
Nachdem sich die Flügeltür hinter ihm geschlossen hatte, sank Jareth erschöpft vor dem Kamin in die Knie; er starrte in die Flammen, nahm diese jedoch nicht weiter wahr.
Seine Kräfte waren durch die letzten Geschehnisse stärker geschwächt worden, als er eigentlich angenommen hatte; er fühlte eine Müdigkeit, die für ihn unbekannt war und gleichzeitig Ärger, der in ihm aufstieg.Das Mädchen verursachte nur Probleme, seit sie ihren Wunsch ausgesprochen und ihn damit zu sich gerufen hatte; dennoch war stets die leise Hoffnung dagewesen, dass sie möglicherweise in den Untergrund zurückkehren wollte, obwohl ihr letztes Zusammentreffen und Sarahs Triumph ihn beinahe die Existenz gekostet hätte. Nachdem die Worte, jene schmerzhaften Worte, über ihre Lippen gekommen waren, hatte er seine tierische Gestalt angenommen, um nicht wie sein Reich in hunderte Trümmer zu zerfallen und irrte durch die Nächte, überwältigt von der Tatsache, dass ein Mensch ihn besiegt hatte. Du hast keine Macht über mich. Jareth hielt inne, ließ seine Erinnerung walten. Du hast ... keine Macht über mich.
Der König zischte wütend.
Als Sarah ihn erneut rief, durchfluteten ihn prickelnde Neugier und Aufregung; gleichzeitig musste er sich beherrschen, dem Mädchen nicht seine blanke Wut entgegen zu bringen. Er war König, hochwohlgeboren und durfte sich nicht auf die Gefühlsebene mit den Menschen herablassen.Jedoch war da noch etwas Anderes, etwas, das ihn vielmehr beunruhigte als sein derzeitiger Zustand. Jareths Sinne waren übernatürlich ausgeprägt, was typisch für seine alte Abstammung war; sein Gehör und seine Sehleistung waren besonders intensiv, selbst die Aura, die jedes Lebewesen umgab, war kein Geheimnis für ihn. Er wusste, dass Sarah Williams nicht alleine in das Labyrinth gekommen war.
Ihre Aura war stets ein Genuss für ihn gewesen, da sie im Gegensatz zu seiner eigenen rein und unschuldig war. Als er ihr nach all den Jahren zum ersten Mal wieder in dem Krankenzimmer persönlich gegenüberstand, erkannte er, dass sich ein dunkler Schatten an sie gehaftet hatte.
Während ihres kurzen Aufenthaltes im Schloss hatte der Schatten ihre reine Aura immer weiter verdrängt. Jareth beobachtete das Geschehen, rief sich jedoch in Erinnerung, was Sarah ihm angetan hatte; warum also sollte er ihr nun helfen?
Jareth formte seine Hand zu einer Faust, begutachtete diese. Schließlich war ihr Wunsch der gewesen, ihre Freunde noch einmal zu sehen, nicht ihn. Sie hasste den Koboldkönig, er wusste es, er sah es in ihren Augen. Er spürte ihre Verachtung in jedem Wort, das sie an ihn richtete, in ihrem Widerwillen, als sie tanzten.
Dennoch hatte er die alten Bücher über die Heilkunst in seiner Bibliothek nach einem Mittel durchforstet und ein Gebräu entdeckt, das ihr Linderung und möglicherweise Heilung verschaffte; einige wenige Tropfen in ihren Tee oder Wein hatten genügt. Der Schatten war dann für kurze Zeit fort, kehrte jedoch ebenso bald wieder zurück. Jareth wusste, dass ihr Zustand ernster war, als er anfänglich angenommen hatte.Langsam erhob sich der König und entledigte sich seines Umhangs und engen Wamses. Er schritt zu seinem Himmelbett mit den imposanten Schnitzereien im dunklen Holz und ließ sich mit ausgebreiteten Armen rücklings darauf fallen, um nachdenklich den weinroten Samthimmel anzustarren, bis er die Augen schloss und sich den Erinnerungen hingab.
Als er Sarah bewusstlos, bleich und mit blauen Lippen in der Bibliothek vorfand, war ihm klar gewesen, dass sie in jenem Augenblick dem Tod nahe war. Jareth hatte neben ihr gekniet, einen der Lederhandschuhe ausgezogen und ihre Haut berührt, die sich unter seinen Fingern unnatürlich kalt war und wächsern anfühlte. Er zögerte nicht.
Vorsichtig hatte er seine Arme unter Sarahs schlaffen Körper geschoben und sie hochgehoben. Er wusste selbst nicht, was dann geschah; seine eigene Aura veränderte sich allmählich, sodass ein helles, gleichmäßiges Licht von ihnen beiden ausging. Dieser Schein intensivierte sich, umschloss sie und schmerzte in seinen Augen, doch er ließ Sarah nicht aus den Augen. Die Umgebung veränderte sich. Die vielen Bücher und der muffige, stickige Geruch und der Steinboden verschwanden, bis nur noch das Licht, sowie eine gepolsterte weiße Chaiselongue zu sehen waren, auf die er das Mädchen legte. Er erinnerte sich, dass er sanft über Sarahs Wange strich, seine Hand dann auf ihre Stirn legte und die Augen schloss, dabei immer wieder denselben Gedanken wiederholte. Stirb nicht.
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I will be your slave
FantasySarahs Rückkehr aus dem Labyrinth liegt einige Jahre zurück, und doch holen sie die Erinnerungen immer wieder ein. Als ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt wird, ist sie gezwungen, zurück zukehren, sich neuen Problemen und Gefühlen zu stellen - u...