Nachdem die diensthabende Krankenschwester, eine robuste aber freundliche Frau, noch spät nachts die leere Infusion abgehängt hatte, wusste Sarah, dass ihr geschundener Körper diese Art der Therapie wohl nicht lange überstehen würde, denn sie hatte sich in ihrem gesamten Leben nie so erschöpft und krank gefühlt wie sie es jetzt tat. Sarahs Stirn war kaltschweißig und sie zitterte. Sie wollte sich wenigstens persönlich von ihren Freunden verabschieden, auch wenn Hoggle ihr geschworen hatte, einen Ausweg für sie zu finden. Sarah liebte den grießgrämigen Zwerg und wollte ihn nicht verletzen, und doch ahnte sie, dass er ihr auch nicht helfen konnte und ihre Zeit bald gekommen war – sie wollte sich zumindest verabschieden, das stand fest. Es gab wohl nur einen Weg, und diesen musste sie gehen.
Ihre letzte Begegnung mit dem König hatte sie nicht vergessen. Sie erinnerte sich an ihren wilden Herzschlag, als sie in den Trümmern des Schlosses gestanden hatte und Jareth aus dem Schatten eines Torbogens trat, sein Blick sie durchbohrte und er sie zu überreden suchte, bei ihm zu bleiben; doch sie hatte ihn mit den Worten „Du hast keine Macht über mich" besiegt, gesehen, wie sein Blick brach, und er in die Tiefe stürzte. Es war ihr stets bewusst gewesen, dass er nicht tot war. Und nun – nun würde sie ihn erneut rufen.
Sarah atmete tief ein, wischte sich den Schweiß von der Stirn; er durfte ihre Angst nicht wahrnehmen.
„Ich wünsche", begann sie leise, „ich wünsche, dass du, Koboldkönig, wo immer du auch bist, mich in den Untergrund, in das Labyrinth bringst." Als sie die Worte ausgesprochen hatte, raste ihr Herz auf dieselbe Weise wie damals. Sie setzte sich so aufrecht hin wie möglich.
Es geschah nichts. Die Äste des Baumes klopften weiterhin gegen das Fenster.
Sie senkte enttäuscht den Kopf und wollte sich ihrem Schicksal fügen, als ihr ein Geruch in die Nase stieg, intensiv und betörend – Flieder.Ein Schatten löste sich aus der Ecke. Lautlos trat die Gestalt in das helle Licht des Monds und blieb am Fuße des Bettes stehen. Zerzaustes, langes Haar umrahmte das schmale Gesicht, die verschiedenfarbigen Augen waren auf sie gerichtet.
Er war vollkommen schwarz gekleidet, eine glitzernde Nadel schimmerte an seinem hohen Halskragen und ein silberner Glanz zierte sein Gesicht; die Lippen waren zu einem Lächeln gekräuselt, das seine spitzen Zähne entblößte. Sie starrte ihn mit halbgeöffnetem Mund ungläubig an, überwältigt von seinem Auftritt.
„Es überrascht mich, dass du mich gerufen hast." Der König stützte sich auf einen Gehstock mit silbernem Knauf und neigte den Kopf fragend zur Seite, immer noch lächelnd, „ich hatte nicht erwartet, je wieder von dir zu hören, Sarah Williams ... nachdem, was passiert ist." In den letzten Worten lauerte ein gefährlicher Unterton.
„Ich bitte dich, mich in das Labyrinth zu bringen. Ich habe Dinge zu erledigen", antwortete sie und bemühte sich, ihre Stimme nicht versagen zu lassen.Sein langer Umhang raschelte leise, als er auf Sarah zuging und sich ungefragt an den Rand des Bettes setzte. „Du erwartest schon wieder zu viel von mir. Was erhalte ich im Gegenzug von dir? Vergiss nicht, Sarah, in dieser Welt herrsche ich, und dieses Mal bin ich nicht so großzügig."
Sarah überlegte, was sie ihm nun sagen sollte. Was konnte sie ihm im Gegenzug anbieten?
Nachdem ich wohl sowieso bald sterben werde, habe ich nichts zu verlieren, schoss ihr durch den Kopf, und sie hatte das Bedürfnis, diesen Gedanken wie ein lästiges Insekt zu verscheuchen.
Der Koboldkönig antwortete stattdessen, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Der Duft des Flieders war intensiver geworden. „Ich gewähre dir exakt dreizehn Tage – als Gegenleistung wirst du in meinem Schloss verweilen und mir Gesellschaft leisten, wann immer mir danach ist", sagte er, während ein Lächeln seine Lippen umspielte. Er hob Sarahs Kinn mit einer seiner behandschuhten Hände an. Sein Gesicht näherte sich gefährlich nahe ihrem. „Solltest du bei deinem Vorhaben scheitern, wird der Preis viel höher sein", hauchte er und ließ Sarah los. Sie nickte kaum merklich.„Wie du wünschst", sagte der König und warf mit einer Bewegung, die so schnell war, dass ein Sterblicher sie nicht wahrnehmen konnte, seinen Umhang über sie beide. Alles, was übrig blieb, waren ein paar glitzernde Funken.
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I will be your slave
FantasySarahs Rückkehr aus dem Labyrinth liegt einige Jahre zurück, und doch holen sie die Erinnerungen immer wieder ein. Als ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt wird, ist sie gezwungen, zurück zukehren, sich neuen Problemen und Gefühlen zu stellen - u...