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Tris

Ich ging zum Sekretariat und meldete mich krank. Zwischen durch tat ich so, als würde ich würgen. Sie wollte meinen Vater anrufen, doch als ich ihr erklärte, dass mein Vater nicht konnte, rief sie stattdessen Rayn an. Er wusste, dass ich nicht krank war. Er wusste alles. Zwar unterstützte er es nicht, dass ich mich ritzte, aber genauso wusste er, dass er es mir auch nicht verbieten konnte, da er wusste, dass es oft die einzige Möglichkeit war, mich 'oben' zu halten. Er konnte mir nicht helfen und würde mein Vater bescheid wissen würde es ihm den Rest geben.

 10 Minuten später war er da. Ich verabschiedete mich, von der Sekretärin und ging zusammen mit Rayn. Draußen auf dem Parkplatz nahm er mich fest in den Arm. Meine Tränen unterdrückte ich. Zu Hause angekommen machte er mir einen Tee, während ich es mir auf der Couch gemütlich machte. "Was ist passiert? Sonst hast du bis Nachmittags immer durch gehalten." Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. "Samuel hat es heraus gefunden." Geschockt blickte er mich an. "Wie konnte das passieren? Was hat er dazu gesagt? Ist sonst noch etwas passiert?" Er überschüttete mich mit Fragen. Aber ich kannte es schon. "Samuel war sauer, weil ich ihm nicht sagen wollte, warum. Er redete auf mich ein. Meinte, dass die anderen nur verzweifelt sind, weil die so scheiße aussehen und ich nicht. Er hätte kein Mitleid und würde einfach nur die Wahrheit sagen. Er meinte, ich solle doch an meinem Selbsthass verrecken." quasselte ich herunter.

"Das hat er gesagt?!" Ich nickte "Da wird heute jemand mächtig Ärger bekommen." ich schüttelte den Kopf "Nein das bringt nichts. Es ist ihm egal. Davon abgesehen, dass er andere Probleme hat." Er zog eine Augenbraue hoch. Ich schüttelte erneut den Kopf. "Aber es war nicht nur er, richtig?" Ich nickte und schlürfte meinen Tee. "Wir mussten rennen, dass wir noch pünktlich zum Unterricht kommen. Andere haben Kommentare über mich abgelassen. Rebecca war nicht da, um mir beizustehen. Er hat nichts gemacht, was man sich ja denken kann. Ich bin nur eine Art Geld zu verdienen und das nicht gerade wenig."

Wobei nicht viel übrig bleiben würde. Immerhin musste er nicht nur sich selbst, sondern auch Kelly und seine Todkranke Mutter ernähren. Kelly wächst noch. Sie braucht auch Kleidung. Seine Mutter ist ein Pflegefall, sie braucht Medikamente und andere Dinge. Es war garantiert nicht leicht für ihn. Das tat aber nichts zur Sache. Rayn bekam einen Anruf. Samuel. Rayn stellte auf laut. "Rayn?! Tris ist weg! Fuck! Ich finde sie nicht!" Rayn sah mich belustigt an. "Ist etwas vorgefallen?" "Nein... Ja... Wir haben uns gestritten. Wegen den Idioten, die sie die ganze Zeit runter machen. Sie wird aber deswegen nicht weggelaufen sein, oder?!" "Nein. Ihr wurde schlecht. Ich habe sie abgeholt. Dich werde ich jetzt auch abholen. Wir haben ein ernstes Wörtchen zu reden!" Es wurde ruhig. "Ist das dein scheiß ernst?!" Rayn grinste. "Ja, so ziemlich. Wo bist du? " Ich hörte Samuel schnaufen. " Bei mir zu Hause." "Gut. Gib mir die Adresse." Rayn's Ton ließ keine Widerrede zu, dennoch weigerte sich Samuel. "Gut dann hole ich sie eben aus deiner Bewerbungsmappe!" Damit legte er auf.

"Weißt du, wo sie dein Dad aufbewahrt?" Ich nickte. Ich ging hoch und kramte in den Unterlagen der Bewerber bis ich Samuel's fand. Ich rannte die Treppen runter und zeigte Rayn die Adresse. Er tippte sie in sein Handy ein und verschwand. Als der Wagen davon fuhr konnte ich nicht mehr. Ich rannte die Treppen erneut hoch, nur dieses Mal in mein Zimmer. Ich holte meinen Stuhl und stellte ihn unter die Deckenlampe. Ich kletterte auf den Stuhl, streckte meine Arme nach oben, bis ich eine kalte, glatte Stelle an meiner Stofflampe merkte. Ich hatte meine Klingen dort oben befestigt. Ich machte eine von dem Doppelseitigen Klebeband ab und stieg vom Stuhl wieder runter. Ich ging zum Schreibtisch, nahm mir ein Taschentuch, um das Blut wegmachen zu können und setzte mich anschließend auf den Boden. Alles, was mich kaputt machte, spielte sich vor meinen inneren Auge ab. Tränen stiegen mir in die Augen.

Mom, wie sie reglos da lag.
Mein Bruder, wie er mich für ihren Tod schuldig machte.
Mein Spiegelbild, was ich so sehr hasste. Ich hasste mich
Die Anderen aus meiner Schule, wie sie mich auslachten.
Mein Dad, der mich wegen zu hohem Alkoholkonsum Blutig schlug und anschrie.
Chris, wie sie mich alles im Haushalt machen ließ.
Den Jungen, von dem mein Dad wollte, dass ich ihn später heiratete, obwohl ich ihn nicht liebte.

Das Blut quoll unter der Klinge hervor. Tränen rannen ungehalten meine Hamsterbacken herunter. Gequälte Schluchzer verließen meine Kehle. Weitere Erinnerungen liefen vor meinen Augen ab. Glückliche Erinnerungen, die mich folterten. Sie folterten mich genauso, wie die Schlechten. Irgendwann legte ich die Klinge weg. Ich ließ das Blut einfach laufen und schloss die Augen. Ich atmete tief durch. Ich wusste nicht, wie lang ich so dort saß. Ich öffnete die Augen erst, als ich Schritte hörte. Benommen setzte ich mich auf, schaute auf das getrocknete Blut. Das Taschentuch war Überflüssig gewesen.

Die Tür öffnete sich, herein trat, wer hätte es gedacht, Samuel. Er blieb für einen Moment stehen, bevor auf mich zu kam und sich vor mich hin hockte. "Der Pullover ist hinüber." Murmelte er eher zu sich selbst.
Er drehte mich, wobei er an meiner Arm heran kam. Ich kniff die Augen zusammen. Er hob mich hoch und ging aus dem Zimmer. Konnte er sich nicht entschuldigen?! Wie erwartet stand Rayn vor meinem Zimmer. Erschrocken blickte er auf meinen Arm. Samuel trat die Tür zum Bad auf und setzte mich in der Wanne ab. Als er das Wasser aufdrehen wollte stoppte ihn Rayn. "Zieh Ihr den Pullover aus. Ich schmeiße ihn weg." Ich schüttelte den Kopf, versteifte meine Arme. "Tris jetzt hab dich nicht so. Du bist doch nicht komplett nackt." Meinte Samuel. Er wusste, warum ich es nicht wollte und ignorierte es einfach. Für einen kurzen Moment ließ ich locker, den er ergriff um mir den Pullover auszuziehen. Er drehte das Wasser auf, stellte es auf kalt. Ich schüttelte erneut den Kopf. "Soll ich erfrieren oder was?!" Er zuckte die Schultern, setzte sich auf den Rand und ließ das Wasser auf meinen Arm nieder prasseln. Ich schrie auf. "Selber schuld."

Er hielt mir den Duschkopf hin. "Halt das über deinen Arm!" knurrte er. Sein Ton hätte mir Gänsehaut bereitet, hätte ich diese nicht bereits.
Ich hielt den Duschkopf über meinen Arm, der immer noch in Samuel's festem Griff gefangen war. Vorsichtig ging er mit der Hand drüber, um das Blut abzubekommen. Erneut zischte ich vor Schmerz. Er stellte das Wasser ab und sah mir in die Augen.

"Warum?"

Sociopathic; Scared of loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt